Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Freiwahl ausbauen – ja oder nein?

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Die Freiwahl in Apotheken ist der Bereich, in dem Ökonomen sich austoben, nicht zuletzt weil die Preise frei kalkuliert werden können. Auf der anderen Seite regiert hier ein harter Wettbewerb. Denn während rezept- und apothekenpflichtige Sortimente für Apotheken exklusiv sind, trifft dies für die Freiwahl gerade nicht zu. Das ist auch der Grund, warum diese Produkte eben nicht „Over the Counter“ gereicht werden müssen, sondern in der Vor-HV-Tisch-Zone angeboten werden können. Hier unterliegt der Apotheker keinem Sortimentszwang und kann das, was er anbieten möchte, frei skalieren. Von daher ergibt die Frage, ob er diesen Sortimentsbereich besonders stärken soll, Sinn. Die Beantwortung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. An welchem Standort liegt die Apotheke (hat sie viele Laufkunden, wie hoch ist die Frequenz, ist es eher eine Apotheke, die mit Verschreibern zusammenarbeitet, liegt sie in einem Einkaufszentrum usw.) und welche anderen Anbieter vor Ort könnten das Angebot der Freiwahl auch haben (Lebensmitteleinzelhändler, Reformhäuser, Naturkostgeschäfte, Drogerien usw.)? Die Größe der Offizin darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, denn damit Freiwahl ihre Wirkung entfalten kann, muss entsprechender Raum dafür zur Verfügung stehen.

Sollten die räumlichen Gegebenheiten vorhanden sein, muss geschaut werden, ob für bestimmte Freiwahlbereiche zum einen die Nachfrage vorliegt und zum anderen auch die Sortimentskompetenz im Team abgerufen werden kann. Demgemäß sind Freiwahlsortimente eine gute Gelegenheit, einzelne Mitarbeiter besonders zu fördern, nicht zuletzt, weil sie sich nun für das entsprechende Teilsortiment über das übliche Maß hinaus engagieren und Verantwortung übernehmen können. Dies muss dann aber auch einwandfrei funktionieren. Bisweilen könnte ein zu großer Freiwahlbereich allerdings einen falschen Eindruck vermitteln, denn wenn die Offizin am Ende einer Drogerie oder einem Reformhaus ähnelt, ist niemandem geholfen.

Der Freiwahlbereich bietet sich auch dafür an, Schwerpunkte zu setzen und mit besonderen Marken zu arbeiten. Diese Marken korrespondieren am besten auch mit der Philosophie der Apotheke und des Apothekeninhabers. Sollten z. B. kosmetische Produkte angeboten werden und die Apotheke insgesamt für Naturheilkunde stehen, darf es nicht zum Bruch kommen. Im Gegenteil, dann sind Produkte aus dem Sortiment zu verdammen oder gar nicht erst einzulisten, die diesem Anspruch nicht gerecht werden, selbst wenn sie sich gut verkaufen ließen.

Das Rand- und Ergänzungssortiment unterliegt einer besonderen Controlling-Brille. Hier ist regelmäßig zu überprüfen, was sich wie verkauft. Zudem können Preissetzungsexperimente unternommen werden, um auf dieser Grundlage Preis-Absatz-Funktionen abzubilden, aus denen hervorgeht, mit welchem Preis der beste Umsatz oder noch besser der höchste Ertrag generiert wird. Und schließlich können die ausgewählten Marken genutzt werden, um gezielt Aktionen, Events, Schaufensterdekorationen oder andere Verkaufsförderungsmaßnahmen für die Apotheke zu bespielen und sich über dieses Vehikel bei Kunden auch für den klassischen Apothekenbereich zu empfehlen. Dem Freiwahlbereich kommt deshalb eine strategische Bedeutung zu, weil er für jeden Kunden einsehbar ist und damit das Gesamt­erscheinungsbild der Apotheke prägt. Wer sich hier also Mühe gibt, wird auch in anderen Bereichen das damit erzielte Image abrufen können. Hier sind Sorgfalt, besonderes Augenmerk und Akkuratesse gefragt und nicht Willkür, Nachlässigkeit und Staub.

In Apotheken, die ihren Schwerpunkt auf den rezept- und apothekenpflichtigen Bereich legen bzw. legen müssen, sollte ein umfassendes, aber weder breites noch tiefes Ergänzungssortiment vorgehalten werden. Hier schlägt das Tante-Emma-Prinzip zu, das davon ausgeht, dass auch eine Zahnpasta, ein Pflaster usw. benötigt werden, aber nicht zwingend von fünf verschiedenen Marken und nicht in allen auf dem Markt verfügbaren Größen oder Geschmacksrichtungen. Dabei liegt der Nutzen für den Kunden darin, alles aus einer Hand bekommen und damit einen „One-Stop-Shopping-Effekt“ nutzen zu können.

Allerdings ist die Apothekenbetriebsordnung hinsichtlich des Sortiments sehr restriktiv. An manchen Standorten würde man sich eine lockerere Interpretation wünschen, denn Potenziale gerade für Apotheken gäbe es genug. |

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