Gesundheitspolitik

Bleibt der Ofenkrusti-Gutschein tabu?

Rezept-Zugaben vor dem BGH

BERLIN (hfd/az) | Womit dürfen Apotheken bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel ihre Kunden locken? Die niederländische Europa Apotheek verspricht bis zu 30 Euro pro Rezept – und darf das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch. Feste Rx-Preise muss sie nicht beachten. Anders eine hessische Apotheke: Sie gab Brötchen-Gutscheine aus, einzulösen in der nahegelegenen Bäckerei. Den Gutschein für das 30-Cent-Weck hält das Oberlandesgericht Frankfurt für unzulässig. Dagegen fand das Kammergericht Berlin, dass ein Apotheker, der bei einer Rezept­einreichung Ein-Euro-Gutscheine zur Einlösung beim nächsten Apothekenbesuch ausgab, im Rahmen des Erlaubten handelte. Was stimmt nun für die deutschen Apotheken? Sind Zugaben beim Rx-Erwerb, so geringwertig sie auch sein mögen, immer verboten? Mit dieser Frage hat sich vergangenen Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) befasst. Ein Urteil ist erst für den 6. Juni angekündigt, aber die Tendenz der Richter scheint klar.

Gleich zwei Verfahren hat der 1. Zivilsenat des BGH am 28. März verhandelt: Den Gutschein einer Darmstädter Apothekerin für „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ und den Ein-Euro-Gutschein eines Berliner Apothekers. Beide gab es bei Rezepteinlösung. Und beide Zugaben hielt die Wettbewerbszentrale für unzulässig. Im Fall des Brötchen-Gutscheins sahen das die Gerichte in erster und zweiter Instanz ebenso: Es liege ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung vor. Daran ändere auch das im Oktober 2016 ergangene Urteil des EuGH zur Rx-Preisbindung nichts. Einen solchen Verstoß sah das Kammergericht Berlin zwar auch, dennoch ließ es den Ein-Euro-Gutschein durchgehen – denn er sei nicht geeignet, die Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern „spürbar“ zu beeinträchtigen. Der Gesetzgeber hatte diese im Lauterkeitsrecht bekannte „Spürbarkeitsschwelle“ eigentlich mit einer Änderung des § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ausschalten wollen – doch nun stellt sich die Frage, ob sie nach dem EuGH-Urteil wieder aufleben sollte.

Bei der Verhandlung vor dem ersten Zivilsenat ließ der Vorsitzende Richter Thomas Koch durchblicken, dass das Gericht in seinem anstehenden Urteil derartige Gutscheine verbieten wird. Er erläuterte zunächst die Rechtslage:

Die Rechtslage

Nach § 3a des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (UWG) handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Gleichzeitig muss der Verstoß geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Markt­teilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Eine derartige Vorschrift findet sich in § 78 Absatz 2 Arzneimittelgesetz (AMG), nach dem ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für rezeptpflichtige Arzneimittel zu gewährleisten ist. Nach § 7 (HWG) ist es im Allgemeinen außerdem unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben – „Waren oder Leistungen“ – anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen. Ausnahmen gelten für geringwertige Zuwendungen oder Werbegaben, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes gekennzeichnet sind, wie auch geringwertige Kleinigkeiten. Dabei sieht die Norm noch eine Ausnahme der Ausnahme vor: Selbst solche geringwertigen Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Außerdem dürfen Apotheker z. B. Fahrtkosten von Kunden im öffentlichen Nahverkehr erstatten, die in Zusammenhang mit dem Besuch der Apotheke stehen.

Was will der Gesetzgeber?

In den aktuellen Fällen stellten sich einige Fragen, die sich etwa bei einem Rechtsstreit um eine Prämie zur Neukundengewinnung vor einem Jahr noch nicht gestellt haben, erläuterte Koch. Die Vorschriften sollten verhindern, dass „ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen Apotheken stattfindet“, sagte er – und sie sollten nach dem Willen des Gesetzgebers eine flächendeckende Versorgung sicherstellen. Nach Einschätzung des Senats sind sie außerdem vereinbar mit den Regelungen auf EU-Ebene – zwar sei das Lauterkeitsrecht vollständig harmonisiert, doch könnten Mitgliedstaaten Gesundheitsfragen selbst regeln. „Um solche Regelungen handelt es sich hier“, sagte er.

Dass das Berufungsgericht im Fall der Brötchengutscheine einen Verstoß gegen die arzneimittelrecht­lichen Ordnungen gesehen hat „dürfte wohl richtig sein“, erklärte Koch bei der Verhandlung. Verboten sei jeder sachwerte Vorteil – es komme nicht darauf an, ob es sich um eine Geldzahlung handelt und welcher Zweck verfolgt wird. Die Apothekerin hatte geltend gemacht, dass der Gutschein kein Barrabatt sei, sondern der Kundenbindung diene. Es liege wohl auch keine Ausnahme vor, erklärte der Vorsitzende Richter: Wenn ein Fahrschein vergütet wird, sei das zulässig. „Die Apotheken-Umschau ist auch nicht gefährdet, darf abgegeben werden“, hielt er fest. Anders sei es auch bei Geschenken wie Taschentüchern oder Traubenzucker, die traditionell abgegeben werden.

Der Richter bezog sich auch explizit auf die EuGH-Entscheidung vom Oktober 2016, wonach EU-auslän­dische Versandapotheken in Deutschland Rabatte für Rx-Arzneimittel gewähren dürfen. Der EuGH habe keine Anhaltspunkte gesehen, dass eine Preisbindung erforderlich sei, erklärte Koch. Es sei zwar rechtmäßig, dass der Gesetzgeber gewährleistet, „dass auch in strukturschwachen Regionen Apotheken sind“, erklärte der Richter – das Ziel könne nach der Argumentation seiner Kollegen vom EuGH aber auch erreicht werden, indem der Versandhandel die flächendeckende Versorgung sicherstellt.

Der deutsche Gesetzgeber wolle jedoch bislang keine Rabatte, stellte der Richter fest. Die Regelung des UWG, dass geschäftliche Hand­lungen erst dann verboten sind, wenn sie die Interessen von Marktteilnehmern „spürbar“ beeinträchtigen, würde die arzneimittelrechtlichen Regelungen vielleicht konterkarieren, argumentierte er. Womöglich sei daher für die Abgabe geringwertiger Werbegaben „kein Raum mehr“.

Auf das Urteil muss man sich nun bis zum 6. Juni gedulden. |

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