Recht

Dauerbrenner Lieferengpässe

Kritische Konzentrationsprozesse und mögliche Lösungsansätze

BERLIN (ks) | Im vergangenen Jahr wurde das Vertrauen in die Arzneimittelsicherheit gleich mehrfach auf die Probe gestellt – Valsartan und Lunapharm sind nur zwei Stichworte. Hinzu kommen die beständigen Arzneimittellieferengpässe, die Apotheken und Krankenhäuser zu managen haben. Das wirft die Frage auf: Ist die Arzneimittelversorgung der Patienten noch sicher? Darüber diskutierten am 12. Juni Apotheker und Juristen bei einem wissenschaftlichen Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG).

Öffentliche Apotheken klagen derzeit über rund 170 nicht lieferbare Medikamente – diese Größenordnung bestätigte auch Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und Moderatorin des Symposiums. Das bindet Kräfte. Laut ABDA verbringt jeder Apotheker in Europa durchschnittlich 5,6 Stunden pro Woche damit, sich um Lieferengpässe zu kümmern. In den Kliniken sieht die Situation nicht besser aus. Und hier fehlen insbesondere kritische Arzneimittel, vor allem Injektions- und Infusionsarzneimittel, die bei sehr kranken Patienten eingesetzt werden, erklärte Prof. Dr. Frank Dörje, Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). Dabei sind die Ursachen für die Engpässe viel­fältig. Häufig stecken dahinter Produktionsprobleme bei den Herstellern, Rohstoffengpässe oder Mängel in der Guten Herstellungspraxis (GMP).

Auch die Politik ist sich der Probleme bewusst. In der Folge des ersten „Pharmadialogs“ wurde daher 2016 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der „Jour Fixe zu Liefer- und Versorgungsengpässen“ ein­gerichtet. Neben Vertretern der beiden Bundesoberbehörden, der Länder und des Bundesgesundheitsministeriums kommen hier Experten der Arzneimittelkommissionen und der Apotheker-, Pharma-, Großhandelsverbände zusammen, um die Versorgungslage zu beobachten und zu bewerten. Diese Treffen werden von den Beteiligten als konstruktiv empfunden – das bestätigte auch Dr. Michael Horn, BfArM-Abteilungsleiter und dort verantwortlich für den Bereich ­Lieferengpässe. Er zeigte auf, dass Konzentrationsprozesse bei Anbietern, Wirkstoffherstellern und möglicherweise bald auch bei Herstellern von Zwischenprodukten das Problem der Engpässe zunehmend verschärfen. Beispiel Valsartan: Als im Juli 2018 der große Rückruf wegen einer beim chinesischen Wirkstoffhersteller Zhejiang Huahai festgestellten NDMA-Verunreinigung erfolgte, war in der Zulassungsdokumentation von 128 der 195 in Deutschland erhältlichen Valsartan-Arzneimittel eben dieser Wirkstoffhersteller genannt. Ein weiteres Beispiel, das vor allem Kliniken traf: Piperacillin/Tazobactam. Ende 2016 explodierte die Produktionsstätte des chinesischen Herstellers, der über einen Weltmarktanteil von 50 Prozent verfügt. Auch in Deutschland ­waren 45 Prozent des Marktes ­betroffen. Beide Fälle sorgten für viel Aufwand und viel Unruhe in Deutschland.

Doch was tun? Die ADKA hat verschiedene Ideen: Dazu zählen die Einführung einer Lagerhaltungspflicht für Pharmaunternehmen, jedenfalls für Vertragskunden, und eine echte Meldepflicht für Engpässe an das BfArM – denn bislang haben sich die Zulassungsinhaber nur zu einer Selbstverpflichtung bekannt. Und laut Dörje haben es die Kliniken in der Praxis mit weit mehr Lieferengpässen zu tun, als in der BfArM-Liste zu finden sind. Pharmazeutische Unternehmer sollten aus ADKA-Sicht zudem gesetzlich verpflichtet werden, nicht nur bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung vollversorgender Arzneimittelgroßhandlungen zu gewährleisten, sondern auch die von Krankenhäusern.

Auch wenn er sich gesetzgeberisches Eingreifen wünscht – Dörje ist ebenso klar, dass die Kliniken selbst schauen müssen, wie sie Arzneimittel einkaufen. Immer nur den günstigsten Preis zu wollen, verbessert die Situation nicht. Eine Einsicht, die laut Horn auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat. Der Aufwand für das Engpass-Management kostet im Zweifel mehr, als vorausschauend einzukaufen. Derzeit wird nach einer Sondersitzung des Jour Fixe zur Krankenhausversorgung eine Empfehlung zur guten Einkaufs- und Vertragspraxis abgestimmt. Es geht dabei um robustere Lieferketten und vertragliche Lösungen, die Abhängigkeiten von nur einem Hersteller bzw. Produktionsstandort verhindern.

Horn kann sich überdies vorstellen, dass künftig auch Apotheker und Kliniken Engpässe melden – und zwar genau so strukturiert über Formblätter, wie es bislang nur die Zulassungsinhaber tun. Überlegen könne man zudem, ob nicht auch die Datenbank, die im Zusammenhang mit der EU-Fälschungsschutzrichtlinie aufgebaut wurde, genutzt werden könnte. Hier ist genau abgebildet, wie viele Packungen von welchem Arzneimittel im Markt sind. Und die Delegierte Verordnung sieht vor, dass den zuständigen Behörden – wie das BfArM oder das PEI – der Zugang zu den Datenspeichern auch zum Zweck der „Pharmakovigilanz oder Pharmakoepidemiologie“ gewährt werden soll. Möglicherweise, so Horn, lasse sich darunter auch der Versorgungsaspekt der Lieferengpässe subsumieren, sodass man ein Monitoring durchführen und Verknappungen frühzeitig erkennen könnte. Doch zunächst sei es erst einmal wichtig, dass Securpharm für seinen eigentlichen Zweck rund läuft. |

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