Recht

Das dritte Geschlecht nicht vergessen

Wie muss eine korrekte Stellenausschreibung heute aussehen?

Bislang genügte es, Stellenausschreibungen gleichermaßen an männliche und an weibliche Bewerber zu richten. Neuerdings muss auch ein drittes Geschlecht („divers“) angesprochen werden.

Dass ein Arbeitsplatz geschlechtsneutral ausgeschrieben werden muss, ist heute jedem Arbeitgeber bekannt. Geregelt ist dies im Allgemeinen Gleichbehandlungs­gesetz (AGG). Dessen § 7 verbietet Benachteiligungen von Beschäftigten – dazu gehören auch Stellen­bewerber – u. a. wegen des Geschlechts. § 11 AGG bestimmt ausdrücklich, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf. Dies gilt für jegliche Form der Ausschreibung von Stellen, sowohl für öffentliche Ausschreibungen (insbesondere Stellenanzeigen in Zeitungen, im Internet oder über die Agentur für Arbeit) als auch für Ausschreibungen innerhalb des Betriebs.

Verstößt ein Arbeitgeber schuldhaft gegen diese Vorgabe, macht er sich schadensersatzpflichtig (§ 15 Abs. 1 AGG); außerdem kann der Bewerber wegen des immateriellen Schadens, den er durch die Benachteiligung (z. B. die Nichteinstellung) erleidet, eine Entschädigung verlangen (§ 15 Abs. 2 AGG). Entscheidende praktische Bedeutung hat bei diesen Rechtsfolgen die Beweislastumkehr nach § 22 AGG. Denn wenn der Bewerber Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen – und dieses Indiz ist bei einer nicht geschlechts­neutralen Stellenanzeige ohne Weiteres gegeben –, muss der Arbeitgeber nach § 22 AGG seinerseits beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung vorgelegen hat. Dieser Beweis dürfte in der Praxis nur schwer zu führen sein. Apothekeninhaber sollten deshalb strikt auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots achten.

In diesem Sinne neutral war eine Ausschreibung stets, wenn sie sich von ihrer Ausdrucksweise her sowohl an Frauen als auch an Männer gerichtet hat, z. B.: „Wir suchen eine(n) Apotheker(in)“ oder „Wir suchen einen Apotheker (m/w)“. Dies reicht heute allerdings nicht mehr aus.

Denn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Oktober 2017 entschieden, dass das Grundgesetz auch die geschlechtliche Identität derjenigen schützt, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Gegenstand des Beschlusses vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16) war die Verfassungsbeschwerde einer intersexuellen Person, die die Verfassungswidrigkeit zweier Vorschriften des Personenstandsgesetzes (PStG) gerügt hatte. Wenn im Geburten­register die Pflicht zur Angabe des Geschlechts besteht, muss nach dem BVerfG neben den Möglichkeiten „männlich“, „weiblich“ sowie der Eintragung ohne eine solche Angabe auch ein „positiver Geschlechtseintrag“ für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung vorgesehen werden. Das Gericht legte ausführlich dar, dass Geschlecht im Sinne der Verfassung „auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich sein kann“.

Der Auflage des Verfassungs­gerichts an den Gesetzgeber, bis 31. Dezember 2018 eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen, kam dieser durch eine Änderung des Personenstands­gesetzes nach. Im geänderten § 22 Abs. 3 PStG wird zusätzlich zu den bestehenden drei Varianten („weiblich“, „männlich“, „ohne Angabe“) die Möglichkeit vorgesehen, das Geschlecht als „divers“ zu beurkunden, wenn eine Zuordnung zum weiblichen oder zum männlichen Geschlecht nicht möglich ist. Die Änderung ist am 22. Dezember 2018 in Kraft getreten.

Die verfassungsrechtliche Anerkennung eines dritten Geschlechts wirkt sich auch auf das Arbeitsrecht aus. Im AGG kann kein anderer Geschlechtsbegriff als im Grundgesetz gelten. Nach der Entscheidung des BVerfG begründet deshalb die bisher übliche Ausrichtung von Stellenanzeigen auf das männliche und weibliche Geschlecht die Vermutung einer Benachteiligung, weil sie die Existenz des dritten Geschlechts ignoriert. Zu Recht taucht daher in Stellenanzeigen immer häufiger der Zusatz „m/w/d“ anstelle des bisherigen „m/w“ auf, wobei „d“ für „divers“ steht. Zuweilen findet sich auch der Satz „Wir freuen uns über die Bewerbung von Menschen jeden Geschlechts“.

Apothekeninhaber sind gut beraten, diese Rechtslage in ihren Stellenangeboten zu berücksichtigen. Sie können sich dabei wie bisher bei der Positionsbezeichnung für ein Geschlecht entscheiden, wenn durch einen Klammerzusatz oder in anderer Weise klargestellt wird, dass alle Geschlechter angesprochen sind. Um bei dem o. g. Beispiel zu bleiben: Korrekt ist die Formulierung „Wir suchen einen Apotheker (m/w/d)“; genauso könnte man natürlich formulieren „Wir suchen eine Apothekerin (m/w/d)“. Wichtig ist nur, dass die Geschlechtsneutralität im Hinblick auf alle Geschlechter, auch das dritte Geschlecht, deutlich zum Ausdruck kommt.

Im weiteren Verlauf der Stellen­anzeige sollte dann die direkte Ansprache gewählt werden, z. B. „Sie sollten …“ oder, aus Sicht der Apotheke, „Wir erwarten …“ anstelle der Formulierung „Der Bewerber/die Bewerberin sollte ...“ |

Rechtsanwalt Dr. Stefan Weber, Geschäftsführer des Verbandes Bayerischer Apothekeninhaber e. V.

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