Gesundheitspolitik

Was ist das Rezept gegen Lieferengpässe?

DAV will mit anderen Marktbeteiligten Positionen erarbeiten

DÜSSELDORF (ks) | Zum Auftakt der Expopharm gehören traditionell die Grußworte der Marktpartner. In diesem Jahr standen in den Reden der Verbandsvertreter nicht zuletzt die Lieferengpässe im Fokus – ein Problem, das Hersteller, Großhandel und Apotheken gleichermaßen trifft.

Dr. Thomas Trümper, Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), übte allerdings zunächst scharfe Kritik am Umgang der Politik mit dem Thema Gleichpreisigkeit. Man habe „mehr und mehr den Eindruck, als würde unsere Arzneimittelversorgung auf dem Altar der Warenverkehrsfreiheit geopfert“. Trümper wünscht sich, dass die Bundesregierung sich mehr für den Erhalt der bewährten Arzneimittelversorgung engagieren würde. Aber: „Man zuckt immer gleich ­zurück, wenn die EU auch nur mal Luft holt.“ Der Phagro-Chef ist überzeugt: „Die Aufhebung der Gleichpreisigkeit beim Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus anderen EU-Ländern ist ein Kardinalfehler.“ Es sei zwar gut, dass die Bundesregierung die Apotheken schützen wolle – nicht gut sei jedoch, wie sie das mache. „Denn sie stößt im Hintergrund ­unachtsam das ganze System der Preisbildung um und riskiert damit zweifelsfrei eine dramatische Entwicklung in der Versorgung von Patientinnen und Patienten.“ Trümper betont, dass mit der Streichung des Gleichpreisigkeitsgebots im Arzneimittelrecht auch dessen Bindung für Großhandelslieferungen und den Direktvertrieb aus dem EU-Ausland entfalle. „Die Überführung der Gleichpreisigkeit ins Sozialgesetzbuch hilft hier gar nicht.“

Tobias Boldt, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), machte ebenfalls deutlich: Die Preisbindung für Rx-Arzneimittel muss für alle Handelsstufen gelten – beginnend vom pharmazeutischen Unternehmer über den Großhandel bis zur Apotheke. Zudem müssten zwingend sowohl für in- und ausländische Versandapotheken als auch für GKV und PKV-Versicherte gleiche Preise gelten. „Nur eine einheitliche Regelung für alle Apotheken und alle Versicherten ist der Garant für eine flächendeckende, gleichmäßige Arzneimittelversorgung auch in Zukunft.“

Die Vertreter der Herstellerverbände sprachen sodann insbesondere die Lieferengpässe an. Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker hatte zuvor in seinem Lagebericht einige mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Engpässe genannt – etwa ein Export-Verbot für versorgungsrelevante Arzneimittel und eine Meldepflicht erwarteter Engpässe für die Hersteller.

„Pharmazeutisches ­Improvisationstheater“

Wolfgang Späth, Vorstandsvor­sitzender des Branchenverbandes Pro Generika, zollte den Apothekern Respekt, wie sie die Lieferengpässe derzeit im Apotheken­alltag meistern und mit „pharmazeutischem Improvisationstheater“ sicherstellten, dass die Patienten versorgt sind. Eine gesetzliche Meldepflicht für die Hersteller ist für Späth aber keine Lösung. So würde zwar die Dokumentation besser und transparenter – doch damit gäbe es keine Packung mehr im Markt. Zu befürchten sei vielmehr, dass Hamsterkäufe die Situation noch verschärfen könnten. Auch andere Ideen, wie eine „nationale Reserve“ oder höhere Strafen bei Nichtlieferfähigkeit, sind für Späth nicht der richtige Ansatz. Für ihn liegt die Lösung längst auf dem Tisch: Die Politik muss den Weg ebnen für obligatorische Mehrfachausschreibungen von Rabattverträgen – auch das ist eine Forderung des DAV.

So sieht es auch Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Er glaubt ebenfalls nicht, dass Sanktionen und Exportverbote weiterhelfen können – die Probleme müssten „an der Wurzel“ gepackt werden. Die Preise in Deutschland hätten ein osteuropäisches Niveau erreicht, mit den Rabattverträgen sei die Schraube endgültig überdreht. Mit Mehrfachvergaben sei schon viel geschafft. Ein zusätzlicher Gewinn wäre es, wenn mindestens ein Zuschlag an einen Hersteller mit nachgewiesenem ­EU-Produktionsstandort dabei sein müsste. Aber Zentgraf ist noch skeptisch, ob die Politik so weit geht.

Ärgernis Importförderung

Der BPI-Vorsitzende sprach zudem das Thema Reimporte an. Man werde weiter dafür kämpfen, dass die Importförderklausel fällt. Denn Zentgraf ist überzeugt: „Reimporte sind kontraproduktiv im Kampf für mehr Fälschungssicherheit.“ Sehr kritisch sei es daher auch, dass seit Inkrafttreten des neuen Rahmenvertrags am 1. Juli mehr Importe denn je abgegeben werden. Hier müsse der DAV dringend mit dem GKV-Spitzenverband sprechen und Abhilfe schaffen. Darauf setzt auch Frank Schöning, stellvertretender Vorsitzender des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Er betonte, dass das Wachstum im Importmarkt politisch nicht gewollt sei. Das Regelwerk müsse daher auf seine Schwachstellen überprüft und entsprechend geändert werden. Becker erklärte in einer anschließenden Replik, dass sich die Fronten bei den Nachverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband leider verhärtet hätten – möglicherweise müsse hier nochmal die Politik tätig werden. Was die Lieferengpässe betrifft, regte er an, dass die Marktpartner hier eine gemeinsame Position entwickeln. Noch sei das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken offen, vielleicht lasse sich dort noch kurzfristig etwas unterbringen. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.