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Management

„Was tun, wenn es brennt?“

Selbstregulation als Möglichkeit im Konfliktmanagement

„Brennen lassen!“ lautet oftmals die Antwort. Ganz besonders, wenn es sich um Arbeitsbeziehungen handelt. Konflikte werden als persönliche Probleme Einzelner betrachtet, mit der Begründung: „Es kann sich ja nicht jeder verstehen!“ Erst, wenn Teams oder das ganze Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden, landen Konflikte auf Platz 1 der Prioritätenliste, um mit viel Aufwand behoben zu werden – oder eben auch nicht, und alles bleibt beim Alten. Stellt sich die Frage, wo ein Konflikt beginnt und ob sich direkt am Anfang eine günstige Lösungsmöglichkeit bietet.

Konflikte beginnen nicht erst, wenn zwei Personen sich anfeinden oder – als Vermeidungsver­halten – anschweigen. Für einen Konflikt reicht eine Person aus. Es reicht, wenn sich eine Person ungerecht behandelt, zurückgesetzt oder verletzt fühlt, was zum Teil direkte Konsequenzen für das Unternehmen hat. Durch Demotivation, Minderleistung, Behinderung der Teamarbeit bis hin zur Sabotage kann bereits die Enttäuschung eines Mitarbeiters Kosten verursachen. Tückisch ist, dass nicht zwingend die Führungskraft der Verursacher sein muss, es kann genauso eine Interaktion unter Kollegen sein.

Häufig wird versucht, die am Konflikt beteiligten Parteien an einen Tisch zu bringen, um „die Sache zu klären“. Der Fokus wird auf Kommunikation und Gesprächsführung gelegt. Das ist in vielen Fällen hilfreich, aber nicht zwingend immer. Missglückt der Versuch, dann entsteht der Eindruck, dass „selbst Reden nichts bringt“. Vielleicht war es aber auch nur die richtige Intervention zur falschen Zeit. Die Parteien signalisieren das oft dadurch, dass sie gar nicht miteinander reden wollen. Aus guten Gründen, z. B. weil:

  • das Klärungsgespräch von beiden Seiten als unangenehm erwartet wird.
  • sich eine Partei unterlegen fühlt.
  • die Beziehung so angespannt ist, dass kein sachbezogenes Gespräch möglich ist.
  • eine Partei abstreitet, dass es einen Konflikt gibt.

Vier Lösungsfeld-Modell

Alternative Ansätze für Lösungen und Interventionen ergeben sich, wenn der Konflikt vom Ursprung (inneres Erleben) bis hin zur Darstellung nach außen betrachtet wird. Jeder Schritt enthält eine Klärung getrennt von den anderen. Das Modell der vier Lösungsfelder nach Dr. Claudia Eilles-Matthiessen stellt die unterschiedlichen Bereiche dar (siehe Abbildung).

Abb.: Die vier Lösungsfelder nach Eilles-Matthiessen.

1. Selbstregulation bedeutet, eigene Bedürfnisse zu erkennen, sich seiner Ressourcen bewusst zu werden, um mit etwas Abstand eine eigene Lösungsidee entwickeln zu können.

2. In der Beziehungsregulation steht das Zusammenspiel der Konfliktpartner im Vordergrund. Gegenseitiges Verständnis für die Position des anderen soll entwickelt werden. Trotz der Differenzen geht es um die Hervorhebung des gegenseitigen Respekts und dem gemeinsamen Interesse an der Lösung.

3. Die vorangegangenen Felder unterstützen die Sachklärung, bei der es um alle sachlichen Inhalte des Konfliktes geht, wie Prozessabläufe, Material, Zeit, Personaldecke etc.

4. Lernen und Prävention sollte als letztes Feld nicht vergessen werden. Hier werden die Informationen, die der Konflikt enthält, ausgelotet und für die weitere Entwicklung des Einzelnen, des Teams oder des Unternehmens nutzbar gemacht.

Die Selbstregulation nutzen

Vorrangig können wir als Führungskraft die Selbstregulation nutzen. Denn ein Konflikt ist nicht starr. Seine Intensität wird maßgeblich von demjenigen erzeugt, der ihn empfindet. Es kann dementsprechend Einfluss auf das Er­leben und damit auf den Konflikt genommen werden. Selbstregula­tion bedeutet, dass die Aufmerksamkeit weg vom „Gegner“ und hin zum Mitarbeiter selbst und seinen Gefühlen, Erwartungen, Bedürfnissen und Zielen geführt wird.

Wenn ein Kind von einem anderen geärgert wird, bekommt es von Erwachsenen gerne den Tipp: „Ach, hör da einfach nicht hin.“ Dieses Verhalten könnten wir als „konfliktscheu“ betiteln, aber dieser Satz hat positive Aspekte, sofern er Anwendung findet. Die Blickrichtung ändert sich. Das Auge haftet nicht mehr fest am Übel­täter und versperrt das Sichtfeld, sondern der Blick richtet sich auf die eigene Wahrnehmung. „Was möchte ich stattdessen viel lieber wahrnehmen? Gebe ich dem anderen das Recht, über meine Gefühle zu bestimmen, oder nehme ich ihm das Recht und strafe ihn mit Missachtung?“ Und die Erkenntnis: Eigentlich geht es hier nur um mich, um meine Bedürfnisse und Prioritäten.

Und genau diese Umfokussierung brauchen wir auch in dem Gespräch mit dem Mitarbeiter. Wir sollten uns nicht nur erzählen lassen, wie viel und aus welchem Grund der andere Ärger erzeugt, sondern auch nachfragen, was beim Mitarbeiter innerlich passiert. Bleibt er im Konflikterleben, in der Ohnmacht oder Wut, dann ist er abgeschnitten von seiner Lösungskompetenz. (Er ist eng­stirnig.) Verändert werden kann nur dann etwas, wenn der Mitarbeiter sich wieder seinen eigenen Möglichkeiten bewusst wird, eine konstruktive Haltung einnimmt und daraufhin Handlungsalternativen entwickelt.

Ein Fallbeispiel

Ein Mitarbeiter steht wütend im Büro der Leitung, um sich über einen Kollegen zu beschweren. In diesem Moment hat die Führungskraft bereits die Möglichkeit, mit Fingerspitzengefühl und gezielten Fragen die Selbstregulierung des Gegenübers zu fördern. Diese steht vor der Beziehungsregulation (Gespräch), Sachklärung und dem Lernprozess an erster Stelle.

Im Verlauf eines üblichen Beschwerdegespräches dient die Sachebene als Gesprächseinstieg. Es geht darum, wer was gemacht hat und eventuell auch noch, wer wem auf die Füße getreten ist und wie. Vor allem bei bereits verhärteten Standpunkten verschwimmen die vier Felder und es geht nicht mehr um die Entwicklung einer guten Lösung, sondern ums recht haben und um gekränkten Stolz. Nach der Aufnahme der Beschwerde kann die Führungskraft eine Differenzierung und Aufteilung in die unterschied­lichen Felder nutzen, um mehr Klarheit für den Mitarbeiter zu erzeugen. Der Bereich der Selbstregulierung wird vom Betroffenen oft gar nicht thematisiert, des­wegen sollte dieser im Gespräch ergänzt werden.

Im Feld Selbstregulierung werden die subjektive Belastung durch den Konflikt, die eigenen Antreiber, Ziele, Selbstwahrnehmung und Erwartungen hinterfragt. Bei längeren Konflikten lohnt es sich, auch nach der körperlichen und seelischen Verfassung zu fragen.

Ein kleiner Gesprächsleitfaden

Die Haltung: Machen Sie sich bei einem Beschwerdegespräch bewusst, dass ein Mitarbeiter sich ganz vertrauensvoll mit einem Problem an Sie wendet. Wider­stehen Sie dem Impuls, direkt den anderen Kollegen dazu zu bitten, „damit alles geklärt werden kann“. Zum einen wissen Sie gar nicht, ob der andere auch ein Problem hat, zum anderen erschwert das den Zugang zum Erleben des Betroffenen als handlungsfähige, kompetente Person. Ergreifen Sie nicht Partei, sondern bleiben Sie möglichst neutral.

Selbstregulation: Nicht jeder reagiert auf ein Ereignis gleich, was mit den inneren Werten, Prioritäten und der Haltung zusammenhängt. Bei starken Emotionen kommt meist mehreres zusammen, was es zu differenzieren gilt. Eine Auswahl hilfreicher Fragen:

  • Scheinbar ist Ihnen Herr/Frau (Name) ganz schön auf die Füße getreten. Welche ihrer Erwartungen hat er/sie nicht erfüllt?
  • Die genannten Aspekte sind Ihnen sehr wichtig. Gibt es sonst noch Wünsche und Bedürfnisse ihrerseits, die missachtet wurden?
  • Wie fühlen Sie sich?
  • Macht Ihnen noch etwas anderes Sorge?
  • Kennen Sie solche Konflikte schon aus einem anderen Zusammenhang? Welche Lösung hat damals funktioniert?

Durch die Selbstreflexion kommt zum Vorschein, was die Emotionen hochkochen lässt. Der Mitarbeiter versteht, dass seine eigene Erlebniswelt einen Einfluss auf die Intensität des Konfliktes hat und er dadurch selbst wieder das Steuer in die Hand nehmen kann.

Beziehungsregulation: Wenn der Ärger mit Handlungen einer anderen Person verbunden ist, lässt sich darüber direkt ein Einstieg für einen Perspektivwechsel finden, mit der Frage: „Könnten Sie sich vorstellen, welche Gründe Herr/Frau (Name) für dieses Vorgehen gehabt hat?“ und „Welche Vorteile hat dieses Handeln? In welchen Situationen ist es nützlich?“ Dadurch wird die verfestigte Position (z. B. der andere wird als inkompetent erlebt) aufgeweicht. Auch dieser Einstieg wäre möglich: „Was würde denn Herr/Frau (Name) zu dem Vorkommnis sagen, wenn sie hier säße?“ Der Mitarbeiter wird gebeten, sich in den Konfliktpartner hineinzuversetzen.

Sachklärung: Die Sachklärung muss nicht zwingend im Beisein aller Beteiligten geschehen. Es kann ausreichen, wenn der Betroffene eine Strategie für sich ent­wickelt, wie er mit dem Konflikt umgehen möchte. Unterstützen können Sie das durch die Fragen:

  • Was könnten Sie selbst tun, um die Situation positiv zu beeinflussen?
  • Welche Möglichkeiten sehen Sie, um den Konflikt zu lösen?

Lernen und Prävention: Im Gespräch werden u. U. einige Ideen zu Selbstregulation, Umgang mit Kollegen oder anderen Themen entwickelt. Damit der Lernprozess beim nächsten Konflikt nicht von Neuem durchlaufen werden muss, macht es Sinn, die wichtigsten Erkenntnisse kurz zu „konservieren“. Eine Rück­frage, welche Strategien sich auch in anderen Situationen nutzen lassen, wäre eine Möglichkeit. Aber auch die Nachfrage: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“, mit der Bitte, kurz zu erläutern, was dazu beigetragen hat.

Achtung: Wichtig ist dabei, klar herauszuarbeiten, dass es darum geht, den Umgang des Betroffenen mit dem Konflikt zu vereinfachen. Bei der Betrachtung des „eigenen Anteils am Konflikt“ geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern um die Erarbeitung von Gestaltungsmöglichkeiten und die Etablierung eines Ressourcenzustandes, der eine kreative Lösung erst möglich macht. Erst dann folgen Aussprache und Lösungssuche mit dem Konfliktpartner, sofern das dann überhaupt noch nötig ist.

Kleiner Tipp: Wenn Sie als Führungskraft mal so richtig „auf der Palme sind“, bieten diese Fragen auch für Sie die Möglichkeit, sich selbst zu regulieren und in Gespräche mit mehr Ruhe und Gelassenheit einzusteigen.

Literaturtipp

Claudia Eilles-Matthiessen

Es muss nicht immer reden sein.

So lösen Sie Konflikte am Arbeitsplatz. 
Mit Konfliktnavigator.

Campus Verlag, 1. Aufl. 2018

ISBN 978-3-593-359350922-8

 

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Lernen aus Konflikten

So unangenehm Konflikte auch sind, sie stellen immer eine Möglichkeit zum Lernen insbesondere zur Persönlichkeitsentwicklung dar – nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für Außenstehende. Wenn Konflikte im Unternehmen auch als Lernfeld begriffen werden, kann das einen positiven Einfluss auf die Konflikt-, Gesprächs- und Fehlerkultur haben. Konflikte werden nicht mehr gescheut oder umgangen, sondern angegangen, und damit entsteht Entwicklung. Die besten Erfindungen gäbe es doch gar nicht, wenn nicht vorher ein Problem oder ein Konflikt dagewesen wäre. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, 
Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin 
www.anjakeck.de

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