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Gesundheitspolitik
Zyto-Herstellbetrieb unter Korruptionsverdacht
Vorwurf der Bestechung von Onkologen / Offenbar kein Schaden für Patienten
TRAUNSTEIN (cha) | Im Geschäft mit Zytostatikazubereitungen geht es um viel Geld. Zum einen können Apotheken und Herstellerbetriebe viel Geld verdienen, zum anderen müssen sie aber auch viel Geld investieren. Wenig erstaunlich, dass hier immer wieder mit krimineller Energie versucht wird, noch mehr aus dem System herauszupressen, als mit ehrlicher Arbeit möglich wäre. Der jüngste Fall, der seit Tagen durch die Medien geistert, spielt in Hamburg. Hier sollen mittels Bestechung Zytostatikarezepte zu einem Herstellerbetrieb geleitet worden sein. Im Gegensatz zum Bottroper Fall, wo Patienten durch Unterdosierung wohl massive gesundheitliche Nachteile erlitten haben, geht die Staatsanwaltschaft jedoch nicht davon aus, dass Menschen zu Schaden gekommen sind. Den Gesamtschaden beziffert sie auf mindestens 8,6 Mio. Euro. Allerdings dürften hier – anders als in den Medien berichtet – weniger die Krankenkassen geschädigt worden sein, sondern vielmehr diejenigen Apotheken, denen die Rezepte „weggenommen“ wurden.
Am vergangenen Dienstag erfolgte laut Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, „eine der größten Durchsuchungsmaßnahmen, die die Korruptionsabteilung der Staatsanwaltschaft Hamburg jemals durchgeführt hat“. 58 Objekte wurden durchsucht, die in annähernd 1000 Kartons sichergestellten Unterlagen und rund 100 Datenträger werden nun ausgewertet.
Im Zentrum der Vorwürfe steht das 2002 gegründete Hamburger Unternehmen ZytoService, ein Platzhirsch unter den Herstellerbetrieben von Zytostatikazubereitungen. Nach Recherchen des ARD-Magazins Panorama und von Zeit Online sollen einzelne Ärzte seit Januar 2017 neben „Kickback“-Zahlungen in Höhe von mehr als 500.000 Euro auch „rückzahlungsfreie Darlehen, Nutzung luxuriöser Fahrzeuge oder anderweitige geldwerte Zuwendungen“ wie Praxiseinrichtungen erhalten haben. Im Gegenzug bekam ZytoService über eine konzernnahe Apotheke von den Ärzten die lukrativen Rezepte für die Zytostatikazubereitungen. Eine Anfrage der AZ hat ZytoService bislang nicht beantwortet.
Im großen Stil konnte ZytoService dieses Geschäft betreiben, indem die Firma in ganz Deutschland Onkologen ihre Praxen abkaufte und daraus Medizinische Versorgungszentren (MVZs) machte. Da Apotheker oder pharmazeutische Herstellbetriebe eigentlich keine MVZs betreiben dürfen, nutzte ZytoService ein Schlupfloch im Gesetz. Denn Krankenhäuser dürfen MVZs betreiben, und so erwarb ZytoService die finanziell klamme SKH Stadtteilklinik im Osten von Hamburg. Dort begann, was Zeit Online als „Revolution des Onkologiemarkts“ bezeichnet: Die kleine Hamburger Klinik gründete in ganz Deutschland insgesamt 15 MVZs. Dazu übertrugen Onkologen ihre Praxen an eine MVZ GmbH, die zum Konzerngeflecht um ZytoService gehört, und arbeiteten als Angestellte weiter. Bedingung für die Übernahme soll gewesen sein, dass die Ärzte ihre Medikamentenbestellungen an den Konzern geben. Im Gegenzug sollen sie neben einem guten Kaufpreis noch weitere Vergünstigungen – siehe oben – erhalten haben. Abgewickelt wurden die Rezepte laut Zeit Online über die Hamburger Antares-Apotheke, die sie an ZytoService weiterleitete.
Doch wie groß ist der entstandene Schaden tatsächlich? Laut Medienberichten soll der Techniker Krankenkasse seit Januar 2017 ein Schaden von 8,6 Mio. Euro entstanden sein. Aber diese Zahl stammt nicht von der TK, wie eine Sprecherin der AZ versichert.
Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft nennt eine Schadenshöhe von mindestens 8,6 Mio. Euro, wobei Pressesprecherin Liddy Oechtering gegenüber der AZ betont, dass die Ermittlung der Schadenshöhe andauere und es sich bei der genannten Summe um eine grobe Schätzung handle. Entstanden sei dieser Schaden durch Abrechnungsbetrug. Denn Rezepte, die durch „kollusives Zusammenwirken“ zustande gekommen sind, seien „bemakelt“ und daher nicht abrechenbar. Das heißt, wenn bei einem Rezept, auch wenn es korrekt beliefert und korrekt abgerechnet wurde, im Hintergrund eine Bestechung ablief, so fällt es unter die Schadenssumme.
Keine Rezepte – Apothekerin muss Zytolabor schließen
Derzeit ist also davon auszugehen, dass den Kassen tatsächlich kein finanzieller Schaden entstanden ist. Massiv geschädigt wurden allerdings diejenigen Apotheker, denen durch die Bestechung der Onkologen Rezepte für Zytostatikazubereitungen entgangen sind. Zeit Online berichtet von einer Apothekerin, die ihr für mehrere Hunderttausend Euro eingerichtetes Zytolabor schließen musste, nachdem die Onkologen, deren Rezepte sie seit mehr als 20 Jahren beliefert hatte, ihre Praxis an ein MVZ veräußert hatten. Die Zytostatikazubereitungen seien dann, wie ihr von Kunden berichtet wurde, von der Antares-Apotheke in Hamburg gekommen.
Aber auch auf andere Art werden die Zytostatika-herstellenden Apotheken geschädigt. So soll Enno Scheel, Geschäftsführer der ZytoService-Muttergesellschaft Alanta group, bei der Politik für strengere Regeln bezüglich der Ausstattung der Zytostatikalabore geworben haben. Und das offenbar mit Erfolg: Sowohl Zytostatika-herstellende öffentliche Apotheken als auch Krankenhausapotheken leiden unter den immer größer werdenden Auflagen der zuständigen Behörden, die immer größere Investitionen notwendig machen. Die Konsequenz: Ab einem gewissen Punkt rechnet sich das eigene Zytostatikalabor nicht mehr und die Rezepte wandern an die Herstellerbetriebe, die sich diese Investitionen leisten können.
Beruhigend ist zumindest eines: Anders als im Bottroper Zytoskandal, bei dem viele Menschen durch unterdosierte Krebsmedikamente massive Gesundheitsschäden erlitten haben dürften, geht es im Hamburger Fall offenbar „nur“ um Bestechung, Bestechlichkeit und unerlaubten Betrieb von MVZs. „Hinweise auf Gesundheitsschäden durch die verfahrensgegenständlichen Arzneimittel haben wir nicht“, teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft auf Nachfrage der AZ mit. |
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