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Argumente für die 130-Euro-Forderung

Sterilrezepturen: Ergebnisse des Refa-Gutachtens im Auftrag des VZA

Von Thomas Müller-Bohn | Die Preis­bildung für Sterilrezepturen wurde bereits mehrfach umgestaltet und wird kontrovers diskutiert. Daraufhin hat der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) ein Gutachten zur Ermittlung der Herstellungskosten von der Refa Consulting AG erstellen lassen. Aus Daten von 2016 er­geben sich dabei Selbstkosten der Produktion von 106,30 Euro pro Zubereitung. Der VZA fordert daraufhin einschließlich eines Gewinn­zuschlages 130 Euro für die Herstellung sowie 3 Prozent auf den Einkaufspreis für die kaufmännischen Leistungen und Risiken.
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Gemäß § 1 Abs. 3 Ziffer 8 Arzneimittelpreisverordnung sind Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen von der Preisbindung ausgenommen. In der Hilfstaxe bestehen für sie gesonderte Regelungen, die von der Preisbildung für klassische Rezepturarzneimittel abweichen. Nachdem zuvor lange über eine Schiedsstellen­lösung gestritten worden war, hat das Bundesgesundheitsministerium im November 2018 im Referentenentwurf für das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) 110 Euro pro Zytostatika-Zubereitung als feste Herstellungspauschale vorgesehen. Dabei sollen die Einkaufspreise als durchlaufender Posten an die Krankenkassen durchgereicht werden. Letzteres wird von Apothekern und Krankenkassen gleichermaßen als unpraktikabel eingestuft, soweit keine bundeseinheitlichen Abrechnungspreise für die Wirkstoffe vorliegen. Durch diese jüngste Entwicklung gewinnt die schon vorher durchführte Refa-Studie zusätzliche Bedeutung. Das Refa-Gutachten liegt der DAZ mittlerweile vor. Es zielt darauf, die Kosten für die Herstellung parenteraler Zubereitungen einschließlich der Kosten für die notwendigen Räume und Betriebsmittel zu ermitteln.

Bottom-up-Ansatz verworfen

Zunächst sollte dazu ein Bottom-up-Ansatz mit Zeitstudien in 10 Apotheken dienen. Bei den Beobachtungen vor Ort erwiesen sich die Abläufe in der Arbeitsvorbereitung, Herstellung und Abrechnung jedoch als komplex und heterogen. Arbeitsweise, Herstellungsmethoden, IT-Systeme und räumliche Bedingungen unterscheiden sich demnach zwischen den Apotheken. Außerdem wurde die Herstellung teilweise ad hoc ausgelöst, während in anderen Fällen eine effiziente Produktionsreihenfolge im Voraus geplant wurde. Die messbaren Einzelschritte bilden ohnehin nur einen Teil des Aufwandes ab, aus dem der Gesamtaufwand der Produktion nach Einschätzung der Gutachter nicht hätte abgeschätzt werden können. Außerdem hätte weiterer Aufwand für die Beratung von Ärzten und Patienten sowie für die Verwaltung berücksichtigt werden müssen.

Kostenverrechnung im Top-down-Ansatz

Darum wurde diese Idee verworfen und stattdessen ein Top-down-Ansatz verfolgt. Dabei wurden die Gesamtkosten von 15 Apotheken mit einem Betriebsabrechnungsbogen aufgeschlüsselt und die Kosten der Zytostatikaherstellung von den übrigen Kosten der Apotheken abgetrennt. Dividiert durch die Zahl der hergestellten Zubereitungen ergibt dies die Kosten pro Zubereitung. Die betrachteten Apotheken verteilen sich auf 12 Bundesländer. Dabei wurden unterschiedliche Größen des Herstellungsbetriebes und sowohl städtische als auch ländliche Apotheken erfasst. Um die Zuordnung zu ermög­lichen, wurde für einige Apotheken nachträglich eine Kostenstellenstruktur geschaffen. Bei den Kosten wurde ein kalkulatorischer Unternehmerlohn berücksichtigt. Dazu wurden 136.000 Euro pro Jahr, der Durchschnittswert für GmbH-Geschäftsführer im Einzelhandel, anhand der Arbeitszeit des Apothekeninhabers verteilt.

Ermittlung der Herstellungs­kosten

Die so ermittelten Kosten liegen für die verschiedenen Apotheken zwischen 50,56 Euro und 118,61 Euro pro hergestellter Zubereitung. Dabei schwanken die Personalkosten zwischen 20,51 und 67,17 Euro und die Abschreibungen zwischen 0,56 und 12,94 Euro. Angesichts dieser Streuungen hat die Refa umfangreiche statistische Tests zur Aussagekraft der Daten durchgeführt. Demnach kann für die Stichprobe eine Normalverteilung der Kosten pro Herstellung angenommen werden und auch die Extremwerte stellen keine Ausreißer dar, die aus der Betrachtung auszuschließen wären. Der Stichprobenmittelwert der Kosten pro Herstellung beträgt 87,50 Euro bei einer Standardabweichung von 18,80 Euro. Gemäß der statistischen Auswertung weicht der wahre Mittelwert mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit um weniger als 11,91 Prozent vom Stichprobenmittelwert ab, sodass der Stichprobenumfang als ausreichend betrachtet wird.

Dann folgt der ökonomisch entscheidende Schritt des Gutachtens: Als Arbeits- und Infrastrukturkosten pro Zubereitung (Selbstkosten) hat die Refa 106,30 Euro ermittelt. Sie hat ­dafür den Mittelwert plus die Standardabweichung angesetzt, weil es für die flächendeckende Versorgung nicht ausreicht, wenn nur die kostengünstigsten Apotheken oder auch nur die durchschnittlichen Apotheken kostendeckend arbeiten können.

Unterschiede zum 2HM-Gutachten

Das Refa-Gutachten bietet weitere Erkenntnisse zur Kostenrechnung für die Sterilherstellung in Apotheken, auf die der VZA nicht eingeht. Es erscheint bemerkenswert, dass ausgewiesene Refa-Fachleute für Arbeitszeitstudien eine zunächst geplante Bottom-up-Analyse aus Arbeitszeitdaten nach genauerer Betrachtung als unpraktikabel verworfen haben. Denn gerade diesen Weg hatten die Gutachter des 2HM-Gutachtens zur Apothekenhonorierung angewendet. Dabei hat 2HM jedoch nicht einmal prospektiv einzelne Zeiten ermittelt, sondern nur retrospektiv Schätzungen von Durchschnittswerten abgefragt. Dies ist ein weiteres Argument gegen die Methodik des 2HM-Gutachtens und dies erklärt die nicht überzeugenden Ergebnisse des 2HM-Gutachtens. Stadler hatte schon bald nach Erscheinen des 2HM-Gutachtens bemängelt, dass bei den ermittelten Gesamtherstellungszeiten die Standardabweichungen vielfach größer als die Mittelwerte sind („Nasenspray finanziert Reinraumlabor?“, DAZ 2018, Nr. 8, S. 22 ff.). Zudem wurden statistische Betrachtungen zur Aussagekraft wie in der Refa-Studie im 2HM-Gutachten nicht durchgeführt.

Zuschläge für Kostensteigerung und Gewinn

Der VZA führt diese Gedanken noch weiter. Denn das Refa-Gutachten stützt sich auf Daten von 2016. Seitdem hätten höhere Personalkosten und zusätzliche Auflagen, insbeson­dere zum kontinuierlichen Partikel­monitoring, die Kosten erhöht. Darum hätten auch die Refa-Gutachter einen zusätzlichen Aufschlag angeregt. Der VZA setzt dafür eine Erhöhung um 5 Prozent an, also 5,32 Euro. Außerdem argumentiert der VZA, dass im Refa-Gutachten zwar der kalkulatorische Unternehmerlohn als Arbeitsentgelt, aber kein Gewinn berücksichtigt wird. Doch ein auf Dauer angelegtes Unternehmen muss einen Gewinn erwirtschaften, der Investitionen ermöglicht und einen ökonomischen Anreiz schafft. Aus den Kostendaten der ABDA für durchschnittliche Apotheken hat der VZA ermittelt, dass das Betriebsergebnis ohne kalkulatorischen Unternehmerlohn 15,52 Prozent der Gesamtkosten ausmacht. Daraufhin schlägt der VZA 17,32 Euro als Gewinnzuschlag auf die Selbstkosten und ermittelt so einen „Arbeitspreis“ von 128,94 Euro pro Zubereitung. Daraus ergibt sich die politische Forderung nach 130 Euro als gerundeter Betrag. Der VZA fordert diese Pauschale in gleicher Höhe für alle Sterilrezepturen, weil sich der Aufwand für Zyto­statika, monoklonale Antikörper und Folinate nicht unterscheide.

Außerdem fordert der VZA einen Aufschlag von 3 Prozent auf den Arzneimittelpreis als „Handlings-Fee“, um die Risiken für Bruch, Verfall und Retaxation abzudecken und das Waren­lager zu finanzieren. Dabei beruft sich der VZA insbesondere auf die dies­bezügliche Argumentation von Stadler („Was die Herstellung kostet“, DAZ 2018, Nr. 35, S. 50 ff.).

Marktdaten für onkologische Zubereitungen

Über die politischen Forderungen hinaus enthält die ergänzende Betrachtung des VZA einige ökonomische Daten zu Onkologika. Demnach verteilten sich die Zubereitungen im Jahr 2016 zu 69 Prozent auf Generika, zu 18 Prozent auf monoklonale Antikörper und zu 13 Prozent auf Origi­nale. Gemessen am Preis entfielen hingegen 14 Prozent auf Generika, 65 Prozent auf monoklonale Antikörper und 21 Prozent auf Originale. Dagegen betrug der Wertanteil der Generika im Jahr 2010 noch 32 Prozent. Angesichts der Preissenkungen bei Generika mahnt der VZA sicherzustellen, dass diese Arzneimittel in optimaler Qualität und notwendiger Menge zur Verfügen stehen. Die mit Preisdumping und Importquoten verbundene Globalisierung gefährde dies zunehmend, heißt es vom VZA. Da die Arzneimittelmarge weitgehend verfalle, werde die Ver­gütung für die Herstellungsleistung umso wichtiger. Damit bekräftigt der VZA seine Forderung nach der Pauschale von 130 Euro. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn Apotheker und Dipl.-Kaufmann, auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung

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