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Recht
Freiwilliger Notdienst – geht das?
Apothekenrecht trifft auf Ladenschlussrecht
Grundsätzlich verpflichtet § 23 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) Apotheken zur ständigen Dienstbereitschaft. Um jedoch eine unzumutbare Belastung zu verhindern, erhält die zuständige Behörde die Möglichkeit, einen Teil der öffentlichen Apotheken ganz oder teilweise zu gewissen Zeiten von der Pflicht zur Dienstbereitschaft freizustellen. Nicht in allen, aber in den meisten Bundesländern liegt die Zuständigkeit nach den jeweiligen Heilberufe-Kammergesetzen bei den Landesapothekerkammern.
Für Krankenhausapotheken existiert in § 23 Abs. 6 ApBetrO eine Sonderregelung. Sie müssen mit dem Träger des Krankenhauses eine Dienstbereitschaftsregelung treffen, die die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung des Krankenhauses und die Beratung durch einen Apotheker rund um die Uhr gewährleistet. Die Bezeichnung Apotheke bezieht sich im Folgenden aber ausschließlich auf öffentliche Apotheken.
Arzneimittelversorgung sichergestellt
In der Regel bestimmen die Landesapothekerkammern in Allgemeinverfügungen zur Dienstbereitschaft für alle Apotheken des jeweiligen Kammerbezirks, zu welchen Zeiten die Apotheken von der Dienstbereitschaft befreit sind. Während der befreiten Zeiten müssen Apotheken nicht geöffnet sein. Durch die allgemeinverbindliche Regelung in einer Allgemeinverfügung müssen Apotheken, die während der grundsätzlich befreiten Zeiten ihre Apotheke schließen möchten, nicht extra eine individuelle Befreiung bei ihrer Kammer beantragen.
Auszug aus § 23 ApBetrO
(1) Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Die zuständige Behörde befreit einen Teil der Apotheken ganz oder teilweise zu folgenden Zeiten von der Pflicht zur Dienstbereitschaft:
1. montags bis sonnabends von 0:00 Uhr bis 8:00 Uhr,
2. montags bis freitags von 18:30 Uhr bis 24:00 Uhr,
3. sonnabends von 14:00 Uhr bis 24:00 Uhr,
4. am 24. und 31. Dezember von 14:00 Uhr bis 24:00 Uhr,
5. sonntags und an gesetzlichen Feiertagen.
Zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in den befreiten Zeiten organisieren die Landesapothekerkammern in den Kammerbezirken einen Notdienst. Einzelne Apotheken werden dabei im Wechsel zur Dienstbereitschaft verpflichtet. Bei der Einteilung der Apotheken orientieren sich die Kammern am Bedarf in den jeweiligen Regionen. Die konkrete Umsetzung fällt in den 17 Kammerbezirken unterschiedlich aus – z. B. im Hinblick auf die Anzahl der Notdienstbezirke oder hinsichtlich des zeitlichen Turnus, in dem zum Notdienst eingeteilt wird. Im Ergebnis soll das Zusammenspiel dieser drei Regelungen – die grundsätzliche Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft, die Befreiung der Apotheken von dieser Pflicht für bestimmte Zeiten sowie die Einteilung einzelner Apotheken zum Notdienst – deutschlandweit die permanente Versorgung mit Arzneimitteln gewährleisten.
Was ist mit den Ladenschlusszeiten?
Neben den apothekenspezifischen Regelungen der ApBetrO gelten für Apotheken auch die Ladenöffnungs- bzw. Ladenschlussgesetze der Bundesländer. Sie geben den allgemeinen Rahmen vor, in dem die Öffnung von Verkaufsstellen – zu denen in diesem Zusammenhang auch öffentliche Apotheken zählen – grundsätzlich erlaubt bzw. verboten ist. Allen ladenöffnungsrechtlichen Landesgesetzen ist dabei gleich, dass Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich geschlossen bleiben müssen; für verkaufsoffene Sonntage gibt es Ausnahmen. Fällt der 24. Dezember auf einen Werktag, sind Verkaufsstellen nach den meisten Landesgesetzen ab 14.00 Uhr geschlossen zu halten.
Unterschiedlich geregelt sind die Ladenöffnungszeiten an Werktagen. In neun Bundesländern gibt es werktags keine Ladenschlusszeiten (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein). Verkaufsstellen dürfen dort von Montag 0.00 Uhr bis Samstag 24.00 Uhr geöffnet sein. In drei Bundesländern wird die Ladenöffnungszeit an Samstagen beschränkt, sodass Verkaufsstellen dann um 20.00 Uhr (Sachsen-Anhalt, Thüringen) bzw. 22.00 Uhr (Mecklenburg-Vorpommern) schließen müssen. In vier Bundesländern sind Ladenschlusszeiten an allen Werktagen vorgeschrieben, dort haben Verkaufsstellen montags bis samstags um 20.00 Uhr (Bayern, Saarland) bzw. 22.00 Uhr (Rheinland-Pfalz, Sachsen) zu schließen.
Ausnahmen für Apotheken
Für Apotheken sieht jedes ladenöffnungsrechtliche Landesgesetz spezielle Regelungen vor. Sie dürfen abweichend von den allgemeinen zeitlichen Beschränkungen für Verkaufsstellen auch während der regulären Ladenschlusszeiten geöffnet sein. Diese Ausnahmeerlaubnis existiert uneingeschränkt nur in wenigen Bundesländern (Berlin, Hamburg, Niedersachsen).
In einigen Bundesländern (Bremen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) dürfen Apotheken während der regulären Ladenschlusszeiten öffnen, wenn von der jeweils zuständigen Verwaltungsbehörde eine Dienstbereitschaft eingerichtet ist – die Erlaubnis zu öffnen gilt danach nur für die zum Notdienst eingeteilten Apotheken.
In den meisten ladenöffnungsrechtlichen Landesgesetzen existieren Regelungen, denen zufolge die zuständige Verwaltungsbehörde für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken anordnen kann (Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz) bzw. anzuordnen hat (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein), dass außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss. Die Behörde wird dazu berechtigt bzw. verpflichtet, Schließungsanordnungen zu erlassen.
Einschränkung beim Sortiment
Unterschiede in den ladenöffnungsrechtlichen Landesgesetzen gibt es auch beim Sortiment, das Apotheken außerhalb der üblichen Ladenöffnungszeiten abgeben dürfen. Nur in vier Bundesländern darf dann das gesamte Sortiment abgegeben werden (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Sachsen). In drei Bundesländern ist Apotheken während der regulären Ladenschlusszeiten nur die Abgabe von Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren gestattet (Berlin, Brandenburg, Thüringen). In den meisten Bundesländern ist das Sortiment beschränkt auf die Abgabe von Arznei-, Krankenpflege-, Säuglingspflege und Säuglingsnährmittel, hygienische Artikel sowie Desinfektionsmittel (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein), in Hessen dürfen zudem Medizinprodukte abgegeben werden.
Schließungsanordnungen der Kammern
Soweit die ladenöffnungsrechtlichen Landesgesetze den zuständigen Verwaltungsbehörden – in der Regel den Landesapothekerkammern – die Aufgabe übertragen, für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken die Schließung zu verfügen und sie dies auch umsetzen, haben Apotheken die entsprechenden Anordnungen zu beachten. Die Landesapothekerkammern können eine Schließungsanordnung entweder allgemeinverbindlich, also grundsätzlich für alle Apotheken im Kammerbezirk, regeln (z. B. in der Allgemeinverfügung zur Dienstbereitschaft), oder sie können die Schließung in individuellen Bescheiden für jede einzelne Apotheke des Kammerbezirks anordnen.
Apothekendienstbereitschaft – eine Sache des Bundes oder der Länder?
Ob derlei Schließungsanordnungen jedoch wirksam sind, ist umstritten. Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für das Ladenschlussrecht vom Bund auf die Bundesländer übertragen. Bis auf Bayern, wo das Bundesladenschlussgesetz weiterhin gilt, haben alle übrigen Bundesländer von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und eigene Landesgesetze erlassen. Mit der Neuregelung der ApBetrO im Jahr 2012 entfiel in § 23 Abs. 1 ApBetrO die Vorgabe, dass Apotheken aufgrund von Schließungsanordnungen nach dem Bundesladenschlussgesetz geschlossen zu halten waren (§ 23 Abs. 1 ApBetrO alte Fassung: „Die Apotheke muss außer zu den Zeiten, in denen sie auf Grund einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 des Ladenschlussgesetzes geschlossen zu halten ist, ständig dienstbereit sein.“). Wegen dieser gesetzgeberischen Veränderungen wird in der Fachliteratur teilweise die Meinung vertreten, dass die ladenöffnungsrechtlichen Landesgesetze keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Schließungsanordnungen bieten (so z. B. Cyran/Rotta, Apothekenbetriebsordnung Kommentar, Stand Januar 2017, § 23 Rn. 6 ff). Denn das Grundgesetz weist den Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz für das Ladenschlussrecht zu, die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Apothekenwesens – und damit der Dienstbereitschaft – liegt dagegen beim Bund (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Folgt man dieser Argumentation, berechtigt § 23 Abs. 1 ApBetrO die zuständige Behörde zwar dazu, Apotheken von ihrer Dienstbereitschaft zu befreien, nicht aber ihre Schließung anzuordnen. Die Bedenken an der Rechtmäßigkeit von Schließungsanordnungen könnten lediglich im Wege gerichtlicher Klärung ausgeräumt werden.
Bei der ABDA sind die Zweifel an der Zulässigkeit entsprechender Schließungsanordnungen bekannt. Allerdings sei die genannte Auffassung nicht zwingend, betont man dort – und Rechtsprechung zu dieser Frage liege bislang nicht vor, insbesondere sei sie verfassungsrechtlich nicht geklärt. Ob der Bund in § 23 ApBetrO die Öffnungszeiten der Apotheken abschließend habe regeln wollen, sei offen. Aus Sicht der ABDA muss in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, dass das Ladenöffnungsrecht über apothekenrechtliche Aspekte hinaus weitere Zielsetzungen verfolgt, beispielsweise den Arbeitnehmerschutz. „In der verfassungsrechtlichen Praxis“, so das Fazit der ABDA, „scheinen die Landesgesetzgeber jedenfalls den Bedenken, die bei Cyran/Rotta angeführt werden, nicht zu folgen.“ Apotheker, die über die in § 23 ApBetrO genannten Zeiten der obligatorischen Dienstbereitschaft hinaus ihre Apotheke öffnen möchten, müssten sich an den konkreten Vorgaben der geltenden landesrechtlichen Regelungen orientieren.
Zum Weiterlesen
C. Bauer: Rund um die Uhr – Arzneimittelversorgung in Nacht- und Notdiensten in DAZ 2018, Nr. 32, S. 50
S. Rich, I. Schneider, B. Predel: „Kurzfristig beschaffbar“ – Die Notfalldepots der Apothekerkammern in DAZ 2018, Nr. 32, S. 54
Freiwilliger Notdienst möglich?
Sofern Apotheker den bestehenden Notdienstplan in ihrer Region für nicht ausreichend erachten – zum Beispiel, weil ein Großereignis ansteht, aufgrund besonderer Straßen- bzw. Witterungsverhältnisse oder weil sich Bereitschaftsdienste in der Umgebung grundsätzlich verändert haben –, gilt es zu beachten, dass Voraussetzung für die Ableistung eines Notdienstes eine entsprechende Anordnung der zuständigen Landesapothekerkammer ist. Nur die von der Landesapothekerkammer zum Notdienst eingeteilten Apotheken leisten Notdienst. Einen nicht mit der Landesapothekerkammer abgesprochenen, freiwilligen Notdienst kann es demzufolge nicht geben.
Dementsprechend erhalten Apotheken nur mit entsprechender Notdienstanordnung die Notdienstpauschale des Nacht- und Notdienstfonds, wenn sie in der Zeit von spätestens 20 Uhr bis mindestens 6 Uhr des Folgetages zum Notdienst eingeteilt wurden und diesen vollständig erbracht haben (§ 20 Abs. 1 ANSG). Auch die Notdienstgebühr in Höhe von 2,50 Euro darf nur bei Ableistung eines Notdienstes werktags in der Zeit von 20 bis 6 Uhr, an Sonn- und Feiertagen sowie am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, bis 6 Uhr und ab 14 Uhr erhoben werden (§ 6 AMPreisV).
Davon abzugrenzen ist die Frage, ob eine Apotheke außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten geöffnet sein darf – ohne dabei einen regulären Notdienst zu leisten. Hier sind die entsprechenden Vorschriften und Regelungen im Bundesland bzw. des Kammerbezirks entscheidend: Gestattet das jeweilige ladenöffnungsrechtliche Landesgesetz die Öffnung außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten und hat die zuständige Behörde keine Schließungsanordnung (allgemein oder individuell) verfügt, dürfen Apotheken außerhalb der regulären Öffnungszeiten geöffnet sein. Andernfalls ist die Apotheke geschlossen zu halten.
Zusatzbedarf mit Kammer abklären
Anfragen seitens der Apotheken oder der Bevölkerung nach einem zusätzlichen Notdienst gibt es nach Auskunft der meisten Landesapothekerkammern nur selten. Teilweise komme es lokal und befristet zu zusätzlichen Notdiensten. Angesichts von möglicherweise drohenden Einnahmeausfällen der regulär zum Notdienst eingeteilten Apotheken verweisen manche Landesapothekerkammern darauf, dass eine freiwillige Dienstbereitschaft gesetzlich nicht vorgesehen sei und berufspolitisch auch nicht gewünscht werden könne. Apotheken, die die Arzneimittelversorgung in ihrer Region als nicht bedarfsgerecht ansehen, sollten sich an ihre Landesapothekerkammer wenden. Anregungen und Vorschläge, die zur weiteren Verbesserung der Versorgungssituation beitragen, seien willkommen, heißt es dort. Sofern diese mit geltendem Recht vereinbar seien und die Zustimmung der jeweils betroffenen Apotheken fänden, würden sie auch umgesetzt. |
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