Foto: runzelkorn – stock.adobe.com

Medizin

Kein Lifestyle-Problem

Lipödem: Fettabsaugen auf Gemeinschaftskosten sorgt für Diskussionen

Der Vorstoß des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, die Liposuktion bei einem Lip­ödem am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorbei zur Kassenleistung zu machen, hat für Wirbel gesorgt. Aber was genau ist eigentlich ein Lipödem und vor allem, ist es gerechtfertigt, die Gemeinschaft für eine Fettabsaugung bei den Betroffenen bezahlen zu lassen? | Von Daniela Leopoldt

Das Lipödem (Lipohyperplasia dolorosa), das im Volksmund auch als Reiterhosenphänomen oder (schmerzhaftes) Säulenbein bezeichnet wird, ist eine krankhafte symmetrische Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich bei Frauen auftritt. Es ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung, die durch eine Disproportion zwischen Stamm und Extremitäten gekennzeichnet ist. Typisch für das Krankheitsbild sind übermäßig dicke Beine und ein vergleichsweise schlanker Oberkörper. Oftmals haben Betroffene das Gefühl, dass Ober- und Unterkörper nicht zusammenpassen, und Unterschiede in den Konfektionsgrößen von drei bis vier Nummern sind keine Seltenheit.

Anfängliche Spannungsschmerzen in den betroffenen Körperarealen (Beine und/oder Arme) gehen in dauerhafte Schmerzen, einschließlich Spontanschmerz und extreme Berührungsempfindlichkeit über. Im zunehmenden Verlauf bilden sich Wülste oder Wammen, die vorrangig an Oberschenkel- und Knieinnenseiten, manchmal auch im Bereich der Sprunggelenke lokalisiert sind. Damit einher gehen dermatologische Probleme, wie z. B. eine durch Scheuereffekte ausgelöste chronisch irritative Dermatitis oder Okklusionseffekte in den Hautfalten bis hin zu Infektionen. Durch die Volumenvergrößerung an den Oberschenkelinnenseiten kommt es zu Störungen des Gangbildes und einer Achsenfehlstellung der Beine (X-Beine), was zu orthopädischen Problemen führt.

Nicht nur übergewichtige, sondern auch extrem magere Frauen können ein Lipödem entwickeln, das sich weder durch Sport noch durch Ernährungsumstellung beeinflussen lässt. Für die Betroffenen bedeutet das eine starke Einschränkung ihrer Lebensqualität sowie eine erhebliche psychische Belastung, die durch allgemeines Unverständnis verstärkt wird und oft in Depressionen mündet. In Deutschland sind mindestens 3,8 Millionen Frauen betroffen. Dennoch ist die behandlungsbedürftige Krankheit auch bei Ärzten bislang weitgehend unbekannt und man geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Unklare Ursachen

Die umschriebene, symmetrisch an den Extremitäten auftretende Vermehrung des Unterhautfettgewebes ist Folge einer Hypertrophie und Hyperplasie von Fettzellen. Darüber hinaus sind Bindegewebsveränderungen und eine Zunahme des fibrotischen Anteils im Spätstadium der Krankheit beobachtet worden. Das Fettgewebe beim Lipödem ist von zahl­reichen kapillaren Blutgefäßen durchzogen. Eine erhöhte Kapillarfragilität ist verantwortlich für die charakteristische Häm­atomneigung. Aufgrund einer hohen Gefäßpermeabilität gelangt vermehrt Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem ins Interstitium. So kann es im Laufe der Jahre durch lang­anhaltende Überlastung der Lymphgefäße neben der Zunahme von subkutanem Fett auch zur Ausbildung von Ödemen in den betroffenen Regionen kommen. Hinzu kommen orthostatische Ödeme, die durch einen verzögerten und reduzierten veno-arteriellen Reflex verstärkt werden. Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Lipödems sind noch weitgehend ­unbekannt. Vermutet werden hormonelle Gründe, da das Lipödem in der Regel erstmals in Phasen hormoneller Veränderungen auftritt, z. B. während der Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause. Welche Hormone und Rezeptoren dabei genau eine Rolle spielen, bleibt jedoch noch zu klären. Eine genetische Komponente mit familiärer Häufung des Lipödems wurde in bis zu 60% der Fälle beschrieben.

Abgrenzung zum Lipo-Lymphödem

Man nimmt an, dass eine über Jahre anhaltende Dauerbelastung der Lymphgefäße zu degenerativen Veränderungen der Gefäßwand (Lymphangiosklerose) und folglich zu einer Verringerung der Transportkapazität führt. So kann es in einigen Fällen während der Progression des Lipödems zur Ausbildung eines sekundären Lymphödems (Lipo-Lymphödem) kommen. Charakteristisch dafür sind eine Schwellung des Fußrückens und vertiefte Falten an den Zeh-Ansätzen sowie oft (jedoch nicht immer) ein positives Stemmer’sches Zeichen. Dieses diagnostische Mittel zur Erkennung eines Lymph­ödems ist positiv, wenn die Hautfalte über der zweiten und dritten Zehe verdickt und schwer oder gar nicht abhebbar ist.

Die Entstehung eines solchen Lipo-Lymphödems kann in jedem Stadium des Lipödems erfolgen und durch Komorbiditäten (z. B. Adipositas) oder körperliche Inaktivität begünstigt werden. Bisher ist es lediglich an Beinen und nicht an Armen beobachtet worden. Eine Erklärung dafür bietet unsere aufrechte Körperhaltung sowie die sich hauptsächlich auf die Beine auswirkende Schwerkraft. Anfangs kann es hilfreich sein, die Beine hochzulagern. Die Schwellung bildet sich dann meist zurück und die Schmerzen lassen nach. In späteren Stadien funktioniert das jedoch nicht mehr. Liegt unabhängig vom Lipödem ein primäres Lymphödem vor, sind im Gegensatz zum Lipo-Lymphödem, die Beine unterschiedlich dick. Ein ähnliches Szenario ist auch bei den Armen möglich, wenn zusätzlich zum Lipödem ein Lymphödem auftritt (z. B. nach Entnahme von Lymphknoten im Rahmen einer Brustkrebsbehandlung). Auch hier liegt keine für das Lipödem und Lipo-Lymphödem charakteristische Symmetrie vor, sondern der Arm mit dem Lymphödem ist dicker als der andere.

Einteilung nach Lokalisation oder Morphologie

Das Lipödem kann zum einen nach der Lokalisation der Gewebeveränderungen eingeteilt werden, zum anderen nach der Morphologie [nach: S1-Leitlinie Lipödem].

Einteilung nach der Lokalisation

  • Beine: Oberschenkeltyp, Ganzbeintyp, Unterschenkeltyp
  • Arme: Oberarmtyp, Ganzarmtyp, Unterarmtyp

Oftmals bilden sich bei einer Person Mischbilder der genannten Typen. Die Arme alleine sind jedoch äußerst selten betroffen. Die Krankheit schreitet individuell unterschiedlich und nicht vorhersehbar voran.

Bei der Einteilung nach der Morphologie werden drei Stadien unterschieden, die nicht unbedingt den Schweregrad der Erkrankung (Ausmaß der klinischen Symptomatik, insbesondere der Schmerzen) widerspiegeln müssen.

Einteilung nach der Morphologie

  • Stadium I: glatte Hautoberfläche, mit gleichmäßig ver­dickter, homogen imponierender Subkutis (sogenannte Orangenhaut)
  • Stadium II: unebene, überwiegend wellige Hautoberfläche mit größeren Dellen und knotenartigen Strukturen (sogenanntes Matratzenphänomen)
  • Stadium III: ausgeprägte Umfangsvermehrung mit deformierenden, überhängenden Gewebeanteilen (Wammen­bildung) insbesondere an den Innenseiten der Oberschenkel und Kniegelenken, teilweise Fettwülste über den Knöcheln, X-Bein-Stellung verbunden mit einer Fehlbelastung der Gelenke

Richtige Diagnose oft erst nach Jahrzehnten

Idealerweise erfolgt die Diagnose eines Lipödems möglichst frühzeitig durch einen lymphologisch kompetenten Arzt anhand einer Anamnese, Inspektion und Palpation (Abtasten). Leider werden in der Realität 50% aller Lipödeme erst nach mehr als zehn Jahren diagnostiziert und 25% nach 30 Jahren oder mehr. Entscheidend ist die Abgrenzung von ähnlichen Befunden, wie z. B. der Extremitäten-Lipohypertrophie, der peripheren Adipositas oder Ödemen anderer Ursache. Liegt z. B. keine ausgeprägte Neigung zu Hämatomen, Wassereinlagerungen und Schmerzen vor, handelt es sich um eine Lipo­hypertrophie, die optisch dem Lipödem ähnelt jedoch keine Krankheit darstellt. Typische Merkmale zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung des Lipödems sind in der Tabelle zusammengefasst. Falls auf Grundlage der klinischen Befunde keine zweifelsfreie Diagnose getroffen werden kann, stehen bildgebende Diagnosetechniken unterstützend zur Verfügung. So können Lokalisation und Ausmaß der subkutanen Fettverteilung sowohl mit Computertomografie (CT) als auch mit Magnetresonanztomografie (MRT) dokumentiert werden. Verschiedene sonografische Methoden werden hier ebenfalls eingesetzt. Funktionsunter­suchungen des Lymph­gefäßsystems können hilfreich sein. In frühen Krankheitsstadien ist manchmal ein erhöhter Lymphtransport nachweisbar während im späteren Krankheitsverlauf verlängerte Transportzeiten mit pathologischen Lymphknoten-Uptake-Werten nachgewiesen wurden. Nicht immer lassen sich jedoch auffällige Veränderungen finden.

Abb. 1: Stadien eines Lipödems In Stadium I (links) ist die Hautoberfläche glatt und die Subkutis verdickt, in Stadium II ist die Hautoberfläche uneben, die Fettstruktur grobknotig, in Stadium III (rechts) ist das Gewebe zusätzlich derber und härter, es finden sich großlappig deformierende Fettlappen. Die Veränderungen treten immer symmetrisch auf. Sie können vom Beckenkamm bis zu den Sprunggelenken reichen, aber auch isoliert nur Ober- oder Unterschenkel betreffen. Die Fettvermehrung kann sich homogen über das ganze Bein verteilen (Säulenbein) oder sich gegenüber dem normal erscheinenden Körperteil absetzen. In über 30% der Fälle sind zusätzlich die oberen Extremitäten (meist die Ober-, seltener auch die Unterarme) betroffen.
Tab.: Typische Merkmale zur Differenzialdiagnostik bei Lipödem[nach: S1-Leitlinie Lipödem]
klinisches Merkmal
Lipödem
Lipohypertrophie
Adipositas
Lymphödem
Fettvermehrung
+++
+++
+++
(+)
Disproportion
+++
+++
(+)
+
Ödem
+++
Ø
(+)
+++
Druckschmerz
+++
Ø
Ø
Ø
Hämatomneigung
+++
(+)
Ø
Ø

+ bis +++ vorhanden (mit unterschiedlich starker Ausprägung), (+) möglich, Ø nicht vorhanden

Zur Verlaufskontrolle wird empfohlen, Parameter wie das Gewicht, den Body-Mass-Index (BMI), die Waist-Hip-Ratio (Taille-Hüft-Verhältnis), die Waist-Height-Ratio (Taille-­Körpergröße-Verhältnis) sowie Umfangs- und Volumenmessungen der Extremitäten und den täglichen Aktivitätsindex zu dokumentieren. Diese können insbesondere in differenzialdiagnostisch schwierigen Fällen (z. B. Adipositas versus Lipödem) hilfreich sein.

Merkmale des Lipödems

  • Po und Beine werden zunehmend dicker und sind sehr schmerzempfindlich (spontan oder bei Berührung)
  • häufig treten die gleichen Symptome auch an den Armen auf
  • Krankheitsbild ist immer symmetrisch ausgebildet (das heiß links und rechts gleichermaßen)
  • Po und Beine sind im Vergleich zum Körper überproportioniert
  • Füße und Hände sind nicht betroffen
  • Kragen- oder Muffbildung im Bereich der Gelenkregion
  • Schwere und Spannungsgefühl der betroffenen Extremitäten
  • auffallende Hämatomneigung nach Bagatelltraumata
  • Ödeme, die im Tagesverlauf zunehmen
  • Stemmer’sches Zeichen negativ
  • keine Beeinflussung durch Sport und Ernährung (Diätresistenz)
  • Tendenz zur Verschlimmerung

Konservative Therapiemöglichkeiten

Da die Ursachen der Erkrankung nicht bekannt sind, ist eine kausale Therapie derzeit nicht möglich. Betroffene sollten symptomatisch und individualisiert entsprechend ihrem Krankheitsstadium therapiert werden. Die Ziele der Lip­ödem-Therapie sind eine Verbesserung der Beschwerden zum einen und die Verhinderung von Komplikationen (in der Regel dermatologische, lymphatische und orthopädische) durch Fortschreiten der Erkrankung zum anderen. Ein frühzeitiger Beginn der Therapie kann dabei schwere Ausprägungen verhindern. Dies steht leider im Widerspruch zu der oft späten Diagnosestellung.

Primär sollte auf konservative Methoden zurückgegriffen werden. Ein wesentlicher Therapiebestandteil dabei ist die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Diese beinhaltet manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Bewegungstherapie und Hautpflege. Intensität und Frequenz der komplexen physikalischen Entstauungstherapie richten sich nach dem Ausprägungsgrad der Beschwerden und der Ödematisierung. Zusätzlich und ergänzend zur manuellen Lymphdrainage kann eine apparative intermittierende Kompression mithilfe eines pneumatischen Wechseldruckgerätes eingesetzt werden. Spezialisierte Kliniken und Arztpraxen verfügen meist über geeignete Geräte. Wegen der hohen Schmerzempfindlichkeit muss der Druck zunächst niedrig eingestellt werden. Die beim Arzt begonnene Therapie kann in der Regel später auch zu Hause fortgesetzt werden.

Sowohl nach einer manuellen Lymphdrainage als auch nach einer Entstauung mittels apparativer Kompressionstherapie sollten Kompressionsstrümpfe getragen werden, damit die Beine nicht wieder anschwellen. In der initialen Entstauungsphase wird eine Kompressionstherapie mit Verbänden durchgeführt. Im Rahmen der nachfolgenden Erhaltungsphase können dann auch maßangefertigte Kompressionsstrümpfe (Flachstrickstrümpfe) zum Einsatz kommen. Bei konsequenter Anwendung einer komplexen Entstauungs­therapie kann eine Erleichterung der Beschwerden sowie eine Ödemreduktion erreicht werden. Eine Verminderung des krankhaft vermehrten Fettgewebes und die Beseitigung der Disproportion sind mit der Entstauungstherapie jedoch nicht möglich.

Da es sich beim Lipödem um eine diätresistente Erkrankung handelt, lassen sich ausschließlich Lipödem-bedingte disproportionale Fettgewebsvermehrungen an Armen und Beinen auch durch Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität nicht beseitigen. Trotzdem kommen einer gesunden Ernährung und der körperlichen Aktivität eine große Bedeutung zu, unter anderem um vorhandenes Übergewicht zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Eine Ernährungsumstellung mit psychologischer Betreuung ist in vielen Fällen ratsam, da ein großer Anteil der Patientinnen an diversen Ess­störungen leidet. Diese haben sich oftmals aufgrund von zahlreichen erfolglosen Diäten entwickelt. Bei den körperlichen Aktivitäten haben sich Wassersportarten wie Schwimmen und Aqua-Jogging bewährt, da hier die Gelenke durch den Auftrieb entlastet werden und der Wasserdruck gleichzeitig eine Lymphdrainage ausübt. Eine medikamentöse Behandlung steht derzeit nicht zur Verfügung. Die Behandlung mit Diuretika ist nicht indiziert, da ein Flüssigkeitsentzug bei proteinreichen Ödemen, wie z. B. dem Lipödem (aber auch dem Phleb­ödem und dem Lymphödem), zu einem erhöhten Proteingehalt im Gewebe und damit sekundär zu einer Verstärkung der Ödeme führen.

Umstrittene Methode – Liposuktion

Wenn konservative Methoden trotz konsequenter Anwendung nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist nach kritischer Indikationsstellung insbesondere in schweren Fällen eine Liposuktion durch lymphologisch fortgebildete und spezialisierte Ärzte angezeigt. Die Liposuktion ist ein operatives Verfahren zur dauerhaften Reduktion des krankhaften Unterhautfettgewebes. Nach den Empfehlungen der S1-Leitlinie sollte die Liposuktion immer unter örtlicher Betäubung mithilfe einer Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) durchgeführt werden. Für diese etablierte und risikoarme Methode ist gezeigt worden, dass, im Gegensatz zu dem früher praktizierten Verfahren unter Vollnarkose, keine relevanten Schäden an den Lymphgefäßen auftreten. Durch Liposuktion wird eine meist über viele Jahre anhaltende und ausgeprägte Verbesserung von Spontan- und Druckschmerz, Ödem und Hämatomneigung erreicht. Die Form der Beine lässt sich annähernd normalisieren und es kann eine Verminderung der konservativen Therapie, manchmal sogar Therapiefreiheit erzielt werden. Die Lebensqualität Betroffener verbessert sich durch den Eingriff erheblich, denn sie haben danach weniger Beschwerden als vorher, sind mobiler und haben ein gesteigertes Selbstbewusstsein. Darüber hinaus ist der Zeitaufwand für die konservative Therapie nun deutlich reduziert. Das Verfahren ist im Leistungskatalog der Gesetz­lichen Krankenversicherung (GKV) bis dato nicht enthalten, da dem G-BA zufolge eine geeignete Bewertungsgrundlage fehlt. Früher konnten die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine stationäre Liposuktion in einer Einzelfall-Entscheidung übernehmen. Nach einer richter­lichen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24. April 2018 war dies nicht mehr möglich.

Behandlung per Ministerbeschluss

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mit seinem Anfang 2019 angekündigten Ergänzungsantrag zum geplanten Termin- und Versorgungsgesetz Bewegung in die Sache gebracht. Ziel des Änderungsantrags war die Ermächtigung des Gesundheitsministeriums, in Ausnahmefällen auch ohne Zustimmung des Bundesrates festzulegen, dass bestimmte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (z. B. die Liposuktion) von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden müssen. Die Vorgehensweise des Ministers hatte in der Großen Koalition und der gemeinsamen Selbstverwaltung zu erheblichen Protesten geführt. Auch wenn Verfahren zur Nutzenbewertung neuer Behandlungsmethoden oft lange dauern, wird die Entscheidungsgewalt des Ministeriums am G-BA vorbei von Kritikern abgelehnt. Diese befürchten, dass durch den Verzicht auf die bisher übliche Nutzen-Risiko-Bewertung die Sicherheit der Patienten gefährdet und einer politischen Instrumentalisierung Tür und Tor geöffnet wären. Selbsthilfegruppen, Patientenorganisationen und auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft hingegen begrüßten die Entscheidung, denn nicht selten werden medizinisch-sinnvolle Leistungen wie die Liposuktion durch die dominante Kostenträgerseite in der Selbstverwaltung verhindert. Die Vorgehensweise des Bundesgesundheitsministers kann man gut oder schlecht finden. Fakt ist, mit seinem Vorstoß hat Jens Spahn nicht nur eine gesamtgesellschaftliche Diskussion um die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen in Gang gesetzt. In einem Brief an den Bundesgesundheitsminister hat der G-BA kürzlich die Liposuktion bei Lipödem als befristete Kassenleistung angeboten. Ab dem 1. Januar 2020 soll für Patientinnen mit Lipödem im Stadium 3 die Liposuktion zulasten der GKV verordnet werden können. Diese Regelung gilt zunächst bis 2024. Bei Frauen im Stadium 1 und 2 dagegen sollen die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie abgewartet werden. Die ersten Patientinnen werden im Rahmen dieser vom G-BA in Auftrag gegebenen vergleichenden Studie voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2020 operiert. |

Literatur

Lipödem. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, Stand 10/2015, AWMF Registernummer 037-012

Alles über das Lipödem – Ein Ratgeber für Frauen, Ärzte und Therapeuten. Kraus RH Lymphologischer Informationsdienst Rainer H. Kraus, www.lipödemportal.de

Lipödem. Informationen der Lympho-Opt Fachklinik, www.lympho-opt.de

Brief an Spahn: G-BA bietet Liposuktion bei Lipödem als befristete Kassenleistung an, 25. Januar 2019, www.aerzteblatt.de

Spahn will Liposuktion zur Kassenleistung machen. 11. Januar 2019, www.aerzteblatt.de

Gemeinsamer Bundesausschuss beauftragt Studie für Liposuktion bei Lipödem, 18. Januar 2018, www.aerzteblatt.de

Autorin

Dr. Daniela Leopoldt ist Apothekerin und Pharmakologin. Nach ihrer Promotion war sie mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den USA und anschließend in der öffentlichen Apotheke sowie der pharmazeutischen Industrie tätig. Seit 2017 schreibt sie als freie Medizinjournalistin unter anderem Beiträge für die DAZ.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.