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Interpharm 2019 – Cannabis-Workshop
Cannabis in der Apotheke
Die Dronabinol-Rezeptur in Theorie und Praxis
Im März 2017 wurde mit der Einführung des Cannabis-Gesetzes eine deutliche Vereinfachung der Patientenversorgung mit Cannabis ermöglicht. Seit dem können getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte sowie Arzneimittel mit Dronabinol und Nabilon auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Für Apotheken geht diese Gesetzesänderung jedoch mit zahlreichen Herausforderungen einher, da Cannabis zum einen unter das Betäubungsmittelgesetz fällt (Anlage III BtMG) und zum anderen die Verarbeitung im Rahmen der Rezeptur einige Besonderheiten mit sich bringt. Dr. Christian Ude von der Stern-Apotheke in Darmstadt und Dr. Mario Wurglics, Goethe Universität Frankfurt, nutzten daher die Interpharm, um Klarheit zu verschaffen und Sorgen bei der Umsetzung in der Apotheke zu nehmen.
Cannabis sativa enthält mehrere pharmakologisch interessante Inhaltsstoffe. Neben dem bekannten Tetrahydrocannabinol (THC, Dronabinol) fungiert auch Cannabidiol (CBD) als Leitsubstanz in entsprechenden Arzneimitteln. Beide Phytocannabinoide entfalten ihre Wirkung über das körpereigene Endocannabinoid-System. Sie wirken agonistisch an Cannabinoid-Rezeptoren (CB1, CB2) und führen auf diese Weise präsynaptisch zu einer Hemmung der Transmitterfreisetzung sowie postsynaptisch zu einer Hyperpolarisation der entsprechenden Zelle. Während THC auf diesem Wege zahlreiche psychomimetische Effekte mit sich bringt, wirkt CBD nicht psychomimetisch und stellt daher auch kein Betäubungsmittel dar.
Viele Anwendungsmöglichkeiten – Evidenz jedoch oft schwach
Cannabinoide finden bei zahlreichen Indikationen Anwendung. So werden sie z. B. bei chronischen (neuropathischen) Schmerzen, Appetitlosigkeit, Chemotherapie-induziertem Erbrechen sowie bei Spastiken aufgrund von multipler Sklerose eingesetzt. Dr. Christian Ude und Dr. Mario Wurglics gaben jedoch zu bedenken, dass Cannabis kein „Wundermittel“ und die Evidenz bislang nur für wenige Indikationen ausreichend sei. Und auch bei diesen wenigen Indikationen müsse man genauer hinsehen, so die Experten, da der Wirksamkeitsnachweis zum Teil nur mit Einschränkungen gelte. Deshalb sollten Cannabis-basierte Arzneimittel erst dann zur Anwendung kommen, sofern andere etablierte Therapieoptionen nicht ausreichend wirksam sind.
FAM, getrocknete Droge oder standardisierte Rezeptur?
Neben zugelassenen Fertigarzneimitteln (Sativex®, Canemes®) und getrockneten Cannabisblüten stehen in Deutschland auch standardisierte Rezepturen mit dem Reinstoff Dronabinol zur Verfügung. Das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) beschreibt neben der oralen Applikation in Form von öligen Tropfen und Kapseln (NRF 22.7, 22.8) auch die Inhalation durch Verdampfen (NRF 22.16). Nach Aussage der Referenten ist jedoch die orale Anwendung in aller Regel zu bevorzugen, da sie im Vergleich zur Inhalation ein langsameres Anfluten und niedrigere sowie stabilere Blutspiegel ermöglicht.
Cannabis in der Rezeptur
Aufgrund bestehender Oxidations- und Lichtempfindlichkeit sowie extremer Lipophilie, ergeben sich bei der Verarbeitung von Dronabinol einige Besonderheiten. Zudem ist das Cannabinoid bei Raumtemperatur nahezu fest, was die Verarbeitung zusätzlich erschwert. Aus diesem Grund stellten die Experten gemeinsam mit Barbara Sievert in einer Live-Demonstration den notwendigen Arbeitsgang Schritt für Schritt vor.
Identitätsprüfung und Herstellung leicht gemacht
Um die Identitätsprüfung im Apothekenalltag zu erleichtern, wird Dronabinol als Rezeptursubstanz in Wirkstoffsets vertrieben (z. B. PZN 02887668). Diesem Set liegt ein Schnelltest zum Identitätsnachweis bei. Zudem bieten alle Firmen vollständige Herstellsets an, die neben der Rezeptursubstanz auch alle anderen, notwendigen Bestanteile für die Rezeptur enthalten. Aber Vorsicht: Diese Herstellsets müssen von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Jede Apotheke müsse daher für sich entscheiden, ob sie erheblich Arbeitszeit einsparen und dafür eine Retaxation riskieren möchte, so Dr. Christian Ude. Eine weitere Retax-Falle könnte sich ab dem 1. April 2019 ergeben: Zu diesem Stichtag gelten neue Sonder-PZN für Cannabiszubereitungen. Dronabinol-Rezepturen wie Kapsel und Tropfen erhalten dann die Sonder-PZN 06460748.
Patientenberatung nicht vergessen
Bei Abgabe von Dronabinol-Rezepturen sollten dem Patienten einige Hinweise mitgegeben werden. So sind Dronabinol-Zubereitungen – anders als Cannabisblüten – bei Raumtemperatur aufzubewahren. Werden Dronabinol-Tropfen zusammen mit einer Dosierpumpe abgegeben, lohnt sich der Hinweis, dass es sich um eine orale Darreichungsform und nicht – wie vom Patienten vielleicht vermutet – um ein Nasenspray handelt. Aufgrund der Lipophilie sollten die Tropfen auf einem Löffel oder mit einem Stück Zucker bzw. Brot eingenommen werden. Während der Therapie mit Dronabinol gilt striktes Alkoholverbot. Zudem muss jede Komedikation – auch mit rezeptfreien Arzneimitteln – sorgfältig überprüft werden, da zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten bestehen. Die Experten empfehlen außerdem für mögliche Polizeikontrollen eine Rezeptkopie mitzuführen, da anhand eines Bluttests nicht ermittelt werden kann, ob das nachgewiesene THC legalen Ursprungs ist. |
1 Kommentar
Cannabis in der Apotheke
von Dr.Schüßler am 25.03.2019 um 14:50 Uhr
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