Arzneimittel und Therapie

Tramadol unter Verdacht

Erhöhtes Mortalitätsrisiko wirft Fragen auf

Während deutsche Leitlinien zur Schmerztherapie bei Kniegelenk­arthrose empfehlen, Tramadol primär dann einzusetzen, wenn Nichtopioid-Analgetika unwirksam oder kontraindiziert sind, wird das Opioid in amerikanischen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl genannt. Doch wie steht es um die Sicherheit?

In einer kürzlich veröffentlichten Kohortenstudie wurde die Gesamtsterblichkeit von Osteoarthrose-Patienten ein Jahr nach der ersten Tramadol-­Verordnung im Vergleich zu anderen häufig eingesetzten Anal­getika untersucht. Die dazu verwendeten Patientendaten stammten aus der Datenbank Health Improvement Network (THIN), die Informationen von über 11 Millionen Patienten aus dem Vereinigten Königreich beinhaltet.

Daten von Patienten mit Knie-, Hüft- oder Hand­arthrose, die zwischen Januar 2000 und Dezember 2015 eine entsprechende Diagnose erhalten hatten und zu diesem Zeitpunkt mindestens 50 Jahre alt waren, gingen in die Studie ein. Es wurden mehrere aufeinanderfolgende Analysen durchgeführt, in denen die Gesamtmortalität bei Patienten, die Tramadol erhalten hatten, und Patienten, die alternativ eines von fünf anderen Schmerzmitteln eingenommen hatten, verglichen wurde.

Foto: Yakobchuk Olena – stock.adobe.com
Nicht nur Schmerzmittel werden zur Behandlung der Arthrose eingesetzt. Bewegungstherapie und Reha-Sport sind weitere wirksame Maßnahmen.

Vergleich mit fünf Analgetika

Zu diesen gehörten die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) Naproxen und Diclofenac, die Cyclooxygenase-2­(COX-2)-Inhibitoren Celecoxib und Etoricoxib sowie der schwach wirk­same Opioid-Rezeptoragonist Codein. Für die Analysen wurden den Tramadol-Patienten mithilfe eines Propensity-Score-Matchings Patienten mit ähn­lichen Merkmalen zugeordnet, die eines der anderen Schmerzmittel erhalten hatten. Zu den verwendeten Variablen gehörten unter anderem soziodemografische Faktoren wie Alter und Geschlecht, der Body-Mass-Index (BMI), Dauer der Arthrose, Komorbiditäten und Komedikationen. Ausgewertet wurden die Daten von insgesamt 88.902 Patienten (61,2% Frauen) mit einem mittleren Alter von 70,1 Jahren.

Die Einnahme von Tramadol war im Vergleich zu Naproxen mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert (Hazard Ratio [HR] 1,71; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,41 bis 2,07). 278 Todesfällen in der Tramadol-Gruppe standen 164 Todesfälle (23,5 vs. 13,8 pro 1000 Personenjahre) in der Naproxen-Gruppe gegenüber. Die Behandlung mit Tramadol war auch im Vergleich zu Diclofenac (HR 1,88; 95%-KI 1,51 bis 2,35), Celecoxib (HR 1,70; 95%-KI 1,33 bis 2,17) und Etoricoxib (HR 2,04; 95%-KI 1,37 bis 3,03) mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden. Lediglich zwischen Tramadol und Codein (HR 0,94; 95%-KI 0,83 bis 1,05) wurde kein statistisch signifikanter Unterschied gefunden.

Die zugrunde liegenden Mechanismen für die erhöhte Mortalität unter Tramadol sind noch unbekannt. Neben einer Aktivierung der µ-Opioid-Rezeptoren hemmt Tramadol auch die Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahme im zentralen Nervensystem, was zu einem Serotonin-Syndrom oder zu Krämpfen führen kann. Bei Alkoholkonsum oder in Kombination mit zentral wirksamen Beruhigungsmitteln sind schwerwiegende Wechselwirkungen mit tödlichem Ausgang zum Beispiel durch Atemdepression möglich. Tramadol kann zudem das Risiko für Hypoglykämie, Hyponatriämie, Frakturen und Stürze erhöhen.

Die Studienautoren betonen, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten sind. Trotz des Propensity-Score-Matchings ist eine Verzerrung aufgrund der Indikation möglich. So war die Gruppe der Tramadol-Patienten vor dem Matching-Verfahren insgesamt kränker und stärker durch Komorbiditäten belastet. Um einen möglichen Kausalzusammenhang nachzuweisen, sind weiterführende Studien nötig. |

Quelle

Zeng C et al. Association of tramadol with all-cause mortality among patients with osteoarthritis. JAMA 2019;321(10):969-982

S2k-Leitlinie Gonarthrose. AWMF Registernummer 033-004, Stand 18. Januar 2018

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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