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- DAZ 16/2019
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Arzneimittel und Therapie
Tramadol unter Verdacht
Erhöhtes Mortalitätsrisiko wirft Fragen auf
In einer kürzlich veröffentlichten Kohortenstudie wurde die Gesamtsterblichkeit von Osteoarthrose-Patienten ein Jahr nach der ersten Tramadol-Verordnung im Vergleich zu anderen häufig eingesetzten Analgetika untersucht. Die dazu verwendeten Patientendaten stammten aus der Datenbank Health Improvement Network (THIN), die Informationen von über 11 Millionen Patienten aus dem Vereinigten Königreich beinhaltet.
Daten von Patienten mit Knie-, Hüft- oder Handarthrose, die zwischen Januar 2000 und Dezember 2015 eine entsprechende Diagnose erhalten hatten und zu diesem Zeitpunkt mindestens 50 Jahre alt waren, gingen in die Studie ein. Es wurden mehrere aufeinanderfolgende Analysen durchgeführt, in denen die Gesamtmortalität bei Patienten, die Tramadol erhalten hatten, und Patienten, die alternativ eines von fünf anderen Schmerzmitteln eingenommen hatten, verglichen wurde.
Vergleich mit fünf Analgetika
Zu diesen gehörten die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) Naproxen und Diclofenac, die Cyclooxygenase-2(COX-2)-Inhibitoren Celecoxib und Etoricoxib sowie der schwach wirksame Opioid-Rezeptoragonist Codein. Für die Analysen wurden den Tramadol-Patienten mithilfe eines Propensity-Score-Matchings Patienten mit ähnlichen Merkmalen zugeordnet, die eines der anderen Schmerzmittel erhalten hatten. Zu den verwendeten Variablen gehörten unter anderem soziodemografische Faktoren wie Alter und Geschlecht, der Body-Mass-Index (BMI), Dauer der Arthrose, Komorbiditäten und Komedikationen. Ausgewertet wurden die Daten von insgesamt 88.902 Patienten (61,2% Frauen) mit einem mittleren Alter von 70,1 Jahren.
Die Einnahme von Tramadol war im Vergleich zu Naproxen mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert (Hazard Ratio [HR] 1,71; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,41 bis 2,07). 278 Todesfällen in der Tramadol-Gruppe standen 164 Todesfälle (23,5 vs. 13,8 pro 1000 Personenjahre) in der Naproxen-Gruppe gegenüber. Die Behandlung mit Tramadol war auch im Vergleich zu Diclofenac (HR 1,88; 95%-KI 1,51 bis 2,35), Celecoxib (HR 1,70; 95%-KI 1,33 bis 2,17) und Etoricoxib (HR 2,04; 95%-KI 1,37 bis 3,03) mit einem höheren Sterblichkeitsrisiko verbunden. Lediglich zwischen Tramadol und Codein (HR 0,94; 95%-KI 0,83 bis 1,05) wurde kein statistisch signifikanter Unterschied gefunden.
Die zugrunde liegenden Mechanismen für die erhöhte Mortalität unter Tramadol sind noch unbekannt. Neben einer Aktivierung der µ-Opioid-Rezeptoren hemmt Tramadol auch die Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahme im zentralen Nervensystem, was zu einem Serotonin-Syndrom oder zu Krämpfen führen kann. Bei Alkoholkonsum oder in Kombination mit zentral wirksamen Beruhigungsmitteln sind schwerwiegende Wechselwirkungen mit tödlichem Ausgang zum Beispiel durch Atemdepression möglich. Tramadol kann zudem das Risiko für Hypoglykämie, Hyponatriämie, Frakturen und Stürze erhöhen.
Die Studienautoren betonen, dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten sind. Trotz des Propensity-Score-Matchings ist eine Verzerrung aufgrund der Indikation möglich. So war die Gruppe der Tramadol-Patienten vor dem Matching-Verfahren insgesamt kränker und stärker durch Komorbiditäten belastet. Um einen möglichen Kausalzusammenhang nachzuweisen, sind weiterführende Studien nötig. |
Quelle
Zeng C et al. Association of tramadol with all-cause mortality among patients with osteoarthritis. JAMA 2019;321(10):969-982
S2k-Leitlinie Gonarthrose. AWMF Registernummer 033-004, Stand 18. Januar 2018
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