Arzneimittel und Therapie

Antipsychotika sinnvoll kombinieren

Patienten mit Schizophrenie können profitieren

Die Behandlung der Schizophrenie mit einem Antipsychotikum ist meist nicht ausreichend, um die Symptome zu kontrollieren. Oft wird zunächst ein Wechsel des Antipsychotikums vorgenommen. Ist dieses Arzneimittel ebenso unzureichend in der Wirkung, werden mehrere Wirkstoffe kombiniert. Bislang gab es jedoch wenig Evidenz für diese Strategie. Zwei Untersuchungen liefern neue Erkenntnisse aus dem Behandlungsalltag.

Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat hierfür die Daten des Gesundheitsfürsorgeprogramms Medicaid aus­gewertet [1]. Bewertet wurde der Krankheitsverlauf von Patienten nach Ansetzen eines weiteren Psychopharmakons (Antiepileptikum, Lithium, Benzodiazepin, Antipsychotikum oder Antidepressivum) zu einer bestehenden Monotherapie mit einem Anti­psychotikum der zweiten Generation. 81.921 Patienten mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis wurden berücksichtigt. Die Auswertung beschränkte sich auf stabil eingestellte Patienten. Daher gingen nur diejenigen Patienten in die Auswertung ein, die mindestens 90 Tage lang mit einer Monotherapie behandelt worden waren. Als Endpunkte wurden stationäre Wiederaufnahmen, Behandlungen in der psychiatrischen Notaufnahme, Selbstverletzungen oder Tod ermittelt.

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Kombinationstherapien werden in den Leitlinien auch bei medikamentöser Behandlungsresistenz der Schizophrenie zurückhaltend bewertet.

Vorteil bei Zusatztherapie mit Antidepressiva ...

Die Auswertung ergab ein geringeres Risiko für eine Rehospitalisierung bei einer Zusatzbehandlung mit Anti­depressiva im Vergleich zu der zusätzlichen Gabe eines weiteren Antipsychotikums (Hazard Ratio [HR] 0,84; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,80 bis 0,88). Unter zusätzlichen Benzodi­azepinen war das Risiko für eine stationäre Wiederaufnahme hingegen erhöht (HR 1,08; 95%-KI 1,02 bis 1,15). In Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse unterschieden sich die Substanzgruppen nicht. Auch hinsichtlich Selbstverletzungen konnte kein Unterschied ermittelt werden. Bedeutsam ist jedoch, dass unter Gabapentin, welches off label verordnet wurde, eine erstaunlich hohe Zahl an Patienten verstarb (45 Todesfälle). Gabapentin sollte bei Patienten mit schizophrenen Spektrumserkrankungen daher nicht eingesetzt werden. Die Sterblichkeit war unter Stimmungsstabilisierern ebenso wie unter Benzodiazepinen generell erhöht. Das Ansetzen eines Antidepressivums war seltener mit Diabetes-Erkrankungen verbunden als die Verordnung eines weiteren Antipsychotikums der zweiten Generation.

... trotzdem ist Vorsicht geboten

Leider wurde in der Studie nicht untersucht, was zu der weiteren Verordnung geführt hatte. So sind in der klinischen Praxis sehr unterschiedliche klinische Zustandsbilder zu vermuten, die das Ansetzen eines Antidepressivums oder eines Benzodiazepins ausgelöst haben könnten. Ohne Angabe des Grundes für eine Verordnung erscheint die vergleichende Analyse zwischen Wirkstoffgruppen damit nicht valide. Auch aufgrund der Tatsache, dass über 40% der Patienten an einer schizoaffektiven Störung erkrankt waren und 30% im Jahr vor Einschluss die Diagnose einer Depression gestellt bekommen hatten, lässt das Ergebnis vermutlich keine Übertragung auf die klinische Praxis für Patienten mit einer paranoiden Schizophrenie zu.

Pointiert könnte man feststellen, dass die Studie nur gezeigt hat, dass Patienten mit Positivsymptomatik oder Manie eher in die Klinik aufgenommen werden als Patienten mit Negativsymptomatik oder Depression – wobei Letztere eher ambulant zu behandeln sind. Insbesondere Antidepressiva können zu einer Exazerbation einer Psychose oder Manie führen und sollten daher bei Patienten mit paranoider Schizophrenie nicht unkritisch eingesetzt werden, auch wenn in der aktuellen Untersuchung eine verminderte Rehospitalisierungsrate ermittelt werden konnte. Aufgrund der in der Studie gezeigten erhöhten Mortalität ist bei Patienten mit schizophrenen Spek­trumserkrankungen bei der Verordnung von Stimmungsstabilisierern wie Lithium in der klinischen Praxis in jedem Fall Vorsicht angezeigt.

Weniger Rückfälle unter Clozapin plus Aripiprazol

Zu einer sehr viel differenzierteren und besser in den klinischen Alltag übertragbaren Schlussfolgerung kam eine andere Arbeitsgruppe, die Daten von 62.250 Patienten mit Schizophrenie in einer finnischen Kohortenstudie untersuchte [2]. Analysiert wurden 29 verschiedene antipsychotisch wirksame Mono- und Kombinationstherapien. Am besten schnitten Patienten ab, die mit Clozapin plus Aripiprazol behandelt worden waren. Sie erlitten unter der Kombinationstherapie deutlich seltener einen Rückfall als unter einer Clozapin-Monotherapie: Die Hazard Ratio für eine Rehospitalisierung lag bei 0,86 (95%-KI 0,79 bis 0,94), bei Patienten mit einer ersten schizo­phrenen Episode sogar nur bei 0,78 (95%-KI 0,63 bis 0,96).

Leitlinien stützen sich bei der Empfehlung, monotherapeutisch zu behandeln, auf die vorliegenden randomisierten klinischen Studien bei akuten Episoden. Die aktuelle Kohortenstudie zeigt nun, dass in der Erhaltungs­therapie im Hinblick auf die Rehospitalisierung für einige Kombinationen ein deutlicher Vorteil besteht und bestimmte Kombinationen damit günstiger für den prognostischen Verlauf der Erkrankungen sind. Zwischen einzelnen Kombinationen fanden die Studienautoren jedoch große Unterschiede, die in die Empfehlungen einfließen sollten. Erklärt werden kann die Überlegenheit einiger Kombinationen durch sehr unterschiedliche Rezeptorprofile und somit synergistische Effekte. Kombinationen mit sehr ähnlichem Rezeptorprofil schneiden eher ungünstig ab. Die Studie liefert damit eine wertvolle Erkenntnis für den klinischen Alltag, welche hoffentlich bald in die Leitlinien Eingang finden wird. |

Quelle

[1] Stroup TS et al. Comparative Effectiveness of Adjunctive Psychotropic Medications in Patients With Schizophrenia. JAMA Psychiatry 2019; doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.4489

[2] Tiihonen J et al. Association of Antipsychotic Polypharmacy vs Monotherapy With Psychiatric Rehospitalization Among Adults With Schizophrenia. JAMA Psychiatry 2019; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2018.4320

Prof. Dr. Martina Hahn,Vitos Klinik Eichberg

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