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Pränataldiagnostik

Einfach frühe Gewissheit?

Bluttests zur Bestimmung von Erbkrankheiten sorgen für Diskussionen

Derzeit wird eine kontroverse Debatte über die nichtinvasive Pränataldiagnostik zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien bei Risikoschwangerschaften geführt. Neben gesellschaftlichen und ethischen Aspekten, die damit impliziert sind, treten auch praktische Fragen auf: Welche Tests werden eingesetzt, was kann bestimmt werden, wie hoch ist die Aussagekraft und wer kommt für die Kosten auf? | Von Petra Jungmayr

Die Entwicklung nichtinvasiver pränataler Testverfahren (NIPT), mit deren Hilfe genetische Erkrankungen des ungeborenen Kindes nachgewiesen werden, basiert auf der Möglichkeit der DNA-Sequenzierung und dem Nachweis freier fetaler DNA im Blut schwangerer Frauen. Die ersten Tests wurden von amerikanischen Firmen entwickelt und seit 2012 sind mehrere nichtinvasive pränatale Diagnostika (NIPD) auch in Deutschland verfügbar. Es gibt Einschränkungen, wann ein Test nicht eingesetzt werden soll (z. B. bei Vorliegen echografischer Abweichungen, bei Trägerinnen einer Mikrodeletion, bei einer mütterlichen Krebserkrankung oder nach Erhalt einer Stammzelltherapie oder Transplantation). Die Tests können ab der zehnten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, das Ergebnis liegt in der Regel nach vier bis sechs Tagen vor. Bei den kommerziellen Diagnostika werden unterschiedliche Verfahren angewendet. Die meisten nichtinvasiven pränatalen Testverfahren basieren auf der Hochdurchsatz-Sequenzierung oder auf der Mikro­array-Technologie. Seit Kurzem werden auch kostengünstigere, auf der Technologie der quantitativen Polymerasekettenreaktion basierende Testsysteme angeboten.

Screeningspektrum erweitert sich

Neben den klassischen Aneuploidie-Analysen für die Chromosomen 13, 18 und 21 ermöglichen die nichtinvasiven pränatalen Testverfahren auch eine Bestimmung der Geschlechtschromosomen. Ferner werden bereits Screenings auf kleinere subchromosomale Aberrationen sowie auf Mikrodeletionen angeboten. Das Spektrum einiger kommerziell erhältlicher Tests ist in Tabelle 1 aufgeführt. Manche kommerzielle Labors bieten bereits eine gesamtgenomische Aneuploidie-Analyse als nichtinvasive pränatale Testung an. Experten raten von einem routinemäßigen Screening aller Chromosomen ab, und die Bestrebungen, die NIPD auf möglichst viele genetische Fragestellungen auszuweiten, sollte kritisch hinterfragt werden [1, 2].

Tab. 1: Leistungsspektrum einiger nichtinvasiver pränataler Diagnostika
Panorama TM-Test
Harmony® Prenatal Test
PraenaTest®
Anbieter
weitere Informationen
MVZ Düsseldorf-Centrum GbR, Düsseldorf
Cenata GmbH, Tübingen
Eurofins LifeCodexx AG, Konstanz
Technologie
Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNPs) von chromosomenspezifischen Abschnitten werden ­amplifiziert und anschließend durch Hochdurchsatz-Sequenzer analysiert
Microarray-Technologie
Echtzeit-PCR random massively parallel sequencing (rMPS), random massively parallel sequencing (rMPS)
bestimmte Parameter
  • Trisomien 13, 18, 21
  • Triploidien
  • geschlechtschromosomale Störungen: XYY-Syndrom, Triple-X-Syndrom, Klinefelter-­Syndrom, Turner-Syndrom 
  • Mikrodeletionen: Di-George-­Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, Deletionssyndrom 1p36, Angelmann-Syndrom, Cri-du-Chat-­Syndrom
  • Trisomien 13, 18, 21
  • geschlechtschromosomale Störungen: XYY-Syndrom, Triple-X-Syndrom, Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom
  • Mikrodeletionen: Di-George-Syndrom
  • Trisomien 13, 18, 21
  • geschlechtschromosomale Störungen: XYY-Syndrom, Triple-X-Syndrom, Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom
  • Mikrodeletionen: Di-George-Syndrom
Kosten
je nach Option 329 bis 479 Euro
je nach Option 249 bis 299 Euro; inklusive Geschlechtsbestimmung
je nach Option 129 bis 299 Euro; inklusive Geschlechtsbestimmung

In der Diskussion: NIPD als anerkannte Screeningmethode auf Trisomie 13, 18 und 21

Bei der jetzigen Diskussion geht es um die Einschätzung einer Untersuchung fetaler DNA im Blut der Schwangeren auf das Vorliegen einer Trisomie 13, 18 und 21. Im Gegensatz zu den bislang praktizierten – und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlten – Verfahren wie der invasiven Chorionzottenbiopsie und Amniozentese handelt es sich um ein nichtinvasives Verfahren; das heißt die Untersuchung selbst geht mit keinen Risiken für die werdende Mutter und das ungeborene Kind einher. Der Test ist als Screeningmethode bei Risikoschwangerschaften vorgesehen und ersetzt keine Diagnostik. Er soll nicht im Rahmen einer Routineuntersuchung oder Reihenuntersuchung eingesetzt werden. Weist der nichtinvasive Test auf das Vorliegen von Aneuploidien hin, erfolgt eine invasive Untersuchung.

Trisomien 13, 18 und 21

Die Trisomien 13 (Pätau-Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) und 21 (Down-Syndrom) gehören zu den autosomalen Aneuploidien. Sie zeichnen sich durch eine numerische Abweichung des normalerweise doppelten Chromosomensatzes aus. Für die Trisomien 13 und 18 geht man von einer Inzidenz von 2,09 respektive 5,67 pro 10.000 Schwangerschaften aus; lebend geborene Kinder haben eine ungünstige Prognose. Für das Down-Syndrom beträgt die Inzidenz 23,88 pro 10.000 Schwangerschaften; die mediane Lebenserwartung liegt bei über 50 Jahren.

Aneuploidien sind bereits pränatal durch die Chromosomenanalyse kindlicher Zellen diagnostizierbar. Dazu können mittels invasiver Verfahren wie der Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie Proben kindlichen Gewebes gewonnen werden. Mütterliche Komplikationen sind selten, die häufigste fetale Komplikation ist die eingriffsbedingte Fehlgeburt mit geschätzten Raten zwischen 0,2 bis 2% [4].

Nichtinvasive Pränataldiagnostik: Der Weg zur Kassenleistung

Derzeit ist die invasive Testung auf Aneuploidien bei Vor­liegen einer Risikoschwangerschaft Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge und wird von den Kassen bezahlt. Die nichtinvasive pränatale Diagnostik wird als individuelle Gesundheitsleistung angeboten. Ausgelöst durch einen Antrag eines Medizinprodukteherstellers und angesichts der bereits vorhandenen Studienlage beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im August 2016, ein Bewertungsverfahren der nichtinvasiven Pränataldiagnostik zur Bestimmung des Risikos von fetaler Trisomie 13, 18 und 21 mittels molekulargenetischer Tests bei Risikoschwangerschaften einzuleiten. Es soll geprüft werden, ob und wie im Vergleich zu den bisherigen Untersuchungen (wie der invasiven Chorion­zottenbiopsie bzw. Amniozentese) ein nichtinvasiver molekulargenetischer Test eingesetzt werden kann. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wertete im Auftrag des G-BA entsprechende Studien zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 mittels eines molekulargenetischen Tests bei Risikoschwangerschaften aus. Am 22. März 2019 gab der Gemeinsame Bundesausschuss eine Stellungnahme ab und wissenschaftliche Fachgesellschaften sind nun aufgefordert, die vorgesehenen Änderungen der Mutterschafts-Richtlinien fachlich zu prüfen. In den Mutterschafts-Richtlinien des G-BA sind die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung angebotenen Leistungen zur ärztlichen Schwangerenbetreuung geregelt. Am 11. April 2019 diskutierte der Bundestag über Pro und Kontra, eine abschließende Entscheidung soll im Spätsommer dieses Jahres fallen, anschließend muss das Bundesgesundheitsministerium darüber befinden [3].

Wird das Spektrum der nichtinvasiven pränatalen Diagnostika ausgeweitet, so wirkt sich das auf die Detektionsrate und die Falsch-positiv-Rate von Erkrankungen und die potenziellen Gefahren bei der derzeitigen klinischen Anwendung aus (nach [1]].

Abschlussbericht des IQWiG

Das IQWiG bewertete die diagnostischen Eigenschaften der nichtinvasiven Pränataldiagnostik zur Entdeckung von Embryonen und Feten mit Trisomie 13, 18 und 21. Die Ergebnisse der molekulargenetischen Tests wurden mit der zytogenetischen Diagnostik nach invasiver Materialgewinnung (durch Amniozentese, Chorionzottenbiopsie oder Chordozentese) sowie mit der klinische Diagnose nach der Geburt betrachtet. Insgesamt wurden 22 Studien ausgewertet. Sensitivität und Spezifität der nichtinvasiven Pränataldiagnostik zur Erkennung der Trisomie 21 liegen bei über 99%. Für die Erkennung der Trisomien 13 und 18 konnten jeweils die Sensitivität und Spezifität nicht robust geschätzt werden, die Sensitivität ist vermutlich geringer (Abb. 1). Das IQWiG kommt – unter der Voraussetzung, dass kein Test versagt – zu folgender Einschätzung: Wenn der Test nur bei schwangeren Frauen mit einem erhöhten Risiko angewendet wird, lässt sich die Zahl invasiver Folgeuntersuchungen und damit das Fehlgeburtsrisiko gegenüber dem Status quo vermutlich reduzieren. Bei diesem Vorgehen wird allerdings weiterhin ein größenmäßig nahezu unveränderter Teil der Feten mit Trisomie 21 nicht erkannt, nämlich bei schwangeren Frauen mit geringerem Risiko. Die Anwendung des Tests bei allen schwangeren Frauen würde fast alle Feten mit Trisomie 21 erkennen. Bei schwangeren Frauen mit geringerem Risiko würden zusätzliche invasive Untersuchungen anfallen, die Gesamtzahl der invasiven Untersuchungen bliebe unter den betrachteten Szenarien unterhalb des Status quo [4]. |

Literatur

[1] Stumm M et al. Sollen die Indikationen für nichtinvasive Pränataltests erweitert werden? Der Gynäkologe 2018;51:24-31

[2] Schmid M et al. Drei Länder – Empfehlung zum Einsatz von Nichtinvasiven pränatalen Tests (NIPT) zur Analyse der zellfreien DNA (cfDNA) im mütterlichen Blut zum Screening auf fetale Chromosomenstörungen in der klinischen Praxis. Ultraschall in Med 2015;36(05):507-510

[3] Methodenbewertung: Nichtinvasive Tests bei Risikoschwangerschaften: G-BA fordert zur Stellungnahme auf. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), 22. März 2019, www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen/789/

[4] Nicht invasive Pränataldiagnostik (NIPD) zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 bei Risikoschwangerschaften. IQWiG-Berichte – Nr. 623. Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Stand 30. April 2018, www.iqwig.de

Informationen zum Harmony®-Test, www.cenata.de/der-harmony-test, Cenata GmbH, Abruf am 24. April 2019

Informationen zum Panorama™-Test, www.panorama-test.de, MVZ Düsseldorf-Centrum GbR, Abruf am 24. April 2019

Informationen zum PraenaTest®, https://lifecodexx.com/, Eurofins LifeCodexx AG, Abruf am 24. April 2019

Autorin

Dr. Petra Jungmayr ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie; Onkologische Pharmazie sowie freie Mitarbeiterin der DAZ.

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