- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 21/2019
- Brandenburg: Kammer ...
Aus den Ländern
Brandenburg: Kammer fordert Rücktritt der ABDA-Spitze
„Diese Spitze ist verbrannt.“
Dobbert berichtete am vergangenen Mittwoch in Potsdam lebhaft von der ABDA-Mitgliederversammlung im Dezember 2018, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Besuch war. Spahn habe die Apotheker dort erpresst. „Spahn hat uns gedroht: Wenn ihr das Rx-Versandverbot durchsetzen wollt, dann habe er keine Energie mehr, das Honorar-Gutachten aus dem BMWi wegzuzaubern. Dann hat er uns Honorar-Verbesserungen versprochen und gesagt, er werde die Gleichpreisigkeit anders durchsetzen, wenn wir vom Verbot runterkommen“, so Dobbert.
Nach dieser Mitgliederversammlung traten ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und Spahn vor die Kameras. Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert erinnert sich sehr gut an den Auftritt des ABDA-Präsidenten und erklärte damit auch seinen Verdacht, dass zwischen der ABDA-Spitze und Spahn ein „Deal“ ausgehandelt worden sei: „In der Tagesschau am Abend hatte man das Gefühl, dass der Präsident dem Paket bereits zugestimmt hat. Das Selbstbewusstsein des Friedemann Schmidt, das in der Rede beim Deutschen Apothekertag noch da war, war wie verschwunden.“
Dobbert: Ich will keine Zustände wie bei Tankstellen
Aber was fordert Dobbert? So wie vielen anderen Kammer- und Verbandschefs geht es auch Dobbert um den Erhalt der Gleichpreisigkeit. Der Kammerpräsident sprach sich mehrfach vehement für den Erhalt der „alten“ Rx-Preisbindung im Arzneimittelgesetz aus. Dobbert ist sich sicher: „Wenn der Satz aus dem AMG gestrichen wird, dann werden wir die Arzneimittelpreisverordnung nicht mehr lange halten.“ Dobbert warnte in diesem Zusammenhang vor den folgenden Szenarien: „Das wird dann irgendwann ablaufen wie bei Tankstellen: Zum Wochenende gehen die Preise hoch. Ich möchte nicht den alten Opa vor mir haben, der mich fragt: Bedienen Sie auch noch GKV-Patienten?“
Aus Dobberts Sicht können auch die vom BMG geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen keine Entschädigung zur Streichung der Rx-Preisbindung aus dem AMG darstellen. Er berichtete vom Werkstattgespräch der Bundesapothekerkammer. „Wir haben dort ausgerechnet, dass wir für die von uns definierten drei Leistungsblöcke eine Vergütung von 880 Millionen Euro zur Kostendeckung bräuchten. Was sollen wir mit 120 Millionen Euro?“ In diesem Zusammenhang erhob Dobbert auch schwere Vorwürfe gegen DAV-Chef Fritz Becker. „Warum gibt er sich mit 250 Millionen Euro zufrieden?“
„Wir brauchen eine neue ABDA-Führung
Ein weiterer Moment, in dem Dobberts Verdacht sich erhärtete, war die Diskussion um die Stellungnahme der ABDA zum geplanten Apotheken-Stärkungsgesetz. Der Kammerpräsident berichtete von einer Telefonkonferenz aller 34 Kammer- und Verbandschefs, bei der es um die Gefahren einer wegfallenden Rx-Preisbindung für PKV-Versicherte ging. „Friedemann Schmidt bezeichnete den Effekt als ‚marginal‘. Ich finde nicht, dass 80 Millionen Packungen im Jahr ‚marginal‘ sind“, so Dobbert. „Wir hatten wirklich Sorge, dass die ABDA in die Stellungnahme Formulierungen schreibt, die dem Berufsstand schaden könnten.“ Deswegen hätten sich schnell 17 Kammern und Verbände zusammengetan, um eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu fordern.
Immer wieder erinnerte Dobbert auch an die Beschlusslage der ABDA-Mitgliederversammlung: Im Januar hatten die Apotheker als Reaktion auf das erste Eckpunkte-Papier aus dem BMG beschlossen, zum Rx-Versandverbot zurückzukehren, sollten die geplanten Maßnahmen nicht dazu dienen, die Gleichpreisigkeit wiederherzustellen. „Die ABDA-Spitze hat aber den Eindruck hinterlassen, dass man sich nicht daran hält.“ Und so kam Dobbert zu seiner Kernforderung: „Wir brauchen einen ABDA-Präsidenten, der nicht immer nur eine brillante Rede hält und dann abtaucht. Wir brauchen auch keinen ABDA-Vizepräsidenten, der sich selbst als Medien-Experten bezeichnet und dann sagt, dass der AMG-Satz zur Gleichpreisigkeit keinen Nachrichtenwert habe. Und wir brauchen auch keinen DAV-Chef, der die pharmazeutischen Dienstleistungen als dritte Schiene unserer Vergütung sieht. In der Standespolitik war es früher so, dass Struktur immer vor dem Geld kam, heute ist es offenbar genau andersherum. Diese Spitze ist verbrannt, sie ist nicht mehr tragbar, wir brauchen eine neue ABDA-Führung.“
Eine Gegenstimme gegen den Rücktritt der ABDA-Spitze
In der nachfolgenden Diskussion erntete Dobbert viel Lob für seine Aussagen. Die Delegierten der Kammerversammlung beschäftigten sich mit der Frage, wer der jetzigen ABDA-Spitze nachfolgen könnte. Dobbert dazu: „Eigentlich wäre jeder andere besser.“ Eine eigene Kandidatur brachte er aber nicht ins Spiel. Der Kammerpräsident erinnerte auch an das formale Vorgehen, das dazu nötig wäre: Mindestens fünf Mitgliedsorganisationen müssten den Rücktritt beantragen, die ABDA-Mitgliederversammlung müsste den Antrag dann mehrheitlich beschließen. Dobbert selbst bezweifelte, dass sich dafür eine Mehrheit finden werde. Ein Apotheker kritisierte den Vorstoß: Er verwies darauf, dass man vernünftige Alternativen brauche, bevor man den Kopf der eigenen Standesvertretung absägt. Spontan entschlossen sich die 39 anwesenden Delegierten dann, eine Abstimmung über den Rücktritt der ABDA-Spitze durchzuführen. Dobbert konkretisierte, dass es ihm um den Rücktritt von Friedemann Schmidt, seinem Vize Mathias Arnold und DAV-Chef Fritz Becker geht. 38 Delegierte stimmten dafür, einer dagegen. Enthaltungen gab es keine.
Wechselbad der Gefühle beim Pharmazie-Studiengang
Schon seit Jahren kämpfen Brandenburgs Apotheker für einen eigenen Pharmazie-Studiengang im Land. Bislang ist Brandenburg das einzige Flächenland ohne eine solche Studienmöglichkeit. Die Apothekerkammer hat dazu zahlreiche Gespräche mit allen Parteien geführt – auch mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September dieses Jahres.
Bei der gestrigen Kammerversammlung ging Präsident Jens Dobbert mit der derzeitigen Landesregierung hart ins Gericht und kritisierte SPD und Linke für ihr Vorgehen bei dem Thema. Dobbert erklärte, er habe mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zwar ein Gespräch geführt darüber. „Aber bis heute gibt es von der SPD kein klares Signal dazu. Vielmehr hat Herr Woidke den Ärzten klare Signale gegeben und Stipendien sowie einen neuen Medizin-Studiengang im Land versprochen.“
Noch unerfreulicher seien die Gespräche mit den Linken gewesen. Dobbert erinnerte daran, dass es im Herbst vergangenen Jahres kurzzeitig Hoffnung gab: Nach einem Gespräch mit Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) berichtete Dobbert damals, dass man im Wissenschaftsministerium bereit sei, einen neuen Pharmazie-Standort für die Brandenburgische Technische Uni Cottbus (BTU) zu unterstützen. Nur kurz darauf gab es jedoch eine klare Absage aus dem Finanzministerium: Dobbert erklärte gegenüber der DAZ, dass damals Christian Görke (Linke) die Kosten dafür aus dem Haushaltsentwurf gestrichen habe. Am gestrigen Mittwoch berichtete Dobbert, dass er noch im Mai einen Gesprächstermin mit dem Linken-Politiker dazu hat.
Auf Gehör ist die Apothekerkammer Brandenburg zwischenzeitlich bei der CDU gestoßen: Die Partei verspricht – im Falle einer Regierungsbeteiligung – einen Pharmazie-Standort in Cottbus aufzubauen, und will noch mehr dafür tun, dass Apotheker im Land bleiben. Und die CDU steht in den Umfragen recht stabil da: Bei der Landtagswahl erhielt die Partei von Spitzenkandidat Ingo Senftleben 2014 23 Prozent der Wählerstimmen, bei der letzten Umfrage kam die CDU auf 20 Prozent. Da aber auch die Linke derzeit leichte Einbußen verkraften muss, ist eine Fortführung der rot-roten Koalition gerade unwahrscheinlich.
Für die Apotheker könne sich also eine neue Chance ergeben, das seit Jahren wichtigste Thema der Brandenburger Standespolitik zu realisieren: ein eigener Pharmazie-Studiengang in Brandenburg. Die Kammer befürchtet, dass die sinkende Apothekenzahl in Brandenburg zu besonders großen Versorgungslücken führen könnte. Denn Brandenburger Schüler müssen in ein anderes Bundesland gehen, um dort Apotheker zu werden. Ob sie dann in ihre Heimat zurückkehren, ist unklar. Mit einem eigenen Studiengang könne ein „Klebeeffekt“ im Land geschaffen werden, so die Hoffnung der Kammer. Auch für die vielen unbesetzten Angestellten-Stellen könnten so vielleicht leichter Apotheker gefunden werden. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.