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Arzneimittel und Therapie
Warten auf die Malaria-Impfung
Bewährungsprobe für zwei Kandidaten
Eigentlich hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ziel angepeilt, die Zahl der Malaria-Krankheits- und -Todesfälle bis zum Jahr 2020 um 40% zu reduzieren. Doch daraus wird wohl nichts. Für 2017 wurden ca. 423.000 Tote und 219 Millionen Erkrankte erfasst, was gegenüber 239 Millionen Malaria-Fällen im Jahr 2010 zwar ein leichter Rückgang ist, verglichen mit den 217 Millionen Erkrankten im Jahr 2016 allerdings bestenfalls eine Stagnation darstellt. Ungefähr 90% der Fälle treten in der Sub-Sahara-Region auf und betreffen überwiegend Kleinkinder.
Verantwortlich für die Malaria sind Einzeller der Gattung Plasmodium und hier vor allem Plasmodium (P.) falciparum, die durch Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen werden. Viele unterschiedliche Maßnahmen – von Moskitonetzen zur Prävention bis hin zu verschiedenen Therapieansätzen – werden seit Jahren propagiert und mit viel Geld subventioniert. Ebenso wird seit vielen Jahren intensiv an Impfstoffen gegen den Malaria-Erreger geforscht. Allerdings ist das nicht ganz trivial: Obwohl die Plasmodien einfache Einzeller sind, haben sie einen komplexen Lebenszyklus, der aus der Anpassung an zwei sehr unterschiedliche Wirtsorganismen – die Anopheles-Mücke und den Menschen – entstanden ist (s. Abbildung 1).
Während dieses Lebenszyklus schöpfen die Parasiten ihr Repertoire aus mehr als 5400 Genen aus und verändern immer wieder ihre Proteinexpression und damit auch die Oberflächenstrukturen – also die präsentierten Antigene. Das bedeutet, dass sich das menschliche Immunsystem während einer Infektion mit P. falciparum immer wieder auf scheinbar neue Parasiten einstellen muss, obwohl sie alle nur unterschiedliche „Gesichter“ desselben Pathogens sind. Hinzu kommt, dass das Immunsystem mit unterschiedlichen Waffen gegen Plasmodien kämpfen muss – je nach Stadium im Lebenszyklus. Antikörper sollen vor allem die extrazellulären Sporozoiten und Merozoiten attackieren, während T-Zellen den Kampf gegen die infizierten Zellen aufnehmen. Die große Frage ist also: Welcher Impfstoff könnte einen möglichst umfassenden Schutz induzieren?
Zwei interessante Kandidaten
Das Naheliegendste für die Entwicklung einer Malaria-Vakzine ist, sich an der Palette der bisher verfügbaren Impfstoffe zu orientieren. Typische Impfstoffe, die hierzulande gegen Masern, Mumps oder Diphtherie und Tetanus eingesetzt werden, sind entweder Lebend- oder Totvakzine. Sie bestehen beispielsweise aus attenuierten bzw. inaktivierten Viren oder aufgereinigten Proteinen. Lebendattenuierte Pathogene induzieren vor allem eine Immunantwort über T-Zellen, während inaktivierte Partikel, Spaltvakzine oder gereinigte Oberflächenproteine präferenziell eine Antikörperantwort hervorrufen. Im Laufe der Forschung zu Malaria-Impfstoffen wurde bereits das komplette Repertoire ausgeschöpft: Mehr als 20 verschiedene Konstrukte werden in klinischen Studien oder fortgeschrittenen präklinischen Studien getestet. Sogar Kombinationen aus gereinigten Proteinen und DNA-Vakzinen wurden ausprobiert. Die derzeit vielversprechendsten Impfstoffe sind RTS,S und PfSPZ.
„Doppelt-Impstoff“ RTS,S: großes Pilotprojekt gestartet
RTS,S ist ein etwas ungewöhnlicher, rekombinant hergestellter Impfstoff: Die Subunit-Vakzine enthält ein artifizielles Fusionsprotein aus einem Teil des Circumsporozoiten-Proteins (CSP) des Malaria-Erregers P. falciparum und dem S-Antigen des Hepatitis‑B-Virus (HBsAg). Dabei wurde nicht das komplette Oberflächenprotein des Sporozoiten verwendet, sondern nur ausgewählte Bereiche: Das repetitive immundominante B-Zell-Epitop der zentralen Region (dafür steht das Kürzel ‚R’ im Impfstoffnamen) und das T-Zell-Epitop der C-terminalen Region (T) wurden mit dem Protein des Hepatitis-B-Virus (S) verknüpft und in Saccharomyces cerevisiae (S) exprimiert. Zusammen mit nicht-fusionierten HBsAg-Proteinen können daraus Virus-ähnliche Partikel für die Verimpfung hergestellt werden (Abbildung 2).
Bei RTS,S handelt es sich also um einen clever konstruierten Subunit-Impfstoff, der gleichzeitig auch gegen Hepatitis B schützen soll. Die Kombination von Monophosphoryl-Lipid-A mit dem gramnegativen Bakterium Salmonella minnesota und dem Saponin QS21 aus dem Seifenbaum Quillaja saponaria dient als Adjuvans und soll die Reaktion des Immunsystems auf das Antigen verstärken. Formuliert wird der Impfstoff als Zwei-Vial-System, wobei RTS,S als Pulver und die Adjuvanzien als Suspension vorliegen und bei 2 bis 8 °C gelagert werden sollen. Als Immunantwort resultieren vor allem Antikörper, aber auch CD4+-T-Helferzellen werden spezifisch aktiviert.
In einer Studie mit insgesamt mehr als 12.000 Kindern in sieben verschiedenen Ländern Afrikas konnte die Zahl der innerhalb eines Jahres an Malaria Erkrankten um 24% bzw. 43% reduziert werden, je nachdem, ob die Kinder ihre erste Impfung mit sechs bis zwölf Wochen oder mit fünf bis 17 Monaten erhalten hatten. Aufgrund dieser Daten hat die europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine positive Empfehlung für diesen Impfstoff unter dem Handelsnamen Mosquirix® zur Nutzung in Ländern, wo die durch P. falciparum verursachte Malaria vorkommt, ausgesprochen.
Geimpft werden sollen Kinder im Alter von sechs Wochen bis 17 Monaten, wobei dreimal im Abstand von jeweils einem Monat 0,5 ml Suspension intramuskulär verabreicht werden. Eine vierte Injektion erfolgt 18 Monate nach der dritten Impfung.
Um die Wirksamkeit des Impfstoffes weiter zu testen, startet nun mit einer kleinen Verspätung das große Pilotprojekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO), bei dem der Impfstoff in Ghana, Kenia und Malawi bei jährlich 360.000 Kindern im Alter von fünf bis 17 Monaten angewendet werden soll. Der Impfschutz ist zwar insgesamt suboptimal, aber möglicherweise zeigt sich in diesem Pilotprojekt dennoch ein deutlicher Nutzen. Denn vielleicht reicht der ca. 40%ige Impfschutz bei den Kindern bereits aus, um die Zahl der Malariafälle deutlich zu reduzieren.
Lebendvakzine PfSPZ
Zumindest in den präklinischen und klinischen Phase-1-Studien zeigte sich mit einem ganz anderen Impfstoff ein bis zu 100%iger Schutz: PfSPZ – das Kürzel steht für Plasmodium-falciparum-Sporozoiten. Im Gegensatz zum Subunit-Impfstoff RTS,S, der vor allem eine Antikörperantwort gegen Sporozoiten induziert, werden dabei komplette, lebend-attenuierte Sporozoiten verimpft. Als Lebendimpfstoff könnte PfSPZ vor allem CD8+-T-Zellen aktivieren, die dann infizierte Körperzellen eliminieren. Die Firma Sanaria Inc. in Rockville (Maryland, USA) ist darauf spezialisiert, entsprechende Sporozoiten in Anopheles-Mücken zu züchten und aus den Speicheldrüsen der Insekten zu isolieren – zum Teil in Handarbeit, zum Teil mit einem selbst entwickelten Roboter. In verschiedenen Ansätzen, die von unterschiedlichen Arbeitsgruppen verfolgt werden, wurden die erhaltenen Sporozoiten entweder durch Bestrahlung, durch gentechnische Veränderung oder durch die gleichzeitige Verabreichung von Chloroquin bzw. anderen Anti-Malaria-Mitteln attenuiert. Ziel ist dabei, die geimpften Personen über einen längeren Zeitraum mit dem Antigen zu exponieren, allerdings ohne dadurch die Erkrankung auszulösen. Während die Arbeitsgruppe um Peter G. Kremsner in Tübingen auf die Co-Applikation von infektiösen Sporozoiten mit Chloroquin setzt, startet Sanaria Inc. im kommenden Jahr mit den durch Bestrahlung attenuierten Sporozoiten auf der Insel Bioko eine Studie an 2100 Bewohnern im Alter von zwei bis 50 Jahren. Bei der Applikation lebender, vollinfektiöser Sporozoiten sind – wie es die Tübinger Forscher propagieren – nur ca. 50.000 Parasiten pro Impfdosis nötig. Von den durch Bestrahlung attenuierten Erregern muss hingegen die 100-fache Zahl eingesetzt werden. Bei der chemischen Attenuierung ist jedoch auch die Einhaltung der richtigen Co-Medikation mit Chloroquin extrem wichtig, um nicht durch die Impfung selbst die Malaria auszulösen: Das Chloroquin muss bereits zwei Tage vor der ersten Impfdosis, anschließend wöchentlich einmal während der acht Wochen dauernden Immunisierung mit drei Dosen Sporozoiten im Abstand von 28 Tagen und schließlich noch einmal fünf Tage nach der letzten Impfung eingenommen werden. Inwieweit das in allen von Malaria befallenen Ländern so einfach möglich ist, ist fraglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sporozoiten kryokonserviert sind und auf flüssigem Stickstoff gehalten werden müssen, bevor sie intravenös verabreicht werden – eine intramuskuläre Applikation liefert keinen ausreichenden Impfschutz.
Was funktioniert in der Praxis?
Die beiden Impfstoffe zeigen sehr deutlich die Widrigkeiten der verschiedenen Verfahren: Welches Immunisierungsschema ist in den Malaria-Endemiegebieten einfacher umzusetzen? Welcher Impfstoff liefert in der natürlichen Umgebung das bessere Ergebnis? Und schließlich noch: Was kostet eine Impfdosis, und lassen sich tatsächlich aus den Speicheldrüsen von Anopheles-Mücken genügend Plasmodien isolieren, um alle, potenziell von Malaria bedrohten Menschen zu immunisieren?
Mittlerweile wird intensiv an Weiterentwicklungen des Impfstoffes RTS,S mit leicht veränderten Antigenen und anderen Adjuvanzien sowie an Insektenzellkulturen zur Herstellung ausreichender Mengen lebender Sporozoiten gearbeitet. Und es stehen auch recht potente Antikörper zur passiven Immunisierung in den Startlöchern zu klinischen Studien – allerdings bieten sie nur ca. sechs Monate Schutz und sind eher für Touristen oder kurzzeitige medizinische und militärische Einsatzkräfte geeignet.
Für die am stärksten Betroffenen sind die Ergebnisse der beiden Projekte sehr spannend. Auf jeden Fall lernen die Wissenschaftler mit jedem neuen Malaria-Impfstoff und mit jeder Impfstudie mehr über die Interaktion zwischen Parasit und Immunsystem des Menschen. Um das Ziel der WHO zu erreichen, die Malaria bis 2030 in mindestens 35 Ländern der Erde zu eliminieren und die Anzahl der Malaria-Erkrankungen und -Todesfälle um mindestens 90% zu reduzieren, muss noch einiges getan werden. Der anvisierte Meilenstein, nämlich die 40%ige Reduktion der Malaria-Fälle und -Toten bis 2020, wird aber sicherlich verfehlt. |
Literatur
Neuer Impfstoff gegen Malaria wird getestet. Gespräch mit Sarah Weiss, SWR Wissen Aktuell vom 18. April 2019. www.swr.de; Abruf am 30. April 2019
Butler D. Promising malaria vaccine to be tested in first large field trial. doi:10.1038/d41586-019-01232-4. www.nature.com; Abruf am 30. April 2019
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Cockburn IA, Seder RA. Malaria prevention: from immunological concepts to effective vaccines and protective antibodies. Nat Immunol 2018;19(11):1199-1211
Hoffman SL et al. Development of a metabolically active, non-replicating sporozoite vaccine to prevent Plasmodium falciparum malaria. Hum Vaccin 2010;6(1):97-106
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Mordmüller B et al. Sterile protection against human malaria by chemoattenuated PfSPZ vaccine. Nature 2017;542(7642):445-449
Mosquirix – plasmodium falciparum and hepatitis B vaccine (recombinant, adjuvanted). EPAR summary for the public. EMA/518713/2015 EMEA/H/W/002300. www.ema.europa.eu; Abruf am 30. April 2019
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