Foto: Marc Hugger

Kongresse

Von Plausi-Check bis Taxation

DAV-Rezepturgipfel in Essen

ESSEN (daz) | Am 26. Juni 2019 fand in Essen der dritte Rezepturgipfel des Deutschen Apotheker Verlags (DAV) statt. Rund 450 Teilnehmer freuten sich über interessante Vorträge, aufschlussreiche Gespräche mit Industrieherstellern und viele neue Informationen rund um das Thema Rezeptur.

Das Interesse seitens der Teilnehmer war groß, der Hörsaal im Haus der Technik in Essen voll besetzt.

Gewusst wie

Den Auftakt der Veranstaltung machte Dr. Andreas Ziegler mit seinem Vortrag zum Thema „Dronabinol: spannender Wirkstoff – anspruchsvolle Verarbeitung“. In der Tat ist die Herstellung von Dronabinol-Rezepturen in der Apotheke auf den ersten Blick schwierig und birgt Fehlerquellen, die mit dem nötigen Wissen über die Eigenschaften und die Handhabung des harzartigen Wirkstoffs und etwas Übung jedoch leicht vermieden werden können. So erklärte Ziegler anschaulich, was man bei der Herstellung von Dronabinol-Tropfen und -Kapseln beachten muss, um eine Zersetzung des licht- und oxidationsempfindlichen Stoffes zu verhindern. Bei den Tropfen müsse unbedingt darauf geachtet werden, dass, je nach Wahl der Dosierhilfe, eine Kalibrierung in der Apotheke notwendig sei. Während Dosierpumpen eine definierte und reproduzierbare Tropfengröße abgäben, müsse bei Senkrechttropfern die Dronabinoldosis pro Tropfen ermittelt werden. Diese könne aus der aus fünf Wägungen ermittelten durchschnittlichen Tropfenzahl für 1 g mittelkettige Triglyceride berechnet werden. Auch zur Kapselherstellung hatte Ziegler viele hilfreiche Tipps parat. Er wies darauf hin, dass zur Kompensation herstellungsbedingter Verluste für den Ansatz der wirkstoffhaltigen Schmelze häufig ein Überschuss erforderlich sei. Einen Dronabinol-Mehrverbrauch bis zu 10% könne man bei der BtM-Dokumentation als herstellungstechnisch notwendig begründen. Für die Endproduktkontrolle, also die Prüfung auf Masseeinheitlichkeit sowie die Prüfung auf Masserichtigkeit der Kapseln, empfahl Ziegler die NRF-Rechenhilfen für Kapselprüfungen.

Fotos: Marc Hugger
Die Referenten des Rezepturgipfels: Dr. Andreas Ziegler, Heike Warmers, Duc Son Nguyen, Martina Schiffter-Weinle und Franziska Scharpf (v. l.).

Retaxationen vermeiden

Wie ärgerlich ist es, wenn man eine Rezeptur herstellt, das Rezept richtig bedruckt und zur Abrechnung schickt – und es dann auf Null retaxiert wird, etwa weil der Arzt auf dem Rezept keine Gebrauchsanweisung angegeben hat. Fehler bei der Verordnung von Rezepturen sind keine Seltenheit. Deshalb solle die Apotheke Verschreibungen immer genau prüfen. Auf welche Rezeptformalien man dabei achten muss, erläuterte Heike Warmers in ihrem Vortrag zur Rezeptur-Taxation. Glücklicherweise, so fügte sie hinzu, gebe es für die Apotheke zahlreiche Heilungsmöglichkeiten. So könne man fehlerhafte oder unleserliche Angaben, wie die Bezeichnung des Fertigarzneimittels oder des Wirkstoffs, die Wirkstärke und bei Rezepturen die Zusammensetzung nach Art und Menge sowie die Gebrauchsanweisung selbst korrigieren. Voraussetzung sei, dass ein erkennbarer Irrtum vorliegt und Rücksprache mit dem Arzt gehalten wurde. Auch das Datum der Rezeptausstellung dürfe, z. B. bei einem offensichtlich erkennbaren Zahlen­dreher, berichtigt werden – das Um­datieren eines abgelaufenen Rezeptes sei dabei jedoch nicht erlaubt. Um eine Retaxation zu vermeiden, müssen alle Ergänzungen oder Korrekturen unbedingt mit Datum und Unterschrift versehen werden, fügte Warmers hinzu. Zudem erläuterte sie die Preisberechnung von Rezepturarzneimitteln und gab Tipps, wie man mit Anbrüchen der für die Herstellung einer Rezeptur benötigten Fertigarzneimittel umgehen solle. Bei selten benötigten Arzneimitteln sei es beispielsweise erlaubt, die Kosten der ganzen Packung zu berechnen, selbst wenn sie nicht vollständig verbraucht wurde. Der Anbruch müsse dann mit entsprechender Dokumentation bis zum Verfallsdatum aufbewahrt werden. Sollte es zu Folgerezepturen kommen, seien diese nur anteilig zu berechnen.

Fotos: Marc Hugger

Wärmeentwicklung in automatischen Rührsystemen

In automatischen Rührsystemen kommt es aufgrund der mechanischen Scherung beim Rühren der Grundlage zur Wärmeentwicklung. Beim Abkühlen der Rezeptur bestünde die Gefahr von Rekristallisationserscheinungen wie dem „Peelingeffekt“ oder einer Clusterbildung des Wirkstoffs, erklärte Duc Son Nguyen, der im Rahmen seiner Doktorarbeit die Qualität und Stabilität von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln genauer untersucht. Problematisch seien auch thermolabile Wirkstoffe, die sich bei der Verarbeitung im automatischen Rührsystem möglicherweise zersetzen. Nguyen nahm in seinem Vortrag die ver­schiedenen Einflussfaktoren auf die Wärmeentwicklung genauer unter die Lupe. Den größten Rührsystem-bedingten Einfluss habe seiner Erkenntnis nach die Rührgeschwindigkeit. Doch auch rezepturbedingte Einflussfaktoren wie die Viskosität der Grundlage und die Art und Menge des eingesetzten Feststoffes hätten einen entscheidenden Einfluss auf die resultierende Herstelltemperatur im Rührsystem. Höherviskose Zubereitungen seien zwar grundsätzlich stabiler und würden beispielsweise die Stabilität von Suspensionen begünstigen, bei der Herstellung in einem Rührsystem könne die hohe Krafteinwirkung, die zur Überwindung der „inneren Reibung“ aufgebracht werden müsse, jedoch zu einer starken Wärmeentwicklung und so zur dauerhaften Destabilisierung der Grundlage führen. Ebenso könne sich ein hoher Wirk- bzw. Feststoffanteil auf die Wärmeentwicklung in einem Topitec®- oder Unguator®-System auswirken. Nguyens Fazit: In der Apotheke solle man sich streng an die vorhandenen NRF-Vorschriften oder Herstellerempfehlungen halten. Stünden keine zur Verfügung, wäre es ratsam, die Rührgeschwindigkeit zu verringern und stattdessen die Rührdauer zu verlängern sowie Rezepturkonzentrate zu verwenden. Bei der Herstellung von Rezepturen mit thermolabilen Wirkstoffen könne man die Ausgangstemperatur optimieren, indem man die Grundlage beispielsweise vor der Verarbeitung eine halbe Stunde im Kühlschrank vorkühlt und die Herstellung zwischendurch pausiert, um ein Abkühlen der Rezeptur zu ermöglichen.

Herstellung von Kinderrezepturen

Kinder stellen ihre Eltern und auch die verschreibenden Ärzte vor besondere Herausforderungen. Die Apotheke kann für diese Probleme maßgeschnei­derte Lösungen anbieten, sei es in Form individuell hergestellter Kapseln, Lollipops, Schmelz- oder Lutschtabletten, Gummibärchen, Brause­pulver oder flüssiger Zubereitungen. Apothekerin Franziska Scharpf erläuterte in ihrem Vortrag, worauf bei der Auswahl der Hilfsstoffe und Darreichungsformen von Kinderrezepturen geachtet werden sollte, welche Grundlagen, Materialien und Verpackungen sich für die verschiedenen Darreichungsformen eignen und wie Geschmacksanpassungen und benutzerfreundliche Applikationshilfen die Patientencompliance verbessern können. Interessant war dabei auch der Blick über den Tellerrand, nämlich auf Kinderrezepturen, die im Ausland standardmäßig hergestellt werden.

Rezepturgipfel-Gewinner

Folgende Teilnehmerinnen des Rezepturgipfels haben für das Ausfüllen des Evaluationsbogens jeweils ein Buch „Plausibilitäts-Check Rezeptur“ gewonnen:

  • Elisabeth Urban, Neuss
  • Tanja Dittmann, Lichtenstein
  • Dorothea Bergmaier, Hambuch
  • Sibylle Roth, Einhausen
  • Damaris Bertsche, Hattingen

Problemrezepturen erkennen

Bei der Herstellung von Rezepturen können viele Fehlerquellen auftreten, seien es Wäge- oder Rechenfehler, ein falscher Geräteeinsatz oder Etikettenfehler. Nicht-standardisierte Rezepturen bergen zudem die Gefahr, dass möglicherweise bedenkliche Wirk- und Hilfsstoffe verschrieben wurden, Kompatibilitätsprobleme oder Konservierungs- und Verfahrensfehler auftreten oder eine Rezeptur aus einem Fertigarzneimittel hergestellt werden soll, zu dem es keine Stabilitätsdaten gibt. Dr. Andreas Ziegler führte die Teilnehmer in seinem abschließenden Vortrag durch den Dschungel der Rezepturprobleme, veranschaulichte sie mit eindrucksvollen Bildern aus der Praxis und offerierte praktikable Lösungsvorschläge. Zudem wies er darauf hin, dass auch PTA ihre Fähigkeiten bei der Datenerhebung einbringen können. Allein die abschließende Bewertung müsse dem Apotheker überlassen bleiben.

Fotos: Marc Hugger

Erfahrungsaustausch mit Industrieausstellern

In den Pausen nutzten die Teilnehmer ihre Chance, mit den Ausstellern Audor Pharma, Bionorica ethics, Caelo, Euro-OTC-Pharma, Fagron, InfectoPharm und Pädia sowie Mettler-Toledo, Wepa und dem Deutschen Apotheker Verlag ins Gespräch zu kommen und sich über deren Produkte zu informieren. Die Nachfrage war überragend und so konnte am Ende des Tages jeder mit neuen Anregungen für die eigene Rezepturpraxis nach Hause gehen. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.