Arzneimittel und Therapie

Adjuvante Chemotherapie bei Brustkrebs: ja oder nein?

G-BA spricht sich für Kostenübernahme eines Multigentests aus

Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat unlängst die Kostenübernahme eines Genexpressionstests befürwortet, der in bestimmten ­Fällen die Entscheidung für oder ­gegen eine Chemotherapie bei adjuvanten Brustkrebserkrankungen erleichtern soll. Anlass für uns, der Frage nachzugehen, wann die Bestimmung genomischer Signaturen sinnvoll ist und welche Tests kommerziell verfügbar sind.
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Multigentests können die Therapieentscheidung erleichtern.

Nach erfolgter adjuvanter Therapie wird das Rückfallrisiko bei Brustkrebspatientinnen unter anderem durch die Tumorbiologie bestimmt. Finden sich Faktoren, die für eine hohe Rezidivwahrscheinlichkeit sprechen, wird in der Regel eine Chemotherapie durchgeführt, bei einem geringen Risiko kann darauf verzichtet werden. Nun gibt es Grenzfälle – und das sind jährlich rund 20.000 von 70.000 Neuerkrankungen –, bei denen keine klare Einschätzung vorgenommen werden kann. In diesen Fällen können Genexpressionsanalysen die Entscheidung erleichtern und Unter-, Über- und Fehlbehandlungen minimieren. Die Genexpressionsanalyse (weitere Bezeichnungen sind Multi­genassay, Multigentest, Genexpressionstest, genomische Signatur, Biomarker-basierter Test) ist ein relativ neues Instrument in der Diagnostik, das zur Ergänzung klinisch-pathologischer Prognosefaktoren herangezogen werden kann. Ihr Anwendungsgebiet liegt vor allem in der Risikogruppeneinteilung bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer sowie nodalnegativer Erkrankung und grenzwertiger Indikation für eine adjuvante oder eine neoadjuvante Chemotherapie.

Prädiktive Faktoren

Prädiktive Faktoren erlauben die Abschätzung der Wirksamkeit einer bestimmten Behandlungsart. Prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom sind z. B. der Menopausenstatus (für den Einsatz einer antihormonellen Therapie), der Hormonrezeptorstatus (zur Vorhersage der Wirksamkeit einer endokrinen Therapie) und der HER2-Status (zur Indikation einer anti-HER2-Therapie).

Prognoseeinschätzung durch genomische Signaturen

Zu den Genexpressionsanalysen mit prognostischem Wert für das Rückfallrisiko zählen unter anderem EndoPredict®, MammaPrint®, Oncotype DX® und Prosigna® (s. Tab). Mit ihrer Hilfe kann die Aktivität verschiedener Gene in Tumorzellen bestimmt werden. Daraus wird der Recurrence Score errechnet, der das Rezidivrisiko einschätzt. Multigentests ergänzen das Instrumentarium der klassischen Pathologie, ersetzen dieses aber keineswegs. Sie sollten nur eingesetzt werden, wenn die zur Verfügung stehenden klinischen und immunhistochemischen Parameter keine Risikoeinteilung erlauben. Ist dies der Fall, sprechen sich sowohl die AGO-(Arbeits­gemeinschaft gynäkologische Onkologie)Leitlinie als auch die S3-Leitlinie zum Mammakarzinom für den Einsatz eines Multigentests aus. Zahl und Auswahl der untersuchten Gene sind in allen Tests unterschiedlich. Das macht einen direkten Vergleich der Verfahren schwierig. Bei Indikation zur Durchführung einer Genexpressionsanalyse sollte nur ein Test eingesetzt werden, um divergierende Ergebnisse zu vermeiden. Die Kosten liegen derzeit zwischen 1800 und 3200 €.

Prognostische Faktoren

Prognostische Faktoren korrelieren mit dem krankheitsfreien Überleben oder Gesamtüberleben einer Patientin, wenn diese keine weitere Therapie erhalten würde. Zu den routinemäßig bestimmten prognostischen Faktoren bei Brustkrebserkrankungen gehören etwa die Tumorgröße, der Nodalstatus, das Grading, der Hormonrezeptor- und HER2-Status sowie der Proliferationsmarker ki-67.

Oncotyp DX® vor Erstattung

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 20. Juni 2019 beschlossen, ­unter bestimmten Voraussetzungen einen Biomarker-Test in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu übernehmen. Den Test können alle Patientinnen mit primärem Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem und nodal-negativem Mammakarzinom im Frühstadium in Anspruch nehmen, bei denen eine Entscheidung für oder gegen eine Chemotherapie alleine aufgrund der klinischen und pathologischen Parameter nicht möglich ist. Erstattet wird der Oncotype DX Breast Recurrence Score® Test. Für die ärztliche Aufklärung vor der Durchführung des Tests legt der G-BA die verpflichtende Verwendung einer Patienteninformation fest.

Tab.: Kommerziell verfügbare molekulare Tests
Genexpressionstest
Oncotype DX®
MammaPrint®
Endopredict®
Prosigna®
Hersteller
Genomic Health
Agendia
Sividon
NanoString
Typ
21-Gen-Signatur
(Recurrance Score)
70-Gen-Assay
11-Gen-Assay
50-Gen-Assay
Zulassung
CLIA (Clinical Laboratory Improvement Amendments)
CAP (College of American Pathologists) - accredited ref lab
CE-Kennzeichen
IVDMIA (In Vitro Diagnostic Multivariate Index Assay)
CE-Kennzeichen
CE-Kennzeichen, FDA 510(k) Clearance
Testmethode
qRT-PCR (Echtzeit-Polymerase­kettenreaktion)
RNA-Microarray
qRT-PCR (Echtzeit-Polymerasekettenreaktion
n-Counter Technologie
Bestimmung molekularer Subtypen
ja
ja (mit Blueprint®; zusätzliche Einteilung in molekulare Subtypen)
nein
ja
Information zur Prognose (Krankheitsverlauf)
ja
ja
ja
ja
Information zur Prädiktion (Ansprechen auf adjuvante Chemotherapie)
ja
ja
noch keine Daten
noch keine Daten
klinische Validierung
ja
ja
ja
ja
prospektive Evidenz
TAILORx-Studie
MIDACT-Studie

Die Entscheidung des G-BA folgte dem im September 2018 veröffentlichten Addendum des Abschlussberichts des Deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Der Auftrag an das IQWiG erfolgte bereits im Oktober 2013. Drei Jahre später sah das IQWiG keinen Nutzen einer Biomarker-basierten Therapieentscheidung, revidierte dann aber zwei Jahre später – u. a. nach Veröffentlichung der TAILORx-Studie – seine Meinung und sprach sich für einen Benefit von Multigentests als Entscheidungshilfen aus.

Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt – falls nicht beanstandet – nach Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Der ­Einsatz eines Biomarker-basierten Tests kann als vertragsärztliche ­Leistung erbracht werden, nachdem der Bewertungsausschuss über die Höhe der ärztlichen Vergütung entschieden hat. |

Literatur

https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/d14-01-biomarkerbasierte-tests-zur-entscheidung-fur-oder-gegen-eine-adjuvante-systemische-chemotherapie-beim-primaren-mamma-karzinom.6097.html (Abruf am 4.7.2019).

https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/d-projekte/d18-01-biomarkerbasierte-tests-zur-entscheidung-fuer-oder-gegen-eine-adjuvante-systemische-chemotherapie-beim-primaeren-mammakarzinom-addendum-zum-auftrag-d14-01.9570.html (Abruf am 4.7.2019).

https://www.g-ba.de/downloads/17-98-4797/2019-06-20_G-BA_Patientinnenmerkblatt_Biomarker_bf_WZ.pdf (Abruf am 4.7.2019).

Nitz U. Adjuvante Chemotherapie ja oder nein? Im Focus 0nkologie 2018;21:39-43.

S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms (Version 4.1, 2018).

Sparano JA et al. Adjuvant Chemotherapy Guided by a 21-Gene Expression Assay in Breast Cancer. N Engl J Med 2018; 379:111-121.

Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome. Herausgegeben von der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. sowie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. https://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/mamma/2019-03/DE/Alle_aktuellen_Empfehlungen_2019.pdf (Abruf am 4.7.2019)

Harbeck N et al. Molecular and protein markers for clinical decision making in breast cancer: today and tomorrow. Cancer Treat Rev. 2014;40(3):434-44.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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