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Die wichtigsten Regelungen der geplanten Apotheken-Reform

Was genau hat das Bundeskabinett beschlossen?

BERLIN (ks) | Das Bundeskabinett hat am 17. Juli den Gesetzentwurf zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken beschlossen. Damit ist der Weg für das parlamentarische Verfahren geebnet. Was die Pläne betrifft, das Rx-Boni-Verbot nun im Sozialrecht zu verankern, soll zuvor allerdings eine Klärung mit der EU-Kommis­sion stattfinden. Ebenfalls beschlossen hat das Kabinett eine Änderungsverordnung, die mehr Geld für Notdienste sowie BtM- und T-Rezepte vorsieht und den Botendienst neu regelt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine Apotheken-Reform durchs Kabinett gebracht. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regelungen:

Gleichpreisigkeit: Auch EU-Versender dürfen ihren Kunden in Deutschland keine Rx-Boni mehr gegeben. Denn künftig soll § 129 Abs. 3 SGB V bestimmen: Apotheken dürfen zulasten der GKV verordnete Arzneimittel im Wege der Sachleistung nur abgeben und mit den Krankenkassen abrechnen, wenn der Rahmenvertrag für sie Rechtswirkung hat. Besteht diese Rechtswirkung, müssen sie die in der Arzneimittelpreisverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise einhalten und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren.

Sanktionen und Evaluation

Bei einem „gröblichen“ oder wiederholten Verstoß gegen diese Pflicht zur Rx-Preisbindung, können Apotheken mit Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro für jeden Verstoß geahndet werden – die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und zeitlich zusammenhängende Verstöße darf allerdings 250.000 Euro nicht überschreiten. Wird eine Vertragsstrafe verhängt, kann die Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Strafe ausgesetzt werden. Die Auswirkung dieser neuen Regelung auf die Marktanteile der Versender soll bis Ende 2023 evaluiert werden – und zwar vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Verstöße gegen die im Sozialrecht verankerte Preisbindung können weiterhin auch nach dem Heilmittelwerbegesetz (§ 7 HWG) geahndet werden. Damit können nicht nur die Rahmenvertragspartner, sondern auch Wettbewerber gegen Apotheken vorgehen, die den einheitlichen Abgabepreis nicht einhalten.

Gestrichen wird – trotz aller Kritik seitens der apothekerlichen Standesvertretung – § 78 Abs. 1 Satz 4 Arzneimittelgesetz, also die Vorschrift, die bislang auch nach Deutschland versendende EU-Versandapotheken der Rx-Preisbindung unterwarf. Die ursprünglich ebenfalls vorgesehene Streichung der Rechtsgrundlage für die „Länderliste“ ist dagegen im Regierungsentwurf nicht mehr enthalten. In der Länderliste legt das BMG fest, aus welchen EU-Ländern und in welchem Umfang der Arzneimittel­versand erfolgen darf.

Freie Apothekenwahl: Sowohl im Apothekengesetz als auch im Sozial­gesetzbuch V wird klargestellt, dass die freie Apothekenwahl auch in den Fällen gewahrt bleibt, in denen elektronische Rezepte zum Einsatz kommen. Weder Vertragsärzte noch Krankenkassen dürfen Verordnungen bestimmten Apotheken zuweisen oder Versicherte dahingehend beeinflussen – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Rechtsgeschäfte oder Absprachen rund ums E-Rezept werden verboten. Ebenso wird klargestellt, dass das Zuweisungsverbot des § 11 ApoG auch für ausländische Versandapotheken gilt – dies ist die Konsequenz aus einem Urteil des Bundes­gerichtshofs, der im April 2018 entschieden hatte, dass das bisherige Verbot sich nur auf inländische Apotheken erstreckt.

Pharmazeutische Dienstleistungen: Versicherte sollen künftig Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen haben, die über die allgemeine Beratungs- und Informationspflicht hinausgehen. Die von den Apothekern lang vermisste Anspruchsgrundlage für derartige Dienstleistungen wird in § 129 SGB V geschaffen. Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband werden verpflichtet, diese im Benehmen mit dem PKV-Verband zu vereinbaren und das Nähere zu regeln. Ab Inkrafttreten des Gesetzes haben sie dafür sechs Monate Zeit – kommen sie zu keiner Einigung, entscheidet die Schiedsstelle. Es soll insbesondere um Maßnahmen gehen, die die Sicherheit und Wirksamkeit der Arzneimitteltherapie verbessern. Neben weiteren Maßnahmen des Medikationsmanagements kommt etwa auch das patientenindividuelle Stellen und Verblistern in Betracht. Auch eine pharmazeutische Betreuung von Patienten in häuslicher Umgebung kann vereinbart werden. Die Vertragspartner sollen insbesondere die Betreuung in Gebieten mit geringer Apothekendichte im Auge behalten – und hier die Versorgung stärken. Die Finanzierung der Dienstleistungen erfolgt über einen Zuschlag von 20 Cent auf jede Rx-Packung zusätzlich zum Festzuschlag. Das BMG geht davon aus, dass dadurch rund 150 Millionen Euro netto zur Verfügung stehen. Diese Änderung in der Arzneimittelpreisverordnung soll ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes wirksam werden.

Modellvorhaben zu Grippeschutzimpfungen: Ein neuer § 132i SGB V soll regionale Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung für Erwachsene in Apotheken ermöglichen. Dies können die Krankenkassen oder ihre Landesverbände mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder ihren Landesverbänden vereinbaren. Ziel ist es, einen weiteren niedrigschwelligen Zugang zu saisonalen Grippeschutzimpfungen zu ermöglichen, um die Impfquote zu erhöhen. Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Impfungen werden konkrete Anforderungen an die Schulung der Apotheker formuliert. Die Modellprojekte sollen im Regelfall auf höchstens fünf Jahre befristet sein und wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden.

Wiederholungsverordnungen: Es werden die Voraussetzungen zur wiederholten Abgabe von Arzneimitteln auf eine Verschreibung geschaffen. Ärzte sollen zum Beispiel schwer chronisch kranken Patienten, die immer die gleiche Medikation benötigen, künftig ein speziell gekennzeichnetes Rezept ausstellen können. Auf dieses Rezept können Apotheker dann bis zu drei weitere Male das Arzneimittel abgeben.

Automatisierte Abgabestationen:In der Apothekenbetriebsordnung wird die Bereitstellung, die Aushändigung und die Ausgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestationen geregelt – eine Antwort des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf die Aktivitäten von DocMorris in Hüffenhardt. Diese Ausgabestationen sollen nur zulässig sein, wenn sie sich in den Betriebsräumen einer Apotheke befinden und durch diese bestückt werden, nachdem zuvor die Bestellung bei dieser Apotheke erfolgt ist, eine Beratung (auch im Wege der Telekommunikation) stattgefunden hat und das Rezept im Original geprüft und abgezeichnet wurde. Auch automatisierte Ausgabestationen von Versandapotheken sollen grundsätzlich unter diesen Bedingungen zulässig sein. Das Verbot der Selbstbedienung durch Arzneimittel-Automaten bleibt bestehen. Zudem wird im Apotheken­gesetz die Ermächtigung für das BMG erweitert: Es soll künftig in der Apothekenbetriebsordnung auch zu „unzulässigen Formen der Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln“ Regelungen treffen können.

Änderungsverordnung: Mehr Geld und Botendienst

Nicht im Gesetz, dafür aber im Verordnungsentwurf geregelt, ist Folgendes:

Vergütungserhöhungen: Mehr Geld geben soll es über eine Erhöhung des Zuschlags für den Notdienst: Dieser steigt von 16 auf 21 Cent je abgegebener Rx-Packung. Die Notdienstpauschale soll damit laut Gesetzentwurf auf rund 350 Euro ansteigen. Wer – ausgehend von den gleichen Packungszahlen – selbst rechnet, kommt auf rund 380 Euro pro Notdienst. Zudem wird der Aufwand bei BtM und T-Rezepten künftig besser vergütet: Statt derzeit 2,91 Euro soll es hierfür künftig 4,26 Euro geben.

Botendienst: Er soll künftig grundsätzlich auf Kundenwunsch – und nicht mehr nur im Einzelfall – zulässig sein und kann auch nach vorheriger Beratung im Wege der Telekommunikation erfolgen. Wenn die Beratung nicht bereits auf diese Weise oder in der Apotheke erfolgt ist, muss der Botendienst durch pharmazeutisches Personal der Apotheke durchgeführt werden. Das ist auch dann nötig, wenn der Apotheke die Verschreibung noch nicht vorgelegen hat – sie muss das Rezept bei Aushändigung der Arzneimittel prüfen und abzeichnen.

Temperaturkontrolle: Beim Arzneimittelversand und dem Botendienst müssen die für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Ab­gabe an den Empfänger eingehalten werden. Bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln ist dies gegebenenfalls durch mitgeführte Temperaturkontrollen nachzuweisen.

Erweitertes Aut idem: Verordnete Arzneimittel, die an PKV-Versicherte, Beihilfeempfänger und Selbstzahler abgegeben werden, sollen künftig ebenfalls in der Apotheke unter den bekannten Bedingungen substituiert werden können – sofern der verordnende Arzt dies nicht ausgeschlossen hat und die Person, für die das Arzneimittel bestimmt ist, einverstanden ist.

Das Gesetz und die Verordnung sollen Anfang 2020 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Die Verordnung bedarf hingegen der Zustimmung des Bundesrates, nicht aber der des Bundestages. |

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