Arzneimittel und Therapie

Was geht in der Schwangerschaft?

Welche Analgetika eingesetzt werden können und worauf verzichtet werden muss

In Schwangerschaft und Stillzeit sollten so wenig Arzneimittel wie möglich eingenommen werden. Das ist den meisten werdenden Müttern klar, und viele versuchen, in dieser Zeit ohne Medikamente auszukommen. Aber was tun, wenn Schmerzen zu stark oder anhaltend sind?

Auch starke unbehandelte Schmerzen können ungünstige Wirkungen auf das ungeborene Kind haben. So können beispielsweise durch Schmerz verengte Blutgefäße zu einer verminderten Blut- und Sauerstoffversorgung des Kindes führen. Wenn der Schmerz andauert oder zu stark ist und mit nichtmedikamentösen Methoden keine ausreichende Linderung erreicht werden kann, sollten geeignete Arzneimittel in einer ausreichend hohen Dosierung angewendet werden.

Foto: Francesco83 – stock.adobe.com
Im letzten Schwangerschaftsdrittel sind NSAR tabu.

Da an Schwangeren keine randomisierten Studien durchgeführt werden dürfen, beruhen die vorhandenen Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in der Schwangerschaft und Stillzeit vorrangig auf Erfahrungswerten. Uneinheitliche Empfehlungen in verschiedenen Ländern führen dabei immer wieder zu Diskussionen und Unsicherheiten. Erst Ende März 2019 ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) ein Durchführungsbeschluss der europäischen Kommission zur Änderung der Fach- und Gebrauchsinformationen Metamizol-haltiger Arzneimittel (z. B. Novalgin®) umgesetzt worden (s. Kasten). Unter anderem wurden die Anwendungsempfehlungen für Schwangere und Stillende angepasst. Da es bislang keine Hinweise gibt, dass eine Anwendung von Metamizol in der Frühschwangerschaft problematisch ist, sind Einzelgaben innerhalb der ersten sechs Schwangerschaftsmonate akzeptabel, sofern andere Schmerzmittel nicht eingenommen werden können. Im letzten Trimenon darf der Wirkstoff nicht eingesetzt werden. Auch von einer Anwendung in der Stillzeit wird vorsichtshalber abgeraten.

Geänderte Anwendungshinweise für Metamizol

Mit dem Durchführungsbeschluss der EU‑Kommission vom 20. März 2019 wurden die Zulassungsinhaber Metamizol-haltiger Präparate dazu verpflichtet, die Fach- und Gebrauchsinformationen anzu­passen:

  • Im letzten Schwangerschaftsdrittel ist Metamizol kontraindiziert.
  • Die orale Tagesmaximaldosis beträgt bei Patienten ab 15 Jahren 4000 mg, parenteral 5000 mg.
  • Bei jüngeren Patienten orientiert sich die Dosis am Körpergewicht. Einige Präparate sind bei unter 15-Jährigen aufgrund der enthaltenen Wirkstoffmenge ungeeignet. Die Zulassungsinhaber haben das Anwendungsalter nun entsprechend geändert (z. B. Metamizol AbZ 500 mg Tabletten, Metamizol Aristo 500 mg Tabletten, Metamizol Hexal 500 mg Filmtabletten). Zur Anwendung bei Kindern unter 15 Jahren sind die betroffenen Präparate nicht länger zugelassen.

Ibuprofen und Paracetamol sind Mittel der Wahl

Nach heutigen Erkenntnissen ist bei der Schmerztherapie von Schwangeren in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln bevorzugt Ibuprofen anzuwenden (s. Tabelle). Es gibt keine Hinweise auf Teratogenität oder Embryotoxizität beim Menschen. Im dritten Trimenon kann es jedoch unter Ibuprofen, wie bei Metamizol und allen anderen nichsteroidalen Antirheumatika (NSAR) auch, zu fetalen Nierenschäden sowie zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus beim Fetus kommen. Deshalb sind Ibuprofen wie auch andere NSAR hier kontraindiziert. Sollte dennoch ein NSAR angewendet worden sein, sollte der fetale Ductus arteriosus mithilfe der Dopplersonografie kontrolliert werden.

Bei behandlungspflichtigen Schmerzen und hohem Fieber im dritten Schwangerschaftsdrittel ist Paracetamol das Mittel der Wahl. Im Gegensatz zu Ibuprofen wirkt dieses jedoch nicht antiphlogistisch. Auch im ersten und zweiten Trimenon ist Paracetamol ein sicheres Analgetikum und neben Ibuprofen Mittel der ersten Wahl. In der Vergangenheit oft diskutierte toxische Auswirkungen auf das Ungeborene (z. B. Gastroschisis, Entwicklung asthmatischer Beschwerden) konnten nicht bestätigt werden. In der Stillzeit sind Ibuprofen und Paracetamol gleichermaßen gut geeignet.

Tab.: Übersicht über mögliche Schmerzmittel in Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangerschafts-Trimenon
Stillzeit
Bemerkungen
1.
2.
3.
Ibuprofen
+++
+++
+++
sicheres Analgetikum / Antiphlogistikum in der frühen Schwangerschaft
Paracetamol
+++
+++
+++
+++
sicheres Analgetikum / Antipyretikum während der ­gesamten Schwangerschaft
Diclofenac
++
++
+
Acetylsalicylsäure
(> 500 mg)
+
+
+
„Low-dose“-Behandlung (≤ 300 mg / Tag) während der gesamten Schwangerschaft unproblematisch
Metamizol
+
+
Reserve-Analgetikum, insbesondere bei krampfartigen Schmerzen
Andere NSAR (Naproxen, Indometacin, Piro­xicam, Meloxicam)
gehören nicht zu den Mitteln der Wahl; Einsatz nur, wenn unbedingt nötig; Ibuprofen und Diclofenac sind bis zur 28. SSW bevorzugt einzusetzen
Coxibe (z. B. Celecoxib, Etoricoxib)
kaum Erfahrungswerte
Triptane (Sumatriptan)
++
++
++
++
Mittel der Wahl bei Migräne, wenn Ibuprofen und Paracetamol unzureichend sind
Opioide
(mittelstark wirksame wie Tramadol, Tilidin oder stark wirksame wie Morphin und Oxcycodon)
++
++
++
++
bei strenger Indikationsstellung; Atemdepression und Entzugserscheinungen beim Neugeborenen möglich
Corticoide
(Prednisolon, Prednison, Methylprednisolon)
++
++
++
+++
nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung; 8. bis 11. SSW möglichst ≤ 10 mg / Tag, da erhöhtes Risiko für Gaumenspalten

+++: unproblematisch; ++: Anwendung akzeptabel; +: kurzfristige Anwendung/Einzelgaben akzeptabel; –: Anwendung nicht empfohlen; : kontraindiziert; NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika; SSW: Schwangerschaftswoche

Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) ist in analgetischen und antiphlogistischen Dosen (≥ 500 mg) bis zur 28. Schwangerschaftswoche Mittel der zweiten Wahl. Entwicklungstoxische Effekte wurden beim Menschen bislang nicht beobachtet. Die kurzzeitige Anwendung ist akzeptabel, auf eine Langzeitanwendung sollte jedoch verzichtet werden. Dagegen ist eine sogenannte „Low-dose“-Behandlung (z. B. zur Verhinderung von Spontanaborten) mit Dosierungen bis zu 300 mg un­problematisch und bei entsprechender Indikation während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit möglich.

Zu den selektiven Cyclooxygenase‑2-Inhibitoren, den sogenannten Coxiben wie z. B. Celecoxib (Celebrex®) und Etoricoxib (Arcoxia®) liegen derzeit keine ausreichenden Daten für eine endgültige Risikobewertung vor. Aufgrund mangelnder Erfahrung, des allgemeinen Wirkungsspektrums und nicht belegter Vorteile im Vergleich zu den klassischen NSAR sind diese in der Schwangerschaft und Stillzeit zu meiden.

Die Art des verwendeten Schmerzmittels hängt nicht zuletzt von der Art und Lokalisation des Schmerzes ab. So hat sich Sumatriptan (Imigran®) aus der Gruppe der Triptane bei Migräneattacken bewährt, wenn Ibuprofen und Paracetamol nicht den gewünschten Effekt bringen.

Bei sehr starken Schmerzen wie z. B. Tumorschmerzen oder nach einem Unfall ist eine Anwendung von Opioiden vertretbar. Hinweise auf Teratogenität gibt es nicht. Zu berücksichtigen sind jedoch eine mögliche Atemdepression und Entzugssymptome beim Neugeborenen, insbesondere bei Anwendung zum Ende der Schwangerschaft. Auch in der Stillzeit ist eine kurzzeitige Anwendung bei strenger Indikationsstellung und unter Berücksichtigung des atemdepressiven Potenzials möglich.

Für eine erforderliche systemische Behandlung mit Corticoiden sind Prednisolon (Decortin®H), Prednison (Decortin®) und Methylprednisolon Mittel der Wahl. Vorsicht ist zwischen der achten und elften Schwangerschaftswoche geboten, denn ein leicht erhöhtes Risiko für Gaumenspalten ist hier nicht auszuschließen. Die Dosis bei einer Langzeittherapie sollte in dieser Zeit 10 mg / Tag nicht überschreiten. Keine Gefahr für den Säugling besteht beim Stillen, da selbst bei hochdosierten Therapien nur ein geringer Anteil in die Muttermilch übergeht.

Kombinationspräparate sollten generell vermieden und Schmerzmittel niemals unkritisch eingesetzt werden. Es wird empfohlen, auch rezeptfrei erhäl­tliche Arzneimittel nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt einzunehmen. |

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

Literatur

Borsch J. Anwendungen in der Schwangerschaft: BfArM setzt Anpassungen bei Metamizol um. DAZ.online 09. April 2019; www.deutsche-apotheker-zeitung.de

Metamizol: Uneinheitliche Angaben zu Dosierung und Kontraindikationen. Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 4. April 2019; www.bfarm.de

Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. (DGS). Schmerztherapie in Schwangerschaft und Stillzeit; www.dgss.org

Informationen des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin; www.embryotox.de

3 Kommentare

Ihr Kommentar vom 02.08.2019

von Kirk Beate am 02.08.2019 um 13:21 Uhr

Sehr geehrte Frau Straub,

würden Sie angesichts der Datenklage auch jungen Frauen im Familien- oder Freundeskreis mit gutem Gewissen empfehlen, Paracetamol und Ibuprofen in der Schwangerschaft bei Schmerzen einzunehmen? Ich selbst würde das nicht tun. Oft hilft ja auch 1. ein kühles Tuch oder Minzöl auf die schmerzenden Schläfen oder 2. eine Wärmflasche bei Rückenschmerzen und Verspannungen usw. Wie subjektiv Schmerzen empfunden werden und dass Schmerzen eine psychische Komponente haben, ist bekannt. Die Übertragbarkeit von tierexperimentell beobachteten teratogenen Folgen von Noxen (eben leider auch von Arzneistoffen) welcher Art auch immer ist bekanntlich ein großes Problem. Das ist mir vor kurzem angesichts der Tierexperimente an Zeprafischen (Prof. Vargesson, Aberdeen) im Fall Duogynon sehr deutlich geworden. Auch statische Erhebungen (Universität Oxford, Institut für evidenzbasierte Medizin) haben sicher ihre Grenzen. Hinzu kommt: in Deutschland gibt es kein bundesweites Fehlbildungsregister. Die mögliche Dosisabhängigkeit der Folgen von Einnahme fruchtschädigender Substanzen kommt hinzu, an die oft nicht gedacht wird. Nach meiner Erinnerung hatte Herr Prof. Dr. Stahlmann vor einiger Zeit in einem DAZ-Artikel Stellung bezogen in Sachen Duogynon. Ich sehe das nun mal anders. Zurück zu PCM/Ibuprofen: Bei einer Tagung zur Thematik "teratogene Arzneistoffe" im Juni 2018, die vom Institut für Geschichte und Ethik in der Medizin der Charite´ Berlin veranstaltet worden ist, war ich unter den Zuhörer*innen. Professor Dr. Schaefer und Prof. Dr. Stahlmann gingen auf obigen damals hochaktuellen Spiegel-Bericht der mir persönlich bekannten Medizinjournalistin Frau Dr. Hackenbroch ein. Ich kenne Frau Dr. Hackenbroch aufgrund meiner Erfahrung mit einem Hormonmittel (falls es interessiert: https://www.risiko-hormonspirale.de/files/Spiegel_Artikel_Juni_2017.pdf) und ich halte diese Ärztin und Medizinjournalistin für sorgfältig, empathisch und gut in der Recherche. Die Ausführungen von Prof. Dr. Stahlmann und Prof. Dr. Schaefer sowie die damalige Kommentierung des betreffenden Spiegel-Artikels und der Studienlage insgesamt haben zu meiner Entscheidung geführt, lieber auf "Nummer Vorsicht" zu gehen in der Beratung. Mit freundlichen Grüßen Dr. Beate Kirk

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Es gibt auch andere Quellen als "Embryotox" über Arzneimittel und Schwangerschaft ....

von Kirk Beate am 02.08.2019 um 8:18 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion,

leider ist Ihre Autorin nicht auf andere Ihnen sicher auch bekannte Aussagen zu Ibuprofen/PCM in der Schwangerschaft eingegangen. Es gibt seit geraumer Zeit eine fachliche Diskussion zur Thematik "Schmerzmittel in der Gravidität". Siehe z. B. https://www.spiegel.de/spiegel/aerzte-warnen-schwangere-vor-schmerzmitteln-wie-ibuprofen-und-paracetamol-a-1200679.html. Auf eine Aussage, warum wissenschaftliche Studien dazu nicht berücksichtigt werden müssen - falls es denn so ist - wurde verzichtet. Ich finde das schade, gerade in einer Fachzeitschrift. Mit freundlichen Grüßen Beate Kirk

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Es gibt auch andere Quellen als "

von Dr. Carolin Straub, Redakteurin DAZ am 02.08.2019 um 11:59 Uhr

Sehr geehrte Frau Kirk,

über die Ergebnisse experimenteller Studien haben auch wir letztes Jahr berichtet (DAZ 2018, Nr. 9, S. 33 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-9-2018/mutter-schmerzfrei-toechter-unfruchtbar). Die Übertragbarkeit solcher Ex-vivo- und Tierexperimente auf den Menschen ist allerdings völlig unklar. Ziel des aktuellen Artikels war es, einen Überblick über die nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Datenlage gesicherten Empfehlungen zum Einsatz von Analgetika in der Schwangerschaft zu geben. Die unabhängigen Informationen des Pharmakovigilanz - und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin stellen hierfür nach unserem Ermessen eine geeignete Grundlage dar.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Carolin Straub, Redakteurin DAZ

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.