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Arzneimittel und Therapie
Mexiletin in neuer Mission
Zulassung erleichtert Behandlung seltener Muskelerkrankungen
Myotone Störungen sind vererbte neuromuskuläre Erkrankungen, die durch eine gestörte Muskelerschlaffung charakterisiert sind. Nicht dystrophe Myotonien stellen eine Untergruppe der myotonen Störungen dar und kommen mit einer Prävalenz von 1 : 100.000 relativ selten vor. Im Gegensatz zu den myotonen Dystrophien, die durch einen Muskelschwund gekennzeichnet sind, kommt es bei den nicht dystrophen Formen häufig zu einer Verdickung der Muskeln, beispielsweise der Waden-, Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur.
Ursache für die Erkrankung ist ein Gendefekt, der eine funktionale Störung von Chlorid- oder Natrium-Kanälen in der Skelettmuskulatur bewirkt und zu einer veränderten Erregbarkeit der muskulären Zellmembranen führt. Nach einer Willkürbewegung erfolgt die Muskelrelaxation verzögert. Je nach Lokalisation der Mutation und nach klinischer Ausprägung der Störung unterscheidet man Chlorid- und Natrium-Kanalmyotonien, zu denen jeweils verschiedene Unterformen gehören.
Patienten mit nicht dystropher Myotonie sind in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Das markanteste Symptom ist eine vermehrte Muskelanspannung (Myotonie), die verschiedene Körperteile unterschiedlich stark betreffen kann und sich auf unterschiedliche Art und Weise äußert. Es kann z. B. zu Steifheit, Krämpfen, Schmerzen und Schwierigkeiten beim Schlucken oder Essen kommen. Die Myotonie zeigt sich bereits im Kindesalter, wobei der Schweregrad bis zum Erwachsenenalter zunimmt. Aufgrund der Vielfältigkeit der Symptome wird die Diagnose oftmals verzögert gestellt.
Bereits off label Mittel der Wahl
Entsprechend der aktuellen S1-Leitlinie „Myotone Dystrophien, nicht dystrophe Myotonien und periodische Paralysen“ sollte die Therapie „immer unter Berücksichtigung des Schweregrades der jeweiligen Symptome erfolgen und im Verlauf der Erkrankung abhängig von der Symptomentwicklung angepasst werden“. Mexiletin wird hier als der effektivste Wirkstoff zur Behandlung der Myotonie und als Mittel der ersten Wahl empfohlen. Bis Ende letzten Jahres erfolgte der Einsatz jedoch off label.
Der Wirkstoff war in Deutschland bereits seit den 1970er-Jahren zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen zugelassen. Aufgrund nachlassender Verordnungen, die wahrscheinlich auf das proarrhythmische Potenzial des Lidocain-Derivats zurückzuführen waren, hatte der Hersteller das Präparat im Jahr 2009 in Deutschland vom Markt genommen. Für die in der Myotonie-Leitlinie empfohlene Off-Label-Anwendung des Wirkstoffes musste es in den vergangenen Jahren aufwendig aus Ländern (z. B. Japan, USA, Kanada), in denen der Wirkstoff weiterhin zugelassen war, über Auslandsapotheken importiert werden.
Im Dezember 2018 hat die europäische Kommission Mexiletin (Namuscla®) zur Behandlung erwachsener Patienten mit nicht dystropher Myotonie zugelassen. Seit Februar ist Mexiletin mit dieser neuen Indikation auch wieder auf dem deutschen Markt erhältlich.
Mexiletin interagiert mit spannungsabhängigen Natrium-Kanälen, nimmt dabei aber keinen Einfluss auf die physiologische Erregbarkeit. Dadurch wird die Übererregbarkeit der Skelettmuskulatur reduziert. Die Folge sind eine verminderte Muskelsteifigkeit und eine verbesserte Lebensqualität der Patienten. Die empfohlene Dosierung liegt, abhängig von der Intensität der Symptome und dem klinischen Ansprechen, bei ein bis drei Kapseln à 167 mg pro Tag.
Häufigste unerwünschte Ereignisse sind Schlaflosigkeit und gastrointestinale Beschwerden. In seltenen Fällen kann das Lidocain-Derivat proarrhythmisch wirken. Deshalb sollte die kardiale Verträglichkeit zuvor geprüft und Patienten mit Herzerkrankungen, sofern das Medikament für sie geeignet ist, mittels Elektrokardiogramm (EKG) engmaschig überwacht werden. |
Literatur
[1] Pressemitteilung Hormosan Pharma GmbH A Lupin Group Company vom 24. Juli 2019
[2] Fachinformation NaMuscla® 167 mg Hartkapseln. Stand Dezember 2018
[3] Pressemitteilung der EMA vom 19. Oktober 2018 www.ema.europe.eu
[4] Schneider-Gold C et al. S1-Leitlinie Myotone Dystrophien, nicht dystrophe Myotonien und periodische Paralysen. 2017. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org; Abruf am 26. Juli 2019
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