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Wirtschaft
Doch nicht so einfach
Honorarumverteilungspläne in der Analyse
In verschiedenen Versionen der Idee ist eine packungsbezogene Vergütung für Rx-Arzneimittel in Abhängigkeit vom Umsatz der Apotheke oder von der Zahl der dort abgegebenen Rx-Arzneimittel vorgesehen. Im April hat die Bundestagsfraktion der Grünen in ihrem Antrag zur „Sicherung einer patientennahen und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung durch Apotheken“ (siehe DAZ 2019, Nr. 16, „Grüne: Apothekenhonorar umverteilen“) vorgeschlagen, die Vergütung der umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken um 1 Euro pro Rx-Arzneimittel zu verringern und das dabei eingesparte Geld für eine höhere Vergütung kleiner Apotheken zu verwenden. Die Idee stützt sich auf ein Konzept der Fraktion „Basis-Apotheker“ in der Kammerversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit ihrem Vorsitzenden Gunnar Müller. Deren Vorschlag enthält noch stärker gestaffelte Honorare. Darin sind in Abhängigkeit von der Zahl der pro Jahr abgegebenen Rx-Packungen Kassenabschläge zwischen 0 und 7,50 Euro pro Packung vorgesehen.
Kostenstruktur von Apotheken
Um diese Ideen zu bewerten, ist ein Blick auf die Kostenstruktur von Apotheken nötig. Die meisten Kosten sind Personalkosten für die Bearbeitung einer Verordnung oder eines Kundenwunsches und die dazugehörige Beratung. Dabei gilt für kleine und große Apotheken gleichermaßen das uno-actu-Prinzip: Ein (!) Apotheker oder PTA berät einen (!) Patienten. So entstehen keine Skalenerträge durch höhere Patientenzahlen. Doch beispielsweise die Kosten für Räume und Ausstattung sowie die Personalkosten für die Betriebsbereitschaft und die Qualitätssicherung hängen in weiten Bereichen nicht von der Zahl der Patienten ab. Sie bleiben konstant, wenn zehn oder 20 Prozent mehr Kunden kommen. Erst bei sehr viel mehr Betrieb sind größere Räume und eine andere Einrichtung erforderlich. Solche (in Grenzen) fixen Kosten sorgen bei mäßig steigender Nachfrage für Skalenerträge, weil ihr relativer Anteil dann sinkt. Vom packungsbezogenen Honorar bleibt dann mehr Gewinn übrig.
Hintergrund für Honorierung …
Dieser betriebswirtschaftliche Hintergrund ist entscheidend, um die Entwicklung der Apothekenhonorierung seit 2004 und ihre Folgen zu verstehen. Dass der größte Teil der Kosten in Apotheken von der Zahl der abgegebenen Arzneimittel abhängt, war 2004 ein wesentliches Argument für den packungsbezogenen Festzuschlag. Doch später wurde dies ignoriert. Bei der Anpassung des Festzuschlags Anfang 2013 wurde unterstellt, dass dieser nur fixe Kosten finanzieren würde. Die gestiegene Packungszahl wurde „gegengerechnet“. Es wurde übersehen, dass mehr Packungen mehr Arbeit bereiten und die Personalkosten keineswegs feststehen (siehe DAZ 2015, Nr. 46, „Wie anpassen?“ und DAZ 2015, Nr. 47, „Variable Kosten – Schlüssel zur Honoraranpassung“). Der patientenbezogene Aufwand ergibt sich aus dem Kern der Apothekentätigkeit und liegt daher als Honorierungsgrundlage nahe. Doch ein gewisser Teil der Kosten in Apotheken ist durchaus fest (siehe oben) und das erklärt die unterschiedliche Wirtschaftlichkeit kleiner und großer Apotheken. Alle Apotheken erhalten denselben Festzuschlag pro Packung und haben vergleichbare Kosten für den jeweiligen Vorgang, aber kleine Apotheken brauchen einen größeren Teil des Betrags, um ihre Fixkosten zu decken. Damit haben große Apotheken einen Vorteil, können mehr Service bieten und wachsen, während kleine Apotheken vermehrt schließen.
… und Strukturwandel
Der Unterschied wirkt immer stärker, weil der Festzuschlag nicht automatisch an höhere Kosten angepasst wird und die Honorarzuwächse seit 2004 längst nicht die gestiegenen Kosten ausgeglichen haben. So bewirkt dieser Effekt einen Strukturwandel zu weniger und größeren Apotheken. Doch das geht nur solange, bis auch die großen Apotheken nicht mehr das nötige Gehalt für die knapper und anspruchsvoller werdenden Mitarbeiter finanzieren können. Wenn der Festzuschlag unverändert bleibt und die Gehälter konkurrierender Berufe weiter steigen, ist dies absehbar. So stößt die Idee, das System durch Umverteilung kostenneutral für die Krankenversicherungen umzugestalten, an eine absehbare Grenze.
Doch auch mit mehr Geld im System würde sich die Frage stellen, wie die Honorierung ohne den beschriebenen Nachteil für kleine Apotheken gestaltet werden kann. Dies spricht durchaus für eine Differenzierung zwischen kleinen und großen Apotheken, aber dabei muss das Verhältnis zwischen variablen und fixen Kosten beachtet werden. Dies ist nicht genau bekannt, aber die packungsabhängigen Kosten sind sicher der größere Teil. Beim derzeitigen Festzuschlag abzüglich Kassenabschlag von 6,86 Euro wären daher Umverteilungen von 3 Euro pro Packung oder mehr überzogen. Einen so hohen Fixkostenanteil anzunehmen, würde auch der Kritik der Apotheker an der Honoraranpassung von 2013 widersprechen und Ansätze für automatische Honoraranpassungen aushebeln.
Version der Basis-Apotheker
Dennoch sieht der Vorschlag der „Basis-Apotheker“ eine so große Spreizung vor. Dort werden zehn Stufen für den Kassenabschlag angedacht. Beispielsweise soll gemäß dem Vorschlag für die ersten 10.000 Rx-Packungen pro Apotheke kein Abschlag fällig werden, für die nächsten 10.000 Rx-Packungen jeweils 0,50 Euro, für weitere 10.000 Rx-Packungen jeweils 1 Euro, ab der 100.000sten Rx-Packung jeweils 4 Euro und ab der 150.000 Rx-Packung jeweils 7,50 Euro. Diese letzte Stufe soll den Versand abbilden. Als Ergebnis sollen etwa 85 Prozent der Apotheken profitieren, während 15 Prozent der Apotheken belastet würden. Da auch große Apotheken bei den „ersten“ Packungen entlastet würden, sind die Folgen nicht direkt mit einer pauschalen Änderung des Kassenabschlags vergleichbar.
Version der Grünen
Der Vorschlag der Grünen ist daher gesondert zu betrachten. Die dort genannte pauschale Honorardifferenz von 1 Euro entspricht immerhin 14,5 Prozent des derzeitigen GKV-Festzuschlags von 6,86 Euro. Ein solche Einbuße dürfte sich auch bei großen Apotheken massiv auswirken. Umgekehrt würde 1 Euro mehr Rx-Packungshonorar in einer typischen Apotheke über 30.000 Euro zusätzlich einbringen und hätte damit einen beachtlichen Effekt. Die große Wirkung von nur 1 Euro mehr oder weniger Rx-Packungshonorar vermittelt zugleich einen Widerspruch zu einem anderen Vorschlag der Grünen, denn sie empfehlen Boni in dieser Größenordnung.
Kritik an Umverteilung
Gegen eine Umverteilung anhand der Apothekengröße spricht die „sozialistische“ Anmutung. Es erscheint problematisch, dass dieselbe Verordnung in einer großen Apotheke weniger wert sein soll und dass dieselbe Arbeit unterschiedlich honoriert werden soll. Außerdem bietet eine solche Regelung abhängig von der Gestaltung Umgehungsanreize. Beispielsweise könnten Rezepte für die Abrechnung zu anderen Apotheken verlagert werden. Noch problematischer wären die Fehlanreize für die Krankenkassen, die Patienten zu „billigeren“ großen Apotheken steuern könnten. Dies wäre allerdings zu verhindern, wenn ein Fonds zwischengeschaltet wird.
Alternative 1: Strukturhonorar
Angesichts dieser Probleme und da ohnehin nur die Umverteilung eines kleinen Anteils des Festzuschlags in Betracht kommt, erscheint eine andere Alternative einfacher: Statt den Festzuschlag insgesamt zu erhöhen und vom Apothekenumsatz abhängig zu machen, könnte ein neuer zusätzlicher umsatzunabhängiger Strukturbeitrag geschaffen werden. Alle Apotheken könnten einen festen Betrag für ihre Betriebsbereitschaft erhalten oder es könnten gezielt Apotheken an versorgungskritischen Standorten gefördert werden. Auch dies führt im Ergebnis zu einer Umverteilung von großen zu kleinen Apotheken, aber ohne den problematischen Aspekt, dass dieselbe Arbeit unmittelbar unterschiedlich honoriert wird. Mit verschiedenen Gestaltungsvarianten lassen sich zudem weitere Ziele verfolgen und Fehlanreize oder Manipulationsmöglichkeiten minimieren. Vorschläge dazu wurden schon früher formuliert (siehe DAZ 2018, Nr. 17, „Zukunftsweisende Apothekenhonorierung – ein Vorschlag“, Honorarkomponente 6: Option für fondsfinanzierte Strukturförderung).
Alternative 2: Versorgungsformabhängige Honorierung
Außerdem stellt sich die Frage, ob die angedachte Honorierung in Abhängigkeit vom Umsatz oder von der Packungszahl überhaupt den Kern des Problems trifft. Denn die Kostenstrukturen unterscheiden sich insbesondere zwischen Vor-Ort- und Versand-Apotheken. Der Hauptkostentreiber beim Versand ist der Versand selbst, und er hängt von der Zahl der Lieferungen ab, nicht von der Zahl der gelieferten Packungen. Die Beratung ist beim Versand über eine Hotline mit Warteschleife kostengünstiger als in Vor-Ort-Apotheken zu organisieren. Die Unterschiede zwischen Vor-Ort- und Versand-Apotheken sind damit viel größer und viel grundsätzlicher als zwischen kleinen und großen Apotheken. Damit liegt ein unterschiedlicher Festzuschlag für unterschiedliche Versorgungsformen viel näher als eine Umverteilung zwischen den Apothekengrößen. Dabei bietet sich an, den Botendienst als weitere Versorgungsform zu betrachten. Auch in diesem Fall müsste ein Fonds zwischengeschaltet werden, um Fehlanreize für die Krankenkassen zu verhindern. Ein solcher versorgungsformabhängiger Festzuschlag wurde schon früher vorgeschlagen (siehe DAZ 2018, Nr. 17, S. 56, „Zukunftsweisende Apothekenhonorierung – ein Vorschlag“, Honorarkomponente 7: Option für fondsfinanzierten versorgungsformabhängigen Festzuschlag). Eine solche Unterscheidung wäre zudem besser vermittelbar, weil bei der Abgabe vor Ort und im Versand tatsächlich andere Leistungen erbracht werden, die dann auch anders honoriert werden können.
Gegen diese Maßnahme spricht allerdings ein gewichtiges Argument: Bei einem Versand von Rx-Arzneimitteln mit einem derzeitigen Marktanteil von kaum mehr als 1 Prozent hätte sie keinen nennenswerten Finanzierungseffekt für die Vor-Ort-Apotheken, sondern nur eine negative Anreizwirkung für die Versender. Falls der Marktanteil des Rx-Versandes deutlich steigen sollte, würde sich das jedoch ändern. Derzeit erscheint daher das oben erwähnte Strukturhonorar mit seinen vielen Variationsmöglichkeiten als praktikabelste Alternative zur vorgeschlagenen Umverteilung anhand der Packungszahlen. |
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