DAZ aktuell

„Fremdkapital“ 

Eine Randnotiz von Thomas Müller-Bohn

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, ­DAZ-Redakteur

Was Menschen unter einem Begriff verstehen, hängt oft von ihrer gesellschaftlichen Umgebung ab. Wenn sich dabei große Unterschiede ergeben, drohen Missverständnisse. Der Begriff „Fremdkapital“ ist ein solcher Fall (siehe z. B. Resolution der AKWL auf Seite 73).

In der Standespolitik der Apotheker und bei einigen anderen Freiberuflern hat sich die Nutzung des Wortes „Fremdkapital“ so speziell entwickelt, dass dies von anderen Menschen nicht mehr verstanden werden kann. Denn dieser besondere Sinngehalt widerspricht dem ursprünglichen, schon viel länger etablierten Gebrauch in der Wirtschaft. Apotheker nutzen das Wort „Fremdkapital“ meist analog zum Fremd­besitzverbot. Gemeint ist das Kapital von Berufsfremden, also Nicht-Apothekern. Dieser Gebrauch hat sich aus der jahrzehntelangen Positionierung gegen den Fremdbesitz bei Apotheken und anderen Frei­beruflern ergeben.

Doch schon lange bevor es diese Diskussion gab, war das Wort „Fremdkapital“ bereits anders definiert. Es ist der Gegenbegriff zum Eigenkapital, das seit 1897 im Handelsgesetzbuch beschrieben wird. Das Eigenkapital ist das Geld, das die Eigentümer selbst in ihr Unternehmen einbringen. Das Fremdkapital ist im Wesentlichen das Geld, das von Gläubigern stammt, also die Verbindlichkeiten. Der Kredit, den beispielsweise ein Existenzgründer von seiner Bank erhält, um eine Apotheke zu übernehmen, ist Fremdkapital. Das Geld, das die ­Aktionäre einer ausländischen Versandapotheke diesem Unternehmen bereitstellen, ist Eigenkapital. Denn es fließt in das eigene Unternehmen dieser Aktionäre. Mit der beruflichen Qualifikation der Eigentümer hat das nichts zu tun. Wenn sich jemand also gegen Fremdkapital bei Apotheken ausspricht, verstehen Banker, Ökonomen und das Gros der Kaufleute, dass das gegen die Kreditfinanzierung von Apotheken gerichtet sei. Apotheker dürften dann keine Bankkredite mehr bekommen. ­Komplett wird das Missverständnis, wenn man versucht, das Problem in der Sprache der Wirtschaft auszudrücken. Dann muss zwischen „Eigenkapital von Berufsangehörigen“ und „Eigenkapital von Berufsfremden“ unterschieden werden. Um Fremdkapital geht es überhaupt nicht. Das Wort führt also vollständig in die Irre. Denn die Apotheker wollen auf die Eigentumsverhältnisse hinaus und die ergeben sich aus dem Eigenkapital und gerade nicht aus dem Fremd­kapital. Da diese Begriffsbildung viel älter und viel weiter verbreitet ist, sollte sie auch so akzeptiert werden. Die Apotheker sollten daher gegenüber Politikern oder anderen Berufsfremden eher von der Herkunft des Eigenkapitals sprechen. Beim Begriff „Fremdbesitz“ droht da­gegen eher kein Missverständnis, weil es diesen Begriff sonst in der Wirtschaft nicht gibt und er zu ­einem Fachbegriff des Apothekenrechts geworden ist.

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