Arzneimittel und Therapie

Hormontherapie wieder in der Kritik

Hinweise auf erhöhtes Brustkrebsrisiko nach menopausaler Behandlung verdichten sich

cst | Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen: Wechseljahresbeschwerden können die Lebensqualität von Frauen um die 50 stark beeinträchtigen. Linderung der Symptome verspricht eine Behandlung mit Estrogen- oder Estrogen-Gestagen-Präparaten. Doch die Hormontherapie ist in den letzten Jahren zunehmend in Verruf ­geraten. Möglicherweise zu Recht, wie die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse zeigen.

Während des Klimakteriums kommt die ovarielle Hormonproduktion nach und nach zum Erliegen, die Estrogen- und Progesteron-Spiegel fallen ab. Die hormonellen Veränderungen setzen manchen Frauen so stark zu, dass eine Hormontherapie benötigt wird. Frauen, bei denen die Gebärmutter entfernt wurde, werden mit Präparaten behandelt, die ausschließlich Estrogen enthalten. Bei Frauen ohne Hysterektomie werden kombinierte Estrogen-Gestagen-Präparate eingesetzt: Bei allein­iger Estrogen-Therapie ist das Risiko für Endometrium-Hyperplasie und -Karzinome erhöht. Neben systemischen Hormontherapeutika zur oralen, transdermalen, intranasalen und intramuskulären Applikation (Tabletten, Patch, Gel, Emulsion, Spray oder Injektion) stehen Arzneimittel zur Linderung lokaler Beschwerden im Vaginalbereich zur Verfügung (Creme, Ring oder Vaginaltabletten). Als Estrogen-Komponente werden unter anderem Estradiol, Estradiolester, Estriol und Tibolon eingesetzt, als Gestagen-Komponente sind beispielsweise natürliches Progesteron oder Progesteron-Derivate enthalten.

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Vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche stellen eine mögliche Indikation für eine menopausale Hormontherapie dar. Doch das erhöhte Brustkrebsrisiko sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Große Metaanalyse

Doch die Hormontherapie wird zunehmend kritisch gesehen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Frauen, die mit Hormonen behandelt werden, anscheinend häufiger an Brustkrebs erkranken. Dieser Verdacht wird durch eine aktuelle Auswertung epidemiologischer Daten erhärtet. Die „Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer“ führte dazu eine umfassende Metaanalyse durch. Berücksichtigt wurden 58 Studien, darunter 24 prospektive Beobachtungsstudien. Ausgewertet wurden die individuellen prospektiven Daten von 108.647 Frauen, die im mittleren Alter von 65 Jahren an Brustkrebs erkrankt waren. Etwa die Hälfte der Frauen (51%) hatte eine Hormontherapie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden erhalten. Die Menopause war bei ihnen im mittleren Alter von 50 ± 5 Jahren eingetreten. Zu Therapiebeginn waren die Frauen im Schnitt 50 ± 6 Jahre alt. Es zeigte sich, dass alle eingesetzten Hormontherapien – mit Ausnahme vaginaler Estrogene – mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko assoziiert waren. Dabei war eine kombinierte Estrogen-Gestagen-Therapie mit einem höheren Risiko verbunden als eine reine Estrogen-Behandlung. Unter einer Hormontherapie war das Risiko der Frauen, während des ersten bis vierten Behandlungsjahres an Brustkrebs zu erkranken, im Vergleich zu Frauen, die nie eine Hormontherapie erhalten hatten, um 60% bzw. 17% erhöht (Estrogen-Gestagen-Kombination: relatives Risiko [RR] 1,60; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,52 bis 1,69; Estrogen-Monotherapie: RR 1,17; 95%-KI 1,10 bis 1,26). Das Risiko war umso größer, je länger die Frauen die Therapie fortführten. Nach einer Therapiedauer von fünf bis 14 Jahren war das Risiko etwa doppelt so hoch (Estrogen-Gestagen-Kombination: RR 2,08; 95%-KI 2,02 bis 2,15; Estrogen-Monotherapie: RR 1,33; 95%-KI 1,28 bis 1,37). Selbst nach Absetzen der Hormontherapie wurde zum Teil auch noch nach zehn Jahren ein erhöhtes Risiko beobachtet – dieses war umso größer, je länger die Behandlung zuvor gedauert hatte.

Wann mit der Hormontherapie begonnen wurde, spielte hingegen keine Rolle: Die Risiken waren in allen Altersgruppen in ähnlichem Maße erhöht. Eine Ausnahme bildeten ältere Frauen. Wurde die Hormontherapie erst ab einem Alter von 60 Jahren initiiert, war der Unterschied – zumindest was die reinen Estrogen-Präparate betrifft – zu Frauen ohne Hormontherapie nicht mehr signifikant.

Geringerer Effekt bei Adipösen

Interessanterweise waren die negativen Auswirkungen einer Hormontherapie bei adipösen Frauen weniger dramatisch. Übergewichtige Frauen sind nach der Menopause jedoch ohnehin stärker gefährdet, an einem Estrogen-Rezeptor-positiven Mammakarzinom zu erkranken, als normalgewichtige Frauen. Postmenopausal wird Estrogen hauptsächlich im Fettgewebe gebildet, die Estrogen-Spiegel korrelieren folglich mit dem Body-Mass-Index (BMI). Durch eine exogene Estrogen-Zufuhr wird das Risiko, ein Mammakarzinom zu entwickeln, anscheinend kaum weiter erhöht. So wurde in der aktuellen Metaanalyse unter einer reinen Estrogen-Therapie bei Frauen mit einem BMI über 30 kg/m² auch kaum eine zusätzliche Risikoerhöhung beobachtet.

Ein zusätzlicher Fall pro 50 Anwenderinnen

Die Studienautoren berechnen aus ihren Daten, dass bei normalgewichtigen Frauen, die im Alter von 50 Jahren eine kombinierte Hormontherapie, bestehend aus einem Estrogen und einem täglichen Gestagen, beginnen und diese über einen Zeitraum von fünf Jahren fortführen, bis zum Alter von 69 Jahren mit einem zusätzlichen Brustkrebsfall pro 50 Anwenderinnen zu rechnen ist. Bei einer Estrogen­Monotherapie rechnen die Autoren immer­hin noch mit einem zusätzlichen Fall pro 200 Anwenderinnen.

Die Studie zeigt allerdings auch, dass eine kurzzeitige Hormontherapie weniger bedenklich ist als eine längerfristige Anwendung. Bei einer Behandlungsdauer von weniger als einem Jahr war das Brustkrebsrisiko nicht signifikant bzw. nur geringfügig erhöht. Ist eine Hormontherapie erforderlich, sollte sie demnach nicht länger als nötig durchgeführt werden.

Diese Einschätzung teilt auch Prof. Dr. Günter Emons von der Universitätsfrauenklinik Göttingen. In seiner Stellungnahme für die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburts­hilfe e. V. (DGGG) erfahren Sie, wie die Ergebnisse der aktuellen Metaanalyse zu bewerten sind. |

Literatur

Neuenfeldt M. Was sich hinter der Menopause verbirgt. DAZ 2018, Nr. 5, S. 30

Neuenfeldt M. Gegen Hitzewallungen und Co. DAZ 2018, Nr. 5, S. 36

Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer. Type and timing of menopausal hormone therapy and breast cancer risk: individual participant meta-analysis of the worldwide epidemiological evidence. Lancet 2019; doi:10.1016/S0140-6736(19)31709-X

Kotsopoulos J et al. Menopausal hormones: definitive evidence for breast cancer. Lancet 2019; doi:10.1016/S0140-6736(19)31901-4

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