Kongresse

Kinder und Eltern gut beraten

Arzneimitteltherapie muss die schnellen Veränderungen im Körper von Kindern berücksichtigen

HEIDELBERG (ck) |  Vor dem eigent­lichen Beginn der Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) fand am 31. August 2019 der Tag der Offizinpharmazie statt, der die Kinder in den Mittelpunkt rückte.
Foto: DAZ/ck

Prof. Dr. Matthias Schwab, Margit Schlenk und Prof. Dr. Rolf Daniels stellten sich den Fragen der interessierten Zuhörer (v. l.).

Kein Kind ist wie das andere. Und in der an sich schon sehr heterogenen Patientengruppe verändern sich während des Wachstums viele Parameter, die die Arzneimittelwirkung beeinflussen, sehr schnell und sprunghaft, wie Prof.Dr. Matthias Schwab, Pädiater und Pharmakologe am Margarete Fischer-Bosch-Institut in Stuttgart zeigte. Nach fünf Monaten verdoppelt sich das Gewicht, es verdreifacht sich nach einem Jahr. Beim Säugling verdoppelt sich die Körperoberfläche nach einem Jahr, der Kalorienbedarf steigt bis zum Ende des ersten Lebensjahres um das Drei- bis Vierfache. Die Enzymsysteme – ­besonders Cytochrom-P-450-Enzyme –, die Arzneistoffe metabolisieren, entwickeln sich erst nach und nach und auch nicht alle gleich schnell. Die Nierenfunktion reift schneller als das Körpervolumen zunimmt, so dass Arzneistoffe, die renal eliminiert werden, in manchen Entwicklungsphasen im Verhältnis deutlich höher dosiert werden sollten als bei Erwachsenen. Schwab vertrat daher die Meinung, dass Kinder ausschließlich von Kinderärzten Arzneimittel verordnet bekommen sollten. Was passieren kann, zeigte er am Beispiel von Dimenhydrinat. Die antiemetische Wirkung des H1-­Antihistaminikums (z.B. in Vomex®) gehe nicht über die Placebowirkung hinaus, so Schwab, aber es gibt Berichte bei kleinen Kindern, bei denen es zum Tode geführt hat. Der Wirkstoff solle deshalb bei Kindern unter drei Jahren nur auf Verordnung eines Kinderarztes angewendet werden! Die Dosierungsvorgaben der Fachinformationen sollten streng eingehalten werden.

Wie kommt der Wirkstoff in das Kind?

Tabletten als gebräuchlichste orale Arzneiform sind für kleine Kinder meist ungeeignet, denn sie können die Tablette oft noch nicht schlucken, berichtete Prof. Dr. Rolf Daniels, pharmazeutischer Technologe an der Universität Tübingen. Außerdem ist die Dosierung in einer Tablette für Kinder oft zu hoch. Hier können individuelle Rezepturen Abhilfe schaffen. Welche Arzneiform für ein Kind am besten geeignet ist, hänge von dessen Entwicklungsphase ab. Bei kleinen Kindern seien als orale Arzneiformen meist flüssige Oralia und pulverbefüllte Kapseln zu bevorzugen. Für die in der Pädiatrie am häufigsten verordneten Wirkstoffe gibt es beim DAC/NRF standardisierte Rezepturen. Für andere Wirkstoffe bietet die NRF-Suspen­sionsgrundlage NRF S.52 eine praktikable Basis. Problematisch ist es bei Liquida, die mikrobiologische Stabilität zu gewährleisten. Für nahezu alle Konservierungsmittel gibt es Anwendungsbeschränkungen bei Kindern wie maximale Einnahmemenge, das Alter oder ein Nebenwirkungsrisiko. Trotzdem findet man alle gebräuchlichen Konservierungsmittel auch in pädiatrischen Fertigarzneimitteln, so Daniels. Konservierte Zubereitungen sollten eher bei Raumtemperatur als im Kühlschrank aufbewahrt werden. Zwar wachsen Bakterien im Kühlschrank langsamer, aber das Konservierungsmittel wirkt bei niedrigen Temperaturen schlechter.

„Geben Sie Kindern großzügig die drei „Z“: Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit!“

Margit Schlenk

Auch mal abraten!

Dass man besorgten Eltern durchaus auch von Arzneimitteln abraten sollte, zeigte Apothekerin Margit Schlenk aus Nürnberg unter anderem am Beispiel des Fiebers. Mit fiebernden Säuglingen sollten die Eltern grundsätzlich immer zum Arzt gehen. Bei Kleinkindern sollte daran gedacht werden, dass Fieber auch eine physiologische Funktion hat. Leichtes Fieber bis 39 °C muss nicht gesenkt werden, denn eine erhöhte Körpertemperatur hilft dem Körper, Krankheitserreger zu bekämpfen, Fieber unterstütze Vorgänge der körpereigenen Immunabwehr, aktiviere Stoffwechsel und Kreislauf, so Schlenk. Nicht bei jeder erhöhten Temperatur sei es notwendig, Antipyretika einzusetzen. Wichtig sei es, das Kind zu beobachten und ihm öfter etwas zum Trinken anzubieten, denn es bestehe die Gefahr der Austrocknung: Mit jedem Grad erhöhter Temperatur benötigt ein Kind 5 bis 10 ml Flüssigkeit pro kg Körpergewicht zusätzlich zum üblichen Bedarf. Da vor allem katabole Prozesse angekurbelt werden, rät Schlenk zu „fester Flüssigkeit mit Eiweiß“: Sahneeis oder kleine Portionen Fruchtjoghurt sind hier ein guter Tipp. Auch ein Wadenwickel kann helfen, die Temperatur langsam zu senken. Die Temperatur der Wickel sollte dabei nur 1 °C unter der Körpertemperatur liegen, eiskalte Wickel sind kon­traproduktiv! Die feuchten Tücher werden dann alle zehn Minuten erneuert. Auch die Chronobiologie der Temperaturregulation ist zu beachten: Am Abend ist die Körpertemperatur normalerweise erhöht, hier kann man die Eltern beruhigen und eine Medikation auch mal weglassen. ­Werden aber schon am Morgen 39 °C gemessen, so sollte ein Antipyretikum gegeben werden. Hierfür immer abklären, wie alt, wie groß und wie schwer das Kind ist. Schlenk betonte, man dürfe in der Apotheke nicht vergessen, dass Eltern oft verunsichert sind, wenn es um die medizinisch-pharmazeutische Versorgung der Kinder geht. Sie haben Angst etwas falsch zu machen. Die grundsätzliche Gesundheitskompetenz gehe seit Jahren zurück, bedauerte Schlenk, umso wichtiger ist da die Apotheke mit einer Lotsenfunktion: Sie gibt Sicherheit – in der Anwendung von Arzneimitteln und im „Seinlassen“. |

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