Die Seite 3

Gemeinsam statt gegeneinander

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Auf den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen ruhen große Hoffnungen. Doch es sind noch sehr viele Fragen offen. Der Deutsche Apothekertag hat sie nicht beantwortet, sondern neue Fragen aufgeworfen. Thomas Bodmer, Vorstandsmitglied der DAK Gesundheit, sprach dort im Diskussionsforum vorzugsweise über Leistungen, die Ärzte entlasten oder angesichts des Ärztemangels auf dem Land „aus Not“ ersetzen. Dann könnte Geld aus dem Ärztebudget zu den Apothekern verlagert werden. Damit eröffnete er eine Debatte über Positionen, die längst überwunden schienen. Doch neue Leistungen können kein Erfolgsmodell werden, wenn sie Zwietracht säen und die Apotheker damit gegen die Ärzte ausgespielt werden. Die Versorgung soll gemeinsam mit den Ärzten, aber nicht gegen sie stattfinden. Außerdem möchten Apotheker keine „Barfußärzte“ werden, sondern den ­Patienten mit eigenen pharmazeutischen Leistungen helfen. Von AMTS und Medikationsanalysen war an dieser Stelle keine Rede und erst ein Delegierter musste daran erinnern, dass der Einspareffekt pharmazeutischer Interventionen international vielfach gezeigt wurde. Statt Budgets sollte das Gesamtergebnis interessieren.

Leider ist dies auch in anderen Ländern noch immer nicht selbstverständlich. Kürzlich wurde das Budget zur Honorierung der Apotheken in England für die nächsten fünf Jahre fest­geschrieben (siehe Seite 12). Dabei soll der Anteil für die Dienstleistungen steigen. Dies geht zulasten der Distribution, die sich dort nur noch rechnen wird, wenn immer weniger Arzneimittel abgegeben werden, wofür dann ­weniger Apotheken nötig sein werden. Außerdem sollen die Apotheken in England auch Dienstleistungen erbringen, mit denen sie bei einfachen Erkrankungen Ärzte ersetzen. Offenbar ist die Versuchung für die Kostenträger überall groß, so den Ärztemangel auszugleichen. Doch das wäre nicht die erhoffte Verbesserung der Ver­sorgung und das ist es nicht, was die Apotheker mit neuen pharmazeutischen Leistungen meinen. Dies deutlich zu machen, bleibt offenbar auch international noch ein großes Stück Arbeit. Zudem ist die Entwicklung in England eine Warnung vor den Widrigkeiten eines Budgets.

Doch in Deutschland sind noch viel mehr Fragen offen: Die erwarteten knapp 150 Millionen Euro werden nicht ausreichen, um auch nur die wichtigsten Leistungen flächendeckend anzubieten. Für welche Leistungen und welche Patienten soll das Geld eingesetzt werden und wie soll das Honorar berechnet werden? Dr. ­Dorothee Dartsch, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Hamburg, fragte beim Apothekertag, wie neue Angebote später in den Leistungskatalog aufgenommen werden sollen und wie die Apotheker auf praktikable Weise die Ergebnisse ihrer Leistungen nachweisen können. Denn eine Evaluation werden die Krankenkassen wohl erwarten, aber die sollte nach realistischen Maßstäben erfolgen. Ebenso offen ist, gegen wen sich der geplante Anspruch der Patienten auf die neuen Leistungen überhaupt richten soll. Da nicht jede Apotheke jede Leistung erbringen kann, scheidet ein Kontrahierungszwang aus. Doch worin soll der Anspruch der Patienten dann bestehen? Von den Antworten auf diese und weitere Fragen wird abhängen, ob neue pharmazeutische Leistungen die Versorgung verbessern und allen eine aussichtsreiche Perspektive bieten. Das wird nur gelingen, wenn alle – auch die Krankenkassen – mit gutem Willen gemeinsam daran arbeiten, aber nicht gegeneinander.

Thomas Müller-Bohn

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