Arzneimittel und Therapie

Esketamin schützt Depressive vor Rückfall

Auch bei Langzeitanwendung effektiv

In den USA ist Esketamin (Spravato) als Nasenspray zur Behandlung therapieresistenter Depressionen bereits erhältlich. Nun hat sich auch die europäische Arzneimittelagentur (EMA) für eine Zulassung ausgesprochen. Die Wirksamkeit war in mehreren Kurzzeitstudien untersucht worden. Doch auch langfristig können Patienten von einer zusätzlichen Gabe zu einem oralen Antidepressivum profitieren.

Die Wirkung von Esketamin setzt rasch, das heißt bereits nach wenigen Tagen, ein. Wie es um die langfristige Wirksamkeit bestellt ist, war Gegenstand einer von Hersteller Janssen finan­zierten randomisierten Doppelblindstudie. Für die Phase-III-Studie waren Patienten mit prospektiv bestätigter therapieresistenter Depression ausgewählt worden. Aus diesem Patientenpool nahmen 455 Patienten an der Optimierungsphase der Studie teil, in der sie zusätzlich zu einem täglich verabreichten oralen Antidepressivum (Duloxetin, Escitalopram, Sertralin oder Venlafaxin retard) zweimal pro Woche Esketamin in einer Dosis von 56 oder 84 mg erhielten.

Foto: Ralf Geithe – stock.adobe.com

Das Nasenspray, das in den USA bereits als Spravato™ auf dem Markt ist, enthält jeweils 28 mg Esketamin. Die Dosis wird in zwei Sprühstößen appliziert (einer in jedes Nasenloch). Ist eine höhere Dosierung erforderlich, müssen zwei (56 mg) oder drei (84 mg) Zerstäuber verwendet werden.

Rückfallrisiko halbiert

Nach 16 Wochen war bei 297 Patienten entweder eine Remission oder ein stabiles Ansprechen zu verzeichnen. In der sich anschließenden Erhaltungsphase wurde 176 Patienten mit Remission randomisiert entweder Esketamin plus ein orales Antidepressivum oder ein Placebo-Spray plus Antidepressivum verabreicht. Einen Rückfall erlitten 24 Patienten (26,7%) in der Esketamin-Gruppe, unter Placebo waren es 39 (45,3%). Bei den 121 Patienten, die unter 16-wöchiger Behandlung mit Esketamin eine deut­liche Besserung ihrer depressiven Symptome erreicht hatten, kam es bei 16 Probanden (25,8%) in der Gruppe mit Esketamin plus Antidepressivum zu einem Rückfall und bei 34 (57,6%) in der Gruppe mit Placebo plus Antidepressivum.

Damit reduzierte die Kombination Esket­amin plus Antidepressivum im Fall einer Remission das Rückfallrisiko im Vergleich mit Placebo signifikant um 51% (Hazard ratio [HR] 0,49; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,29 bis 0,84), bei stabilem Ansprechen um 70% (HR 0,30; 95%-KI 0,16 bis 0,55).

Die häufigsten un­erwünschten Wir­kungen waren Geschmacksstörungen, Schwindel, Dissoziation, Somnolenz und Verwirrtheit.

Zum Weiterlesen

Bei einer therapieresistenten Depression handelt es sich um eine schwere depressive Episode, bei der mindestens zwei Therapieversuche mit verschiedenen Antidepressiva erfolglos verliefen. Der Bedarf an neuen Therapieoptionen ist hoch. In der Akutbehandlung therapieresistenter und suizid­gefährdeter depressiver Patienten wird Ketamin bereits seit einigen Jahren off-label eingesetzt. Nach bisherigen Erkenntnissen wirkt das S-Enantiomer Esketamin im Gehirn hauptsächlich als Antagonist an NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptoren, die zu den Glutamat-Rezeptoren gehören. Mehr über den Einsatz von Esketamin als Anti­depressivum erfahren Sie in der DAZ 2018, Nr. 29, S. 32.

Die Autoren schlussfolgern aus den Ergebnissen, dass im Falle eines Ansprechens auf Esketamin eine Fortführung der Behandlung sinnvoll erscheint. Nachdem der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA in seiner Okto­ber-Sitzung eine positive Zulassungsempfehlung ab­gegeben hat, rückt eine Markteinführung des Esketamin-Nasensprays in Deutschland in greifbare Nähe – vorausgesetzt, die europäische Kommission folgt den Empfehlungen der EMA. |

Literatur

Daly EA et al. Efficacy and safety of intranasal esketamine adjunctive to oral antidepressant therapy in treatment-resistant depression. JAMA Psychiatry 2018;75(2):139-148

Daly EJ et al. Efficacy of esketamine nasal spray plus oral antidepressant treatment for relapse prevention in patients with treatment-resistant depression. A randomized clinical trial. JAMA Psychiatry 2019; doi:10.1001/jamapsychiatry.2019.1189

European Medicines Agency (EMA). Opinion on Spravato (esketamine). 17. Oktober 2019; www.ema.europa.eu

Spravato™ (esketamine). Prescribing Information (05/2019)

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Das könnte Sie auch interessieren

Wird Esketamin die Behandlung therapieresistenter Depressionen revolutionieren?

Ein Spray gegen die Hoffnungslosigkeit

Bringt Ketamin den lang ersehnten Durchbruch?

Schnelle Hilfe bei Suizidgefahr

FDA verleiht Status einer „Breakthrough Therapy“

Mit Psilocybin gegen Depressionen

Booster-Effekt in kleiner Pilotstudie beobachtet

Esketamin bessert Ansprechen einer antidepressiven Behandlung

Add-on-Therapie mit Minocyclin wirkt

Ein Antibiotikum gegen Depressionen

CHMP empfiehlt Esketamin (Spravato)

Ein Nasenspray bei schweren Depressionen

Zum therapeutischen Potenzial des Narkosemittels abseits der Notfallmedizin

Wundermittel Ketamin?

Grundlagen für das Medikationsmanagement

Unipolare Depression

... kann auch die Begleitmedikation eine Ursache sein

Wenn sich eine Depression trotz Therapie nicht bessert,

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.