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Beratung
Trübe Aussichten
Wie sich die Infektionsgefahr bei Kontaktlinsen reduzieren lässt
Umfragen zufolge tragen in Deutschland derzeit rund 3,5 Millionen Menschen Kontaktlinsen. Es gibt sie in formstabilen (harten) und flexiblen (weichen) Varianten. Flexible Kontaktlinsen sind auch als Farb- oder Motivlinsen verfügbar. Während sie früher nur ästhetischen Zwecken dienten (z. B. als Party-Accessoire), werden sie heute auch in individuellen Sehstärken gefertigt. Die neueste Entwicklung sind Ortho-K-Linsen, dabei steht Ortho für (griech.) richtig und K für Keratologie, die Lehre von der Hornhaut. Diese Linsen können bei Kurzsichtigkeit den Sehfehler während des Schlafs korrigieren. Es handelt sich dabei um harte, stark Sauerstoff-durchlässige Kontaktlinsen, die so an das Auge angepasst werden, dass sie die Cornea gezielt verformen. Nach einer Anpassungszeit von etwa ein bis zwei Wochen soll diese Umformung soweit stabilisiert sein, dass tagsüber für einen Zeitraum zwischen acht und 16 Stunden keine Sehhilfe benötigt wird. Ortho-K-Linsen müssen ebenso sorgfältig gepflegt werden wie alle anderen Kontaktlinsen zur mehrfachen Verwendung.
Hart oder weich – eine individuelle Entscheidung
Die Eigenschaften wie Steifheit, Benetzbarkeit oder Sauerstoff-Durchlässigkeit werden durch die chemische Struktur des Linsenmaterials bestimmt. Formstabile Kontaktlinsen bestehen meistens aus Polymethylmethacrylat oder aus Silicium- bzw. Fluor-haltigen Methacrylat-Polymeren. Ihr Durchmesser ist kleiner als der der Hornhaut (< 10 mm). Durch die geringe Auflagefläche können sie leichter verrutschen als weiche Linsen. In den ersten Tagen nach dem Einsetzen sind sie stärker spürbar als weiche Linsen und können sich etwas unangenehm anfühlen. Die Gewöhnung an weiche Kontaktlinsen erfolgt in der Regel schneller, weil sie sich der Form der Hornhaut gut anpassen können. Wegen ihres größeren Durchmessers (13 bis 16 mm) bedecken weiche Kontaktlinsen fast die gesamte Hornhaut. Da sich die Ränder der weichen Linse unter dem Lid befinden, ist ein Herausfallen nicht möglich. Bei den flexiblen Kontaktlinsen ist die Materialvielfalt sehr groß. Eingesetzt werden Hydroxyethylmethacrylat (HEMA), HEMA-freie Copolymerisate und Silikonkautschuk. Der Wassergehalt der HEMA-freien Materialien kann bis zu 88% betragen. Sie werden deshalb auch als hydrogele Kontaktlinsen bezeichnet. Der Pflegeaufwand ist etwas höher als bei formstabilen Linsen. Die Entscheidung für eine bestimmte Kontaktlinsenart wird einerseits von medizinischen Aspekten wie Sehstärke, Menge und Qualität der Tränenflüssigkeit und eventuell vorliegenden Allergien bestimmt. Andererseits spielen die individuellen Ansprüche eine Rolle. So werden weiche Tageslinsen täglich verworfen und benötigen deshalb keine Reinigung oder Desinfektion. Dagegen müssen weiche Wochen-, Monats- oder Jahreslinsen täglich nach dem Herausnehmen gepflegt und nach der vorgesehenen Tragedauer erneuert werden. Eine Ausnahme bilden die Tag- und Nachtlinsen. Im Gegensatz zu den anderen Kontaktlinsen, für die eine maximale Tragedauer von zehn bis 14 Stunden vorgesehen ist, können diese über mehrere Tage, einige Modelle bis zu einem Monat, Tag und Nacht im Auge bleiben. Sie eignen sich daher beispielsweise für Kontaktlinsenträger mit Bereitschaftsdienst oder Schichtarbeit. Formstabile Kontaktlinsen können bis zu zwei Jahre verwendet werden.
Infektionsgefahr bei Kontaktlinsen
Die Kontaktlinsen-Oberflächen adsorbieren nicht nur Bestandteile des Tränenfilms (z. B. Proteine, Lipide), sondern auch Rückstände von Kosmetika, Mikroorganismen, Gase, Stäube und Pollen. Dadurch kann es am Auge zu allergischen Reaktionen, zu mechanischen Belastungen oder Stoffwechselstörungen kommen. Das Linsenmaterial kann sich verändern, zum Beispiel seine Gasdurchlässigkeit verlieren, oder von pathogenen Mikroorganismen besiedelt werden. Bei weichen Kontaktlinsen ist das Risiko für Pilzinfektionen der Augenhornhaut (Keratomykosen) besonders hoch. Es handelt sich dabei um ein potenziell Visus-bedrohendes Krankheitsbild, erläuterte Dr. med. Mathias Roth, Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf, in einem Vortrag auf dem 117. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im September 2019 in Berlin. Während früher von derartigen Infektionen meistens ältere, in der Landwirtschaft tätige Menschen betroffen waren, besteht das heutige Patientenklientel überwiegend aus jüngeren, gesunden Personen, der Frauenanteil ist dabei hoch. Die Pilzhyphen – am häufigsten Spezies von Candida und Fusarium – wachsen dabei in das Kontaktlinsenmaterial ein. Bis zur richtigen Diagnose vergeht oft viel Zeit. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Symptome wie Fremdkörpergefühl, Hyperämie, Sehverschlechterung, Schmerzen, Photophobie oder Sekretabsonderung anfangs recht unspezifisch sind. Das Fortschreiten der Erkrankung ist im Vergleich zur bakteriellen Keratitis bei einem Pilzbefall meist deutlich langsamer. Behandelt wird mit topischen Antimykotika wie Voriconazol, Fluconazol oder Amphotericin B oder systemisch mit Fluconazol. In schweren Fällen muss die Therapie meistens operativ, zum Beispiel mittels Keratoplastik (Hornhauttransplantation), durchgeführt werden. Augenärzte können ihre Patientenfälle unter www.pilzkeratitis.de an das Nationale Register für mykotische Keratitiden melden.
Die „Not-Lösung“
Kontaktlinsenträger kaufen ihre Pflegemittel in der Regel in Drogeriemärkten, Optiker-Fachgeschäften oder im Internet und nutzen häufig Spar-Angebote mit Doppelpacks oder noch größeren Gebinden. Für Apotheken lohnt es sich daher meistens nicht, entsprechende Produkte vorrätig zu halten. Um für Nachfragen im Nacht- und Notdienst gewappnet zu sein, sind „Travel-Sets“ eine sinnvolle Alternative. Es handelt sich dabei um preisgünstige All-in-One-Lösungen für harte bzw. weiche Linsen plus Aufbewahrungsbehälter, die willkommen sein dürften, wenn die eigene Ausstattung wegen unvorhersehbarer Umstände nicht zur Verfügung steht.
Nicht mit Kontaktlinsen duschen!
Eine der wichtigsten Regeln beim Umgang mit Kontaktlinsen besagt, dass sie nur mit den passenden Pflegemitteln genau nach Anweisung behandelt werden sollen. Keinesfalls darf Leitungswasser zum Abspülen oder Aufbewahren verwendet werden. Darüber hinaus darf man mit Kontaktlinsen nicht duschen und nicht in Naturgewässern schwimmen. Der Hintergrund für diese Regeln ist das potenzielle Vorkommen von Amöbenarten der Gattungen Acanth oder Naegleria an Leitungswasser-Hähnen, Duschköpfen sowie auch in warmen stehenden Gewässern. Das Baden in trüben Naturgewässern in warmen Regionen (z. B. Südostasien, Karibik) kann bis zur Erblindung führen, da diese Protozoen schwere therapieresistente Keratitiden hervorrufen können. Für das Schwimmen in öffentlichen Bädern können weiche Kontaktlinsen in Kombination mit speziellen Schwimmbrillen verwendet werden. Ideal für diesen Zweck sind Tageslinsen, die man nach dem Schwimmbadbesuch entsorgt. Trotz dieser vielfach dokumentierten Risiken hat sich in einem kürzlich publizierten Review gezeigt, dass die Empfehlungen von Fachverbänden sowie die Anwendungshinweise von Kontaktlinsen-Anbietern teilweise nicht eindeutig oder nicht präzise genug sind.
Im Krankheitsfall auf die Brille umsteigen
Bei einigen Erkrankungen sollte vorübergehend auf das Tragen von Kontaktlinsen verzichtet werden. Dazu zählt beispielsweise ein Lippenherpes-Ausbruch. Da die Bläschen hochinfektiös sind, können selbst bei großer Vorsicht Viren auf die Kontaktlinsen gelangen. Generell ist es empfehlenswert, Produkte gegen Lippenherpes mit einem Wattestäbchen und nicht mit den Fingern aufzutragen. Auch bei einer Konjunktivitis oder einer Lidrandentzündung (Blepharitis) sollten Kontaktlinsenträger ihre Brille verwenden. Eine Bindehautentzündung kann außer durch Bakterien oder Viren auch durch die Kontaktlinsen selbst hervorgerufen werden. Deshalb sollte in der Apotheke bei Verdacht auf eine Konjunktivitis zu einer Vorstellung beim Augenarzt geraten werden. Auch bei Erkältungskrankheiten ist ein vorübergehender Kontaktlinsen-Verzicht empfehlenswert. Denn Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken, die zu den häufigen Erregern bei Halsentzündungen oder Sinusitis zählen, könnten auf die Kontaktlinsen übertragen werden und eine bakterielle Keratitis auslösen. Auch in den Aufbewahrungsbehältnissen können sich Erreger vermehren und so über die Kontaktlinse immer wieder ins Auge gelangen.
Auf einen Blick
- Kontaktlinsen sind Medizinprodukte, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen.
- Die Auswahl hängt von der zu korrigierenden Fehlsichtigkeit und den individuellen Ansprüchen an die Trageeigenschaften ab.
- Die Beratung in der Apotheke kann dazu beitragen, schwerwiegende Infektionen zu vermeiden, die bei falschem Umgang und insbesondere bei Nichtbeachtung von Hygieneregeln entstehen können.
- Wichtig sind Hinweise zu Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Kontaktlinsen, da es zu Verfärbungen der Linsen oder den Symptomen eines trockenen Auges kommen kann.
Arzneimittelinteraktionen bei Kontaktlinsen
Für Kontaktlinsenträger ist es in der Regel einleuchtend, dass Augensalben oder ölhaltige Augentropfen mit dem Linsenmaterial auf negative Weise wechselwirken. Aber auch wässrige Augentropfen können das Linsenmaterial schädigen. Diese trifft insbesondere auf den Konservierungsstoff Benzalkoniumchlorid zu, der sich im Gerüstmaterial weicher Kontaktlinsen anreichert. Bei Daueranwendung wässriger Wirkstoff-haltiger Augentropfen müssen die Linsen vor der Applikation herausgenommen werden und dürfen frühestens nach 15 Minuten wieder eingesetzt werden. Auch systemisch angewendete Arzneimittel, die in die Tränenflüssigkeit sezerniert werden, können Probleme mit Kontaktlinsen verursachen. So wurde beispielsweise unter der Einnahme von Rifampicin, Sulfasalazin oder Tetracyclin über Linsenverfärbungen berichtet. Einige Arzneistoffe bewirken eine Verminderung des Tränenflusses (z. B. Betablocker, tricyclische Antidepressiva, Anticholinergika, s. Tab.). Dadurch kann sich unter den Linsen muköses Sekret ansammeln und zu Reizungen, Sehstörungen oder Hornhautschäden führen. Weitere Einschränkungen des Tragekomforts von Kontaktlinsen sind durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis oder Schilddrüsen- und Tumorerkrankungen möglich, da diese das Symptom trockenes Auge hervorrufen.
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Präparate (Beispiele) | Nebenwirkung und Häufigkeit laut Fachinformation |
---|---|---|---|
Aknetherapeutika | Isotretinoin | Isotretinoin-ratiopharm®, Aknenormin® | sehr häufig: trockenes Auge |
Alpha-Sympathomimetika | Clonidin (systemisch) | Catapresan® Tabletten, Injektionslösung | selten: Verminderung des Tränenflusses |
Antiglaucomatosa | Clonidin (lokal) | Clonid Ophthal® | gelegentlich: Augenbrennen |
Timolol | Arutimol®, Dispatim®, Tim-Ophthal® | gelegentlich: Trockenheitsgefühl der Augen | |
Antihistaminika (lokal) | Lodoxamid | Alomide® | häufig: trockenes Auge |
Betablocker | Metoprolol | Beloc-zok®, Belnif®, Generika | selten bis gelegentlich: Konjunktivitis, verminderter Tränenfluss |
Bisoprolol | Concor®, Generika, Kombinationen (z. B. mit HCT) | selten: verminderter Tränenfluss | |
Diuretika | Hydrochlorothiazid | HCT-ratiopharm®, diverse Kombinationen, z. B. Belok zok® comp. | gelegentlich: Einschränkung der Bildung von Tränenflüssigkeit |
Chlortalidon | Hygroton® | selten: Einschränkung der Bildung von Tränenflüssigkeit | |
Hormone | Estriol, Estradiolvalerat | Ovestin®, Oekolp® | Häufigkeit nicht bekannt: Kontaktlinsenunverträglichkeit |
Kontrazeptiva | Ethinylestradiol | Kombinationen, z. B. Evaluna®, Eve®, Gravistat® fem, Belara® | selten: Kontaktlinsenunverträglichkeit |
Psychopharmaka | Pregabalin | Lyrica® | gelegentlich: Augentrockenheit |
Bei Beschwerden zum Augenarzt!
Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V. und die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e. V. empfehlen, dass Kontaktlinsenträger bei jeglichen Beschwerden umgehend ihren Augenarzt konsultieren sollten. Nach Erstanpassung der Hilfsmittel sollte die erste Kontrolle bereits nach zwei bis drei Monaten erfolgen. Danach werden mindestens einmal jährliche – besser halbjährliche Überprüfungen als sinnvoll erachtet, auch wenn keine Beschwerden vorliegen. |
Literatur
Anzahl der Personen in Deutschland, die Sehhilfen (Brille oder Kontaktlinsen) nutzen. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171243/umfrage/tragen-einer-brille-oder-von-kontaktlinsen/
Arshad M et al. Water exposure and the risk of contact lens-related disease. Cornea 2019;38(6):791-797, DOI: 10.1097/ICO.0000000000001898
Borsch J. Pilzinfektionen am Auge durch Kontaktlinsen. DAZ.online-News von 11. August 2017, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/08/11/pilzinfektionen-am-auge-durch-kontaktlinsen
Für den Augenblick. Ortho-K-Linsen. Stiftung Warentest, Journal Gesundheit test 6/2010, www.test.de/Ortho-K-Linsen-Nicht-ohne-Risiko-4098146-4098150/, Abruf am 15. Oktober 2019
Informationen des Berufsverbandes der Augenärzte e. V., www.augeninfo.de, Abruf am 17. Oktober 2019
Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag 2016, 4. Auflage
Roth M. Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf, Vortrag auf dem 117. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), September 2019
Sauber und sicher: Infektionen durch Kontaktlinsen vermeiden. Pressemitteilung des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA), 29. August 2016, www.zva.de/news/sauber-und-sicher-infektionen-durch-kontaktlinsen-vermeiden
www.kontaktlinsen-anbietervergleich.de, Abruf am 17. Oktober 2019
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