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Beratung

Trübe Aussichten

Wie sich die Infektionsgefahr bei Kontaktlinsen reduzieren lässt

Unspezifische Augenbeschwerden sind ein häufiges Beratungsthema in der Apotheke. Bei Kontaktlinsenträgern ist vor allem die Augenhornhaut (Cornea) einem erhöhten Risiko für Läsionen und Infektionen ausgesetzt. Welche Maßnahmen sind hilfreich, um diese zu vermeiden? | Von Claudia Bruhn

Umfragen zufolge tragen in Deutschland derzeit rund 3,5 Millionen Menschen Kontaktlinsen. Es gibt sie in formstabilen (harten) und flexiblen (weichen) Varianten. Flexible Kontaktlinsen sind auch als Farb- oder Motiv­linsen verfügbar. Während sie früher nur ästhetischen Zwecken dienten (z. B. als Party-Accessoire), werden sie heute auch in individuellen Sehstärken gefertigt. Die neueste Entwicklung sind Ortho-K-Linsen, dabei steht Ortho für (griech.) richtig und K für Keratologie, die Lehre von der Hornhaut. Diese Linsen können bei Kurzsichtigkeit den Sehfehler während des Schlafs korrigieren. Es handelt sich dabei um harte, stark Sauerstoff-durchlässige Kontakt­linsen, die so an das Auge angepasst werden, dass sie die Cornea gezielt verformen. Nach einer Anpassungszeit von etwa ein bis zwei Wochen soll diese Umformung soweit stabilisiert sein, dass tagsüber für einen Zeitraum zwischen acht und 16 Stunden keine Sehhilfe benötigt wird. Ortho-K-Linsen müssen ebenso sorgfältig gepflegt werden wie alle anderen Kontaktlinsen zur mehrfachen Verwendung.

Hart oder weich – eine individuelle Entscheidung

Die Eigenschaften wie Steifheit, Benetzbarkeit oder Sauerstoff-Durchlässigkeit werden durch die chemische Struktur des Linsenmaterials bestimmt. Formstabile Kontaktlinsen bestehen meistens aus Polymethylmethacrylat oder aus Silicium- bzw. Fluor-haltigen Methacrylat-Polymeren. Ihr Durchmesser ist kleiner als der der Hornhaut (< 10 mm). Durch die geringe Auflagefläche können sie leichter verrutschen als weiche Linsen. In den ersten Tagen nach dem Einsetzen sind sie stärker spürbar als weiche Linsen und können sich etwas unangenehm anfühlen. Die Gewöhnung an weiche Kontaktlinsen erfolgt in der Regel schneller, weil sie sich der Form der Hornhaut gut anpassen können. Wegen ihres größeren Durchmessers (13 bis 16 mm) bedecken weiche Kontakt­linsen fast die gesamte Hornhaut. Da sich die Ränder der weichen Linse unter dem Lid befinden, ist ein Herausfallen nicht möglich. Bei den flexiblen Kontaktlinsen ist die Materialvielfalt sehr groß. Eingesetzt werden Hydroxyethylmethacrylat (HEMA), HEMA-freie Copolymerisate und Silikonkautschuk. Der Wassergehalt der HEMA-freien Materialien kann bis zu 88% betragen. Sie werden deshalb auch als hydrogele Kontaktlinsen bezeichnet. Der Pflegeaufwand ist etwas höher als bei formstabilen Linsen. Die Entscheidung für eine bestimmte Kontaktlinsenart wird einerseits von medizinischen Aspekten wie Sehstärke, Menge und Qualität der Tränenflüssigkeit und eventuell vorliegenden Allergien bestimmt. Andererseits spielen die individuellen Ansprüche eine Rolle. So werden weiche Tageslinsen täglich verworfen und benötigen deshalb keine Reinigung oder Desinfektion. Dagegen müssen weiche Wochen-, Monats- oder Jahres­linsen täglich nach dem Herausnehmen gepflegt und nach der vorgesehenen Tragedauer erneuert werden. Eine Ausnahme bilden die Tag- und Nachtlinsen. Im Gegensatz zu den anderen Kontaktlinsen, für die eine maximale Tragedauer von zehn bis 14 Stunden vorgesehen ist, können diese über mehrere Tage, einige Modelle bis zu einem Monat, Tag und Nacht im Auge bleiben. Sie eignen sich daher beispielsweise für Kontaktlinsenträger mit Bereitschaftsdienst oder Schicht­arbeit. Formstabile Kontaktlinsen können bis zu zwei Jahre verwendet werden.

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Der Umgang mit Kontaktlinsen soll nur mit gewaschenen und mit einem fusselfreien Handtuch gründlich abgetrockneten Händen erfolgen. Fällt eine formstabile Linse aus dem Auge heraus, muss sie als Erstes desinfiziert werden. Auch die Aufbewahrungsbehälter müssen regelmäßig ausgetauscht werden, damit es nicht zu einer Keimbelastung der Linsen kommt.

Infektionsgefahr bei Kontaktlinsen

Die Kontaktlinsen-Oberflächen adsorbieren nicht nur Bestandteile des Tränenfilms (z. B. Proteine, Lipide), sondern auch Rückstände von Kosmetika, Mikroorganismen, Gase, Stäube und Pollen. Dadurch kann es am Auge zu allergischen Reaktionen, zu mechanischen Belastungen oder Stoffwechselstörungen kommen. Das Linsenmaterial kann sich ver­ändern, zum Beispiel seine Gasdurchlässigkeit verlieren, oder von pathogenen Mikroorganismen besiedelt werden. Bei ­weichen Kontaktlinsen ist das Risiko für Pilzinfektionen der Augenhornhaut (Keratomykosen) besonders hoch. Es handelt sich dabei um ein potenziell Visus-bedrohendes Krankheitsbild, erläuterte Dr. med. Mathias Roth, Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf, in einem Vortrag auf dem 117. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im September 2019 in Berlin. Während früher von derartigen Infektionen meistens ältere, in der Landwirtschaft tätige Menschen betroffen waren, besteht das heutige Patientenklientel überwiegend aus jüngeren, gesunden Personen, der Frauenanteil ist dabei hoch. Die Pilz­hyphen – am häufigsten Spezies von Candida und Fusarium – wachsen dabei in das Kontaktlinsenmaterial ein. Bis zur richtigen Diagnose vergeht oft viel Zeit. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Symptome wie Fremdkörpergefühl, Hyperämie, Sehverschlechterung, Schmerzen, Photophobie oder Sekretabsonderung anfangs recht unspezifisch sind. Das Fortschreiten der Erkrankung ist im Vergleich zur bakteriellen Keratitis bei einem Pilzbefall meist deutlich langsamer. Behandelt wird mit topischen Antimykotika wie Voricon­azol, Fluconazol oder Amphotericin B oder systemisch mit Fluconazol. In schweren Fällen muss die Therapie meistens operativ, zum Beispiel mittels Keratoplastik (Hornhauttransplantation), durchgeführt werden. Augenärzte können ihre Patientenfälle unter www.pilzkeratitis.de an das Nationale Register für mykotische Keratitiden melden.

Die „Not-Lösung“

Kontaktlinsenträger kaufen ihre Pflegemittel in der Regel in Drogeriemärkten, Optiker-Fachgeschäften oder im Internet und nutzen häufig Spar-Angebote mit Doppelpacks oder noch größeren Gebinden. Für Apotheken lohnt es sich daher meistens nicht, entsprechende Produkte vorrätig zu halten. Um für Nachfragen im Nacht- und Notdienst gewappnet zu sein, sind „Travel-Sets“ eine sinnvolle Alternative. Es handelt sich dabei um preisgünstige All-in-One-Lösungen für harte bzw. weiche Linsen plus Aufbewahrungsbehälter, die willkommen sein dürften, wenn die eigene Ausstattung wegen unvorhersehbarer Umstände nicht zur Verfügung steht.

Nicht mit Kontaktlinsen duschen!

Eine der wichtigsten Regeln beim Umgang mit Kontakt­linsen besagt, dass sie nur mit den passenden Pflegemitteln genau nach Anweisung behandelt werden sollen. Keinesfalls darf Leitungswasser zum Abspülen oder Aufbewahren verwendet werden. Darüber hinaus darf man mit Kontaktlinsen nicht duschen und nicht in Naturgewässern schwimmen. Der Hintergrund für diese Regeln ist das potenzielle Vorkommen von Amöbenarten der Gattungen Acanth oder Naegleria an Leitungswasser-Hähnen, Duschköpfen sowie auch in warmen stehenden Gewässern. Das Baden in trüben Naturgewässern in warmen Regionen (z. B. Südostasien, Karibik) kann bis zur Erblindung führen, da diese Protozoen schwere therapieresistente Keratitiden hervorrufen können. Für das Schwimmen in öffentlichen Bädern können weiche Kontaktlinsen in Kombination mit speziellen Schwimm­brillen verwendet werden. Ideal für diesen Zweck sind Tageslinsen, die man nach dem Schwimmbadbesuch entsorgt. Trotz dieser vielfach dokumentierten Risiken hat sich in einem kürzlich publizierten Review gezeigt, dass die Empfehlungen von Fachverbänden sowie die Anwendungshinweise von Kontaktlinsen-Anbietern teilweise nicht eindeutig oder nicht präzise genug sind.

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Die Augen schminken sollte man erst nach dem Einsetzen der Kontaktlinsen. Abgeschminkt wird das Gesicht, wenn man die Linsen entfernt hat.

Im Krankheitsfall auf die Brille umsteigen

Bei einigen Erkrankungen sollte vorübergehend auf das Tragen von Kontaktlinsen verzichtet werden. Dazu zählt beispielsweise ein Lippenherpes-Ausbruch. Da die Bläschen hochinfektiös sind, können selbst bei großer Vorsicht Viren auf die Kontaktlinsen gelangen. Generell ist es empfehlenswert, Produkte gegen Lippenherpes mit einem Watte­stäbchen und nicht mit den Fingern aufzutragen. Auch bei einer Konjunktivitis oder einer Lidrandentzündung (Blepharitis) sollten Kontaktlinsenträger ihre Brille verwenden. Eine Bindehautentzündung kann außer durch Bakterien oder Viren auch durch die Kontaktlinsen selbst hervorgerufen werden. Deshalb sollte in der Apotheke bei Verdacht auf eine Konjunktivitis zu einer Vorstellung beim Augenarzt geraten werden. Auch bei Erkältungskrankheiten ist ein vorübergehender Kontaktlinsen-Verzicht empfehlenswert. Denn Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken, die zu den häufigen Erregern bei Halsentzündungen oder Sinusitis zählen, könnten auf die Kontaktlinsen übertragen werden und eine bakterielle Keratitis auslösen. Auch in den Aufbewahrungsbehältnissen können sich Erreger vermehren und so über die Kontaktlinse immer wieder ins Auge gelangen.

Auf einen Blick

  • Kontaktlinsen sind Medizinprodukte, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen.
  • Die Auswahl hängt von der zu korrigierenden Fehlsichtigkeit und den individuellen Ansprüchen an die Trageeigenschaften ab.
  • Die Beratung in der Apotheke kann dazu beitragen, schwerwiegende Infektionen zu vermeiden, die bei falschem Umgang und insbesondere bei Nichtbeachtung von Hygiene­regeln entstehen können.
  • Wichtig sind Hinweise zu Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Kontaktlinsen, da es zu ­Verfärbungen der Linsen oder den Symptomen eines ­trockenen Auges kommen kann.

Arzneimittelinteraktionen bei Kontaktlinsen

Für Kontaktlinsenträger ist es in der Regel einleuchtend, dass Augensalben oder ölhaltige Augentropfen mit dem Linsenmaterial auf negative Weise wechselwirken. Aber auch wässrige Augentropfen können das Linsenmaterial schädigen. Diese trifft insbesondere auf den Konservierungsstoff Benzalkoniumchlorid zu, der sich im Gerüstmaterial weicher Kontaktlinsen anreichert. Bei Daueranwendung wässriger Wirkstoff-haltiger Augentropfen müssen die Linsen vor der Applikation herausgenommen werden und dürfen frühestens nach 15 Minuten wieder eingesetzt werden. Auch systemisch angewendete Arzneimittel, die in die Tränen­flüssigkeit sezerniert werden, können Probleme mit Kontaktlinsen verursachen. So wurde beispielsweise unter der Einnahme von Rifampicin, Sulfasalazin oder Tetracyclin über Linsenverfärbungen berichtet. Einige Arzneistoffe ­bewirken eine Verminderung des Tränenflusses (z. B. Betablocker, tricyclische Antidepressiva, Anticholinergika, s. Tab.). Dadurch kann sich unter den Linsen muköses Sekret ansammeln und zu Reizungen, Sehstörungen oder Hornhautschäden führen. Weitere Einschränkungen des Tragekomforts von Kontaktlinsen sind durch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, rheumatoide Arthritis oder Schilddrüsen- und Tumorerkrankungen möglich, da diese das Symptom trockenes Auge hervorrufen.

Tab.: Reduzierte Tränenflüssigkeit als Nebenwirkung. Patienten, die über Trockenheitsgefühl in den Augen berichten, sollten nach ihrer aktuellen (Dauer-)Medikation befragt werden. Es sollte jedoch immer in die Fachinformation geschaut werden, denn in vielen Fällen tritt Augentrockenheit als Nebenwirkung nur gelegentlich oder selten auf [Quelle: Fachinformationen]. sehr häufig: > 1/10, häufig: ≥ 1/100 < 1/10, gelegentlich: ≥ 1/1000 < 1/100, selten ≥ 1/10.000 < 1/1000
Wirkstoffgruppe
Wirkstoffe
Präparate (Beispiele)
Nebenwirkung und Häufigkeit laut Fachinformation
Aknetherapeutika
Isotretinoin
Isotretinoin-ratiopharm®, Aknenormin®
sehr häufig: trockenes Auge
Alpha-Sympathomimetika
Clonidin (systemisch)
Catapresan® Tabletten, Injektionslösung
selten: Verminderung des Tränenflusses
Antiglaucomatosa
Clonidin (lokal)
Clonid Ophthal®
gelegentlich: Augenbrennen
Timolol
Arutimol®, Dispatim®, Tim-Ophthal®
gelegentlich: Trockenheitsgefühl der Augen
Antihistaminika (lokal)
Lodoxamid
Alomide®
häufig: trockenes Auge
Betablocker
Metoprolol
Beloc-zok®, Belnif®, Generika
selten bis gelegentlich: Konjunkti­vitis, verminderter Tränenfluss
Bisoprolol
Concor®, Generika, Kombinationen (z. B. mit HCT)
selten: verminderter Tränenfluss
Diuretika
Hydrochlorothiazid
HCT-ratiopharm®, diverse Kombinationen, z. B. Belok zok® comp.
gelegentlich: Einschränkung der Bildung von Tränenflüssigkeit
Chlortalidon
Hygroton®
selten: Einschränkung der Bildung von Tränenflüssigkeit
Hormone
Estriol, Estradiolvalerat
Ovestin®, Oekolp®
Häufigkeit nicht bekannt: Kontaktlinsenunverträglichkeit
Kontrazeptiva
Ethinylestradiol
Kombinationen, z. B. Evaluna®, Eve®, Gravistat® fem, Belara®
selten: Kontaktlinsen­unverträglichkeit
Psychopharmaka
Pregabalin
Lyrica®
gelegentlich: Augentrockenheit

Bei Beschwerden zum Augenarzt!

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V. und die ­Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e. V. empfehlen, dass Kontaktlinsenträger bei jeglichen Beschwerden umgehend ihren Augenarzt konsultieren sollten. Nach Erst­anpassung der Hilfs­mittel sollte die erste Kontrolle bereits nach zwei bis drei Monaten erfolgen. Danach werden mindestens einmal jährliche – besser halbjährliche Überprüfungen als sinnvoll erachtet, auch wenn keine Beschwerden vorliegen. |

 

Literatur

Anzahl der Personen in Deutschland, die Sehhilfen (Brille oder Kontaktlinsen) nutzen. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171243/umfrage/tragen-einer-brille-oder-von-kontaktlinsen/

Arshad M et al. Water exposure and the risk of contact lens-related disease. Cornea 2019;38(6):791-797, DOI: 10.1097/ICO.0000000000001898

Borsch J. Pilzinfektionen am Auge durch Kontaktlinsen. DAZ.online-News von 11. August 2017, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/08/11/pilzinfektionen-am-auge-durch-kontaktlinsen

Für den Augenblick. Ortho-K-Linsen. Stiftung Warentest, Journal Gesundheit test 6/2010, www.test.de/Ortho-K-Linsen-Nicht-ohne-Risiko-4098146-4098150/, Abruf am 15. Oktober 2019

Informationen des Berufsverbandes der Augenärzte e. V., www.augeninfo.de, Abruf am 17. Oktober 2019

Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag 2016, 4. Auflage

Roth M. Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Düsseldorf, Vortrag auf dem 117. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), September 2019

Sauber und sicher: Infektionen durch Kontaktlinsen vermeiden. Pressemitteilung des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA), 29. August 2016, www.zva.de/news/sauber-und-sicher-infektionen-durch-kontaktlinsen-vermeiden

www.kontaktlinsen-anbietervergleich.de, Abruf am 17. Oktober 2019

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Bei­träge für die DAZ.

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