Schwangerschaft

Bei Juckreiz an die Galle denken

Cholestase während der Schwangerschaft kann zu fetalen Komplikationen führen

Die intra­hepatische Schwangerschafts­cholestase ist eine seltene, aber ernst zu nehmende Störung des Gallen­flusses. Sie tritt vermehrt im letzten Schwangerschaftsdrittel auf. Als Leitsymptom zeigt sich ein teils heftiger Juckreiz. Laborchemisch lässt sich im Serum eine erhöhte Gallensäurekonzentration und ein Anstieg der Transaminasen nachweisen. Nach der Geburt klingen die Symptome innerhalb weniger Wochen ab. Zwar ist die Prognose für die Mutter gut, doch sollte gerade bei schweren Verlaufsformen besonders auf die Gesundheit des Fetus geachtet werden. | Von Dorothée Malonga Makosi

Die intrahepatische Schwangerschafts­cholestase (Intrahepatic Cholestase of Pregnancy, ICP) zählt zu den häufigsten Lebererkrankungen in der Schwangerschaft. Nach den Virus­hepatitiden ist sie die zweithäufigste Ursache für einen Schwangerschafts­ikterus (Gelbsucht) [1]. Fälle von intrahepatischer Schwangerschafts­cholestase finden sich bei allen ethnischen Gruppen, jedoch mit zuweilen stark unterschiedlichen Inzidenzen je nach Region. In Mittel-/Westeuropa und Nordamerika liegt die Inzidenz zwischen 0,4 und 1,0%, in Skandinavien und im Baltikum bei 1 bis 2%. Eine deutlich höhere Inzidenzrate zeigt sich in Chile und Bolivien (5 bis 15%) [2]. In China liegt sie mit 1,2 bis 6,0% ebenfalls über den Raten in Europa. Neben geografischen Unterschieden, unterliegt das Auftreten der Fälle auch jahreszeitlichen Schwankungen. So steigen die Raten in den Wintermonaten im Vergleich zu den Sommermonaten leicht an. Einen möglichen Zusammenhang sehen Forscher hier mit den schwankenden Vitamin-D-Spiegeln zu diesen Jahreszeiten.

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Klagen schwangere Frauen über starken Juckreiz an Fußsohlen und Handinnenflächen, sollte man hellhörig werden.

Andere Ursachen ausschließen

Das Leitsymptom für die Diagnose der intrahepatischen Schwangerschafts­cholestase ist der zuweilen intensive und spontan auftretende Juckreiz (Pruritus), der häufig an Händen, Armen und Beinen beginnt und sich später auf den ganzen Körper ausbreiten kann. Besonders betroffen sind dabei die Handinnenflächen und Fußsohlen. Patien­tinnen berichten oft, dass die Symptome nachts am stärksten sind. Dies führt teilweise zu großen Einschränkungen in der Lebensqualität der Betroffenen. Primäre sichtbare Hautveränderungen lassen sich dabei allerdings nicht beobachten. Bedingt durch intensives Kratzen zeigen sich je nach Intensität auffällige Hautläsionen. Die Diagnose wird gestützt durch den Nachweis erhöhter Nüchtern-Gallensalzkonzentrationen (> 10 µmol/l) im Blut und einer Erhöhung der Trans­aminase-Werte zwei bis vier Wochen nach Krankheitsbeginn.

Die intrahepatische Schwangerschafts­cholestase ist eine Ausschlussdiagnose und muss differenzialdiagnostisch von anderen hepatobiliären Krank­heiten, wie Hepatitis B und C, Erkrankungen der Gallenblase oder dem HELLP-Syndrom – das durch Hämolyse (H), erhöhte Konzentrationen der Leberenzym (EL = elevated liver enzymes) und Thrombozytopenie (LP = low platelet count) gekennzeichnet ist – abgegrenzt werden. Eine Sonografie des Oberbauchs dient in der Regel zusätzlich dem Ausschluss einer biliären Obstruktion.

Weitere eher unspezifische Symptome sind Übelkeit, Ikterus und Steatorrhö. Bei Letzterer kann es in einzelnen Fällen zu einer Malabsorption fettlöslicher Vitamine mit der Folge eines Vit­amin-K-Mangels kommen. Zum Schutz der Mutter vor Hämorrhagien sind hier Vitamin-K-­Injektionen empfohlen [1, 3].

Komplexe Pathogenese

Die Pathogenese der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase ist heterogen und komplex. Drei mögliche Faktoren sind beschrieben: eine genetische Prädisposition, hormonelle Faktoren sowie schädigende Umwelteinflüsse. Vermutlich begünstigt eine Kombination aus allen drei Faktoren die Entstehung.

Mittlerweile konnten in mindestens sieben Genen Defekte gefunden werden, die man mit der Schwangerschafts­cholestase in Verbindung bringt. Eines der ersten identifizierten Gene war das ABCB4 (syn. MDR, Multi Drug Resistance-Gen). Ein Mitglied der ABC-Transporter-Superfamilie [1]. Die Defekte und Mutationen führen in der Regel zu Störungen des kanikulären Gallensäuretransportsystems. Die geno­typische und phänotypische Vielfalt ist dabei sehr groß. Man geht davon aus, dass bei heterozygoten Patientinnen mindestens noch ein zusätzlicher Triggerfaktor nötig ist, um das klinische Vollbild einer intrahepatischen Schwangerschafts­cholestase zu entwickeln.

Auch Progesteron-Metabolite könnten eine nennenswerte Rolle in der Pa­tho­genese spielen. Im Vergleich zu ­Patientinnen mit unkomplizierten Schwangerschaften, finden sich bei den von einer intrahepatischen Schwangerschaftscholestase Betrof­fenen stark erhöhte Serumspiegel ­sulfatierter Progesteron-Metabolite. Man geht davon aus, dass sowohl die biliäre Exkretion als auch die Ausscheidung der Metabolite vermindert ist. Da Östrogen und Progesteron ihre höchsten Spiegel im letzten Trimenon der Schwangerschaft erreichen, würde dies auch das gehäufte Auf­treten im dritten Trimenon oder bei Mehrlingsschwangerschaften erklären (in bis zu 14% bei Zwillings- und bis zu 43% bei Drillingsschwangerschaften) [4, 5].

Als mögliche Trigger einer intrahepatischen Schwangerschaftscholestase werden verringerte Vitamin-D-Spiegel, ein Mangel an Selen und Spätgeburten (Alter der Mutter > 35 Jahre) diskutiert. Ein Zusammenhang mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel würde auch die leicht ansteigende Inzi­denz in den Wintermonaten er­klären [5]. Große skandinavische Register­daten und Metaanalysen zeigten zudem eine Assoziation mit einer chronischen Hepatitis. Das Risiko für eine intrahepatische Schwangerschafts­cholestase war hier nochmals um bis zu 20% erhöht [6, 7].

Tab.: Fetale Komplikationen (nach [3, 13])
Fetale Komplikationen
Häufigkeit
Frühgeburtlichkeit
19 – 60%
Mekoniumfärbung des Fruchtwassers
27%
fetale Bradykardie
14%
fetaler Distress
22 – 41%
intrauteriner Fruchttod (IUFT)
0,4 – 4,1%

Gallensalze als Pruritogene

Die Ursache für den Pruritus ist bisher nur partiell verstanden. Untersuchungen deuten darauf hin, dass die nachgewiesenen Gallensalze als Pruritogene agieren. Eine Senkung der Gallensalze durch Ursodesoxycholsäure (UDCA) zeigte in klinischen Studien einen positiven Effekt auf die Linderung des Juckreizes [1, 8, 9]. UDCA ist als natürliche Gallensäure in geringen Mengen in der menschlichen Galle enthalten. Beim Bären (lat. ursus) wird sie in hohen Konzentrationen gefunden. Aufgrund ihrer hydro­philen, oberflächenaktiven Eigen­schaften verdrängt UDCA toxische, lipophile Gallensäuren aus dem Gallensäurenspeicher [10]. Therapeutisch werden partialsynthetisch her­gestellte Präparate genutzt (z. B. Ursofalk®, Ursochol®).

Therapie mit ­Ursodesoxycholsäure

In der klinischen Praxis gilt UDCA derzeit als Mittel der Wahl zur Behand­lung der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase. Der Einsatz erfolgt off label. In Dosierungen von 15 mg/kg Körpergewicht/Tag, verteilt auf ein bis zwei Dosen, konnte UDCA in kleinen Studien auch die erhöhten Gallensalze und Transamin­asen normalisieren, bei gleichzeitiger Senkung des fetalen Risikos [1, 9]. Darüber hinaus deuteten die Ergebnisse auf eine verringerte Wahrscheinlichkeit für Frühgeburtlichkeit und eine damit einhergehende Reduzierung der Hospitalisationsrate auf Intensivstationen hin [11]. Metaanalysen untermauern ein gutes Nutzen-Risikoprofil von UDCA in der Schwangerschaft, da es ohne Schädigung von Mutter oder Kind eingesetzt werden kann [12]. Um vorzeitige Therapieabbrüche zu vermeiden, ist es wichtig, Patientinnen darüber zu informieren, dass eine spürbare Verbesserung in der Regel erst nach ein bis zwei Wochen einsetzt. Als Nebenwirkung kann ein leichter Durchfall auftreten. Wöchentlich sollten Gallensäuren, Bilirubin und Transaminasen überwacht werden. Die Therapie kann nach der Entbindung wieder abgesetzt werden.

Aktuell gilt UDCA im Vergleich zu ande­ren Arzneimitteln wie Cholestyr­amin oder Dexamethason als über­legen. Allerdings stellen neue Studienergebnisse die derzeitigen Therapieempfehlungen infrage (s. Kasten „Wirksamkeit von UDCA infrage gestellt“).

Wirksamkeit von UDCA infrage gestellt

In einer kürzlich veröffentlichten Studie aus England und Wales konnten Forscher keine Evidenz für die aktuell gültige Therapieempfehlung zum Einsatz von Ursodesoxycholsäure (UDCA) bei intra­hepatischer Schwangerschafts­cholestase finden [14].

In der PITCHES-Studie, einer multizentrischen, placebokontrollierten Doppelblindstudie, wurden über einen Zeitraum von etwa drei Jahren 605 Frauen mit intrahepatischer Schwangerschafts­cholestase an 33 verschiedenen Kliniken untersucht. Unter der Therapie mit UDCA konnte gegen­über Placebo keine signifikante Verbesserung der Effekte auf den Fetus fest­gestellt werden. Der primäre Endpunkt (perinatale Sterblichkeit, Frühgeburtlichkeit oder Hospitalisierung auf neonatalen Intensivstationen) trat bei 74 von 322 Kindern (23%) in der UDCA-Gruppe ein, unter Placebo bei 85 von 318 Kindern (27%). Das adjustierte Risikoverhältnis betrug 0,85 (95%-Konfidenzintervall 0,62 bis 1,15). Die Pruritus-Symptome verbesserten sich in der UDCA-Gruppe im Vergleich zu Placebo nur leicht.

Die PITCHES-Studie ist die erste placebokontrollierte klinische Studie mit einer derart großen Fallzahl, die den Nutzen von UDCA bei der intrahepatischen Schwangerschaftscholestase unter­sucht hat. Die Ergebnisse aus den bisher durchgeführten Metaanalysen werden durch die aktuellen Daten infrage gestellt. Ob die neuen Ergebnisse Einzug in die Leitlinie finden werden, bleibt abzuwarten.

Als Zweitlinientherapie bei cholestatischem Pruritus mit unterschiedlicher Genese kann Rifampicin eingesetzt werden. Die empfohlene Dosierung liegt bei 300 bis 600 mg/Tag. In theoretischen Überlegungen weist Rifampicin komplementäre anticholestatische Effekte zu UDCA auf [3]. Bei schweren Verlaufsformen kann es auch zusätzlich zu UDCA eingesetzt werden. Bei leichteren Verlaufsformen bieten sich topische Therapeutika zur Symptomlinderung an. Hydratisierende und rückfettende Cremes mit Zusätzen von z. B. 1 bis 2% Menthol haben einen kühlenden und juckreizlindernden Effekt [1]. Eine zusätzliche Gabe von Antihistaminika kann ebenfalls eine effektive Linderung des Juckreizes bewirken.

Häufig wird zur Minimierung des fetalen Risikos die Entbindung bereits in der 36. bis 38. Schwangerschaftswoche eingeleitet. Wann und ob diese Maßnahme nötig ist, hängt aber immer vom individuellen Fall der Mutter ab und sollte nur in enger Absprache mit einem erfahrenen Arzt entschieden werden.

Auf einen Blick

  • Die intrahepatische Schwangerschafts­cholestase kommt in Mitteleuropa zwar selten vor, ist aber dennoch eine der häufigsten schwangerschaftsspezifischen Lebererkrankungen.
  • In jedem Fall sollte genau hingehört werden, wenn werdende Mütter über einen Juckreiz unbekannter Ursache berichten. Eine Abklärung durch den Arzt ist zu empfehlen.
  • In der klinischen Praxis hat sich der Einsatz von Ursodesoxycholsäure bewährt. Auch hydratisierende und rückfettende Cremes mit Zusätzen von z. B. 1 bis 2% Menthol können den Juckreiz lindern.

Engmaschig überwachen

Die Prognose für die Mutter ist gut. Nach der Entbindung bildet sich der Pruritus in der Regel innerhalb von 48 Stunden zurück. Nach zwei bis vier Wochen erreichen die Labor­parameter wieder normale Werte. Die Möglichkeit zu Stillen ist zu ­keinem Zeitpunkt beeinträchtigt. Für das ungeborene Kind hingegen kann eine intrahepatische Schwangerschaftscholestase mit teilweise schwerwiegenden Risiken einhergehen. In Studien zeigte sich eine erhöhte fetale Mortalität und Morbi­­-dität in Korrelation mit der Höhe der ­maternalen Gallensalzspiegel (≥ 40 µmol/l). Die Frühgeburtenrate liegt zwischen 19 bis 60% [3]. In wenigen, besonders kritischen Fällen (0,9 bis 1,3%) kann es nach der 36. Schwangerschaftswoche sogar zum intra­uterinen Fruchttod kommen [13]. Assoziierte fetale Komplikationen sind in der Tabelle auf­gelistet. In jedem Fall ist eine regelmäßige Kontrolle der Symptome und eine eng­maschige Überwachung des unge­borenen Kindes nötig. |

 

Literatur

 [1] Kremer AE et al. Intrahepatische Schwangerschaftscholestase. Hautarzt 2017;68(2):95-102

 [2] orpha.net. Das Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs. Schwangerschafts­cholestase, intrahepatische. Stand Mai 2007; Abruf am 21. Oktober 2019. www.orpha.net

 [3] Haslinger C, Gonser M. Schwangerschafts­cholestase. In: Dimpfl T et al. (eds) Weiterbildung Gynäkologie und Geburtshilfe. Springer, Berlin, Heidelberg. 2017;177-186

 [4] Floreani A, Gervasi MT. New insights on intrahepatic cholestasis of pregnancy. Clin Liver Dis 2016;20(1):177-189

 [5] Ovadia C, Williamson C. Intrahepatic cholestasis of pregnancy: Recent advances. Clin Dermatol 2016;34(3):327-334

 [6] Marschall HU et al. Intrahepatic cholestasis of pregnancy and associated hepatobiliary disease: a population-based cohort study. Hepatology 2013;58(4):1385-1391

 [7] Wijarnpreecha K et al. Hepatitis C infection and intrahepatic cholestasis of pregnancy: A systematic review and meta-analysis. Clin Res Hepatol Gastroenterol 2017;41(1):39-45

 [8] Reichert MC et al. Intrahepatische Schwangerschaftscholestase. Geburtshilfe Frauenheilkd 2018;78(01):29-33

 [9] Dixon PH, Williamson C. The pathophysiology of intrahepatic cholestasis of pregnancy. Clin Res Hepatol Gastroenterol 2016;40(2):141-153

[10] Otto HH, Nieber K. Helwig/Otto, Arzneimittel. Ursodesoxycholsäure. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. Stand 02/2014

[11] Zhang Y et al. Ursodeoxycholic Acid and S-adenosylmethionine for the Treatment of Intrahepatic Cholestasis of Pregnancy: A Meta-analysis. Hepat Mon 2016;16(8):e38558

[12] Kong X et al. Evaluating the effectiveness and safety of ursodeoxycholic acid in treatment of intrahepatic cholestasis of pregnancy: A meta-analysis (a prisma-compliant study). Medicine (Baltimore) 2016;95(40):e4949

[13] Kenyon AP et al. Obstetric cholestasis, outcome with active management: a series of 70 cases. BJOG 2002;109(3):282-288

[14] Chappell LC et al. Ursodeoxycholic acid versus placebo in women with intrahepatic cholestasis of pregnancy (PITCHES): a randomised controlled trial. Lancet 2019;394(10201):849-860

 

Autorin

Foto: Thomas Böhm

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi hat nach ihrer Approbation ein Studium zum Master of Public Health (MPH) an der Berlin School of Public Health (BSPH) der Charité Universitätsmedizin, Berlin, absolviert. Derzeit ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Statistik (IMBEI) der Universitätsmedizin Mainz mit der Koordination der Evaluation des KiDSafe-Projekts betraut.

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