Aus den Ländern

Immer mehr Fragen zum E-Rezept

Chancen und Risiken neuer digitaler Leistungen im Mittelpunkt des Apothekertags Mecklenburg-Vorpommern

WARNEMÜNDE (tmb) | Beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern am 9. November in Rostock-Warnemünde drehte sich alles um die Digitalisierung. Dabei zeigte sich: Die Apotheker sind gefordert, die neuen Chancen zu nutzen. Zugleich ist der Staat gefragt, damit die Risiken des E-Rezepts beherrschbar bleiben. Zur Bedeutung der Modellprojekte für das E-Rezept wurden unterschiedliche Positionen erkennbar und zur praktischen Handhabung ergaben sich immer wieder neue Fragen.

Kritik an Spahn

Der Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern fand wieder im Rahmen des Fortbildungswochenendes, der Scheele-Tagung, mit etwa 260 Teilnehmern statt. Bei der Eröffnung des Apothekertages erinnerte Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, an ein Statement von Bundesgesundheits­minister Jens Spahn, er habe für an­dere Maßnahmen zu Apotheken keine Kraft, wenn er sich um ein Rx-Versandverbot kümmern solle. Dazu entgegnete Engel, es sei bedauerlich, wenn der Minister keine Kraft für Maßnahmen habe, die das Problem von jährlich 20.000 Toten durch arzneimittelbezogene Ereignisse angehen sollen. Um die neuen Dienstleistungen doch umsetzen zu können, würden sich die Apotheker auf die sozialrechtliche Preisbindung einlassen, folgerte Engel und ergänzte, dass die Bundesapothekerkammer dafür einen Finanzbedarf von jährlich 800 Millionen Euro sieht. Im aktuellen Gesetzentwurf sind allerdings nur etwa 150 Millionen Euro eingeplant.

Foto: DAZ/ck

Diskussionsrunde beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern (von links): Dr. Frank Verheyen (Techniker Krankenkasse), Sebastian Ehlers (gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern), Dr. Peter Froese (Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein), Lydia Kämpfe (Justiziarin des Landesdatenschutzbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern), Dr. Karsten Diers (Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg) diskutierten die praktische Umsetzung des E-Rezeptes in der Apotheke.

Positionierung zum E-Rezept

Zur Digitalisierung forderte Engel, beim E-Rezept müssten der Datenschutz und die freie Apothekenwahl gewährleistet sein. Derzeit würden die Apotheker von Akteuren bedrängt, mit denen sie sonst nichts zu tun hätten. Obwohl die Details des E-Rezepts noch nicht feststünden, würden derzeit alle versuchen sich zu positionieren. Zudem kritisierte Engel, dass das Digitale-Versorgung-Gesetz nicht genutzt worden sei, um das Makelverbot und die Honorierung der Apotheker zum E-Medikationsplan zu regeln.

Verständnis bei der Landes-CDU

Sebastian Ehlers, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, konstatierte „einigen Dissens“ zwischen der CDU und den Apo­thekern. Darum solle verloren­gegangenes Vertrauen durch politisches Handeln zurückgewonnen werden. Es sei „wichtig, dass das Makeln problematisiert wird“, es solle keine Rezeptzuweisungen geben, die Versorgung dürfe nicht zum Spielball von Experimenten werden, und was im Koalitions­vertrag stehe, sollte man auch umsetzen, erklärte Ehlers. Doch klare Zusagen machte er nicht.

Foto: DAZ/tmb

Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, kritisierte, dass die verantwortlichen Politiker das Digitale-Versorgung-Gesetz nicht genutzt hätten, um das Makelverbot und die Honorierung der Apotheker zum E-Medikationsplan zu regeln. „Man will es nicht“, folgerte Engel.

Froese für wettbewerbs­neutrale Plattform

Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, betonte, dass die Gematik erst im Frühjahr die Details für das E-Rezept spezifizieren werde, und stellte damit den Zweck vieler Modellprojekte infrage. Denn es werde keine eigene Infrastruktur für einzelne App-Anbieter geben. Der Patient erhalte den Zugriffscode für sein E-Rezept auf einem Zettel oder seinem Handy. Da das E-Rezept eine Pflichtanwendung werden solle, forderte Froese, der Staat sollte eine neutrale Plattform betreiben oder eine Institution damit beauftragen. Damit spielte Froese auf die Web-App des Deutschen Apothekerverbandes an. Zugleich verwies Froese auf das große Potenzial digitaler Anwendungen für die Apotheker beispielsweise gegen „Morbus Google“, also gegen die Verunsicherung durch widersprüchliche Informationen aus dem Internet. Den Umgang mit den neuen Möglichkeiten habe der Apothekerverband Schleswig-Holstein in seinem Digitalmanifest beschrieben. Demnach sollten digitale Instrumente immer nur Hilfsmittel sein, aber kein Selbstzweck. Alle digitalen Prozesse müssten sich am Nutzen für die Patienten ausrichten und nur richtige Daten seien gute Daten. Doch Froese mahnte, diese Grundsätze würden auf dem Altar des Wettbewerbs vergessen.

Modelle für Nutzererfahrung oder im Wettrennen?

Dr. Frank Verheyen, Techniker Krankenkasse, betonte, der Patient müsse durch das E-Rezept einen Vorteil erleben und die Anwendung als bequem empfinden. Beim Modellprojekt der Techniker Krankenkasse in Hamburg-Wandsbek gehe es um Nutzererfahrung bei allen Beteiligten. Doch letztlich wichtiger seien neue nützliche digitale Dienste für die Patienten und bessere Daten. Diese böten den Apotheken eine bessere Grundlage für ihre Beratung. Daraufhin sieht Verheyen die Apotheker künftig „noch mehr als bisher in der kommunikativen Rolle“.

Eine digitale Anwendungsumgebung für den Transport und das Einlösen von Rezepten – auch auf den elektronischen Geräten der Patienten – muss gemeinnützig, diskriminierungsfrei und gesetzlich geschützt sein.

Dr. Peter Froese

Foto: DAZ/ck

Dr. Karsten Diers, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, sieht das Gerda-Projekt seiner Kammer im „Wettrennen“ der Modellprojekte gut aufgestellt. Das Ziel sei, der Gematik rechtzeitig ein funktionsfähiges Konzept zu präsentieren, an dem sie ihre Vorgaben orientieren könne. Das Konzept nutze die bestehenden Strukturen und Schnittstellen in der Apotheke und solle auch beim Projekt der Berliner Apotheker eingesetzt werden.

Neue Apotheker­verantwortung beim Datenschutz

Aus datenschutzrechtlicher Sicht betonte Lydia Kämpfe, Justiziarin des Landesdatenschutzbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern, dass hinter jedem System­beteiligten Dienstleister und Betreiber von Betriebssystemen stünden, die „alle scharf auf Daten sind“. Als Spielregeln für das E-Rezept forderte Kämpfe Freiwilligkeit, Datensicherheit, die klare Aufteilung der Verantwortung und Transparenz für die Patienten. Kämpfe verdeutlichte, dass die Apotheker wesentliche datenschutzrechtliche Verantwortung tragen und die Patienten über Datenflüsse informieren müssten, ohne diese selbst überschauen zu können. Zugleich könnten sie sich der Telematikinfrastruktur nicht entziehen. Sie ergänzte, der Datenschutzbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern werde dies berücksichtigen und den Datenschutz beim E-Rezept „in nächster Zeit nicht brachial durchsetzen“.

Foto: G. Stolpe

Ebenfalls zu Gast in Warnemünde war das Drei-Mast-Vollschiff „Mir“ (deutsch: Frieden). Das russische Segelschulschiff besucht auf seinen Ausbildungsreisen häufig Häfen rund um die Ostsee.

E-Rezept in der Praxis

Anschließend wurde diskutiert, ob E-Rezepte in der Apotheke für die Bearbeitung praktischerweise ausgedruckt werden müssten. Als weitere Themen mit praktischer Bedeutung erwiesen sich das Unterschreiben und Abzeichnen größerer Mengen von Rezepten, die Netzabdeckung im ländlichen Raum und die Ausfallsicherheit. Als Fazit aus der Veranstaltung fol­gerte Engel, dass der Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern die Ein­führung des E-Rezeptes begrüßt. Doch fordern die Apotheker, das Makelverbot für E-Rezepte zeitnah einzuführen, die geplanten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen umzusetzen und die Apotheken für den E-Medikationsplan zu honorieren. Einen Bericht über die Scheele-Tagung finden Sie in der nächsten Ausgabe der DAZ. |

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