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- DAZ 46/2019
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Arzneimittel und Therapie
Wie knapp ist Propofol wirklich?
Angespannte Lage trotz kontingentierter Lieferung
Es wäre nicht das erste Mal, dass es bei einem Narkosemittel Lieferprobleme gibt. 2017 fehlte bundesweit Remifentanil in den Operationssälen. Bei den Gründen für den damaligen Engpass blieben die Hersteller vage, und auch die Engpassliste beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nutzten nicht alle pharmazeutischen Unternehmen. Bei Propofol sieht es aktuell bei der Meldefreude noch trüber aus. Auf der Engpassliste findet sich Propofol nicht.
Unentbehrliches Arzneimittel
Die Meldung ist nicht Pflicht, aber es gibt eine Selbstverpflichtung der Hersteller, Lieferengpässe bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln zu melden – was bei Propofol der Fall sein dürfte: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat es 2011 in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen. Als Alternative nennt die WHO Thiopental. Das Barbiturat könne je nach Region alternativ eingesetzt werden, in Abhängigkeit von der lokalen Verfügbarkeit und den Kosten. Doch Anästhesisten bevorzugen Propofol. Das Narkotikum ist gut steuerbar, die Nebenwirkungen sind beherrschbar.
Den Löwenanteil des Propofolmarktes teilen sich B. Braun (Propofol® Lipuro) und Fresenius (Propofol MCT Fresenius). Daneben gibt es mit Aspen (Disoprivan®) noch einen kleineren Anbieter. Hexal, Ratiopharm und Pharmore haben den Vertrieb ihrer Propofol-Präparate eingestellt.
Temporärer Engpass ...
Auf Anfrage teilt Fresenius mit, dass es in der Vergangenheit lediglich zu „temporären Verzögerungen in der Auslieferung“ gekommen sei. Da es dadurch aber zu keiner „von uns verursachten Knappheit kam, findet sich hierzu auch nichts auf der BfArM-Website“. In der Tat rechnet Fresenius ganz aktuell bei einer Referenz (Propofol 2%, 50 ml) mit einer kurzfristigen Einschränkung der vollen Lieferfähigkeit. Die Kunden könnten bei Bedarf jedoch auf andere Produktausführungen ausweichen.
Der zweite große Hersteller, B. Braun, äußert sich ähnlich: Man sei ausschließlich bei einzelnen Varianten des Portfolios beschränkt lieferfähig, es werde kontinuierlich produziert. „Allerdings übersteigen die Bestellungen die produzierte Menge, wodurch nicht alle Bedarfe vollumfänglich gedeckt werden können.“
Eigenen Angaben zufolge produziert B. Braun in Deutschland, Fresenius nennt als Herstellungsorte für Propofol Europa.
Injektionsanästhetika
Injektionsanästhetika werden meist zur Einleitung einer Narkose verwendet. Neben Propofol werden Thiopental, Etomidat, Ketamin, Midazolam sowie Opioide eingesetzt. Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgt mit Inhalationsnarkotika wie Desfluran und Sevofluran. Zunehmend wird auch eine total intravenöse Anästhesie (TIVA) durchgeführt, wobei auf volatile Anästhetika verzichtet wird. Hierfür ist allerdings nur Propofol – in Kombination mit Remifentanil – gut geeignet.
... aber kein Lieferabriss
Wie das BfArM mitteilt, erreichten die Behörde am 11. Oktober 2019 Informationen zu einer möglichen Lieferengpasssituation Propofol-haltiger Arzneimittel. Nach Ermittlung des Sachverhalts kam die Behörde zu dem Schluss, dass „von einer partiell eingeschränkten Verfügbarkeit und einigen kurzfristigen Lieferverzögerungen auszugehen“ ist. Es sei zu „keinem Zeitpunkt zu einem Lieferabriss gekommen“, so das BfArM.
Auch aktuell beobachte man im Rahmen des kontinuierlichen Monitorings den Sachstand bei Propofol. Dies bestätige im Grundsatz die bisherige Einschätzung: „Die Lieferfähigkeit wird grundsätzlich bestätigt“, wobei durchaus „Einschränkungen in der Verfügbarkeit zu einzelnen Arzneimitteln (...) eingeräumt“ würden. Der Akutbedarf ist wohl gedeckt, für eine Bevorratung reicht es eher nicht.
Eine kontingentierte Belieferung soll den kurzfristigen Bedarf vorzugsweise sichern und gleichzeitig einer Bevorratung vorbeugen, die mit den „vorhandenen Kontingenten gegenwärtig nicht leistbar ist“, erklärte ein Sprecher des BfArM. Ergänzend weist das BfArM darauf hin, dass Unternehmen mit geringen Marktanteilen ebenfalls die Lieferfähigkeit bestätigten und teilweise bereits überdurchschnittliche Kontingente liefern. Laut BfArM prognostizieren die Unternehmen für November eine Entspannung im Hinblick auf die aufgetretenen Lieferverzögerungen.
Schaut man sich die Lieferdaten beim Großhandel an, so sind in der Tat nicht alle Propofol-Präparate rot gekreuzt und folglich nicht verfügbar. Propofol 1% scheint weniger Lieferprobleme zu bereiten als das 2%ige Propofol. Allerings: Über die Größe des Großhandelsdepots erfährt man bei Online-Abfragen nichts, außerdem dürfte der Großhandelsweg für Propofol-Bestellungen bei Krankenhäusern eine zu vernachlässigende bis überhaupt keine Rolle spielen. Wie sieht die Realität dort aus?
Lage alles andere als entspannt
„Der Bezug von Propofol ist derzeit in der Tat ein großes Problem“, erklärt Claudia von Sachs, Leiterin der Klinikversorgung der Johannes Apotheke, in Gröbenzell. B. Braun – der Standardlieferant der süddeutschen krankenhausversorgenden Apotheke – liefere zwar Ware, jedoch nur kontingentiert auf einen halben Monatsbedarf. Fresenius als Ersatzlieferant gerate durch den Ausfall bei dem immensen Bedarf natürlich in Schieflage, so die Einschätzung der Apothekerin. Laut von Sachs nennt Aspen – neben B. Braun und Fresenius ein kleiner Propofol-Hersteller – als Liefertermin für die 50-ml-Gebinde Propofol das nächste Jahr. Propofol 1% (20 ml) sei zwar noch verfügbar, allerdings über dem marktüblichen Preis.
„Man macht hier möglich, was geht“, erkennt die Apothekerin die Anstrengungen der Hersteller an. „Wir werden beliefert, jedoch mit starken Kürzungen.“ Die Apothekerin ergänzt: „Wie man so schön sagt: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos, und wir haben uns in den letzten Jahren in der Verwaltung des Mangels geübt.“ Da Fresenius und Braun keinen „Stock out“ melden und kontingentiert liefern, kann jedoch nicht importiert werden, erklärt von Sachs.
Für Dr. Frank Dörje, Chefapotheker der Universitätsklinikapotheke in Erlangen und amtierender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA) ist „ein Kontingent immer ein Mangel, und ein Engpass bedeutet immer, dass nicht alle Bedürfnisse befriedigt werden können.“ Er spricht von einem „unglaublichen Systemversagen“, wenn man einmal überlege, wie viele „hochbezahlte akademische Kräfte“ sich mittlerweile tagtäglich mit dieser Thematik beschäftigen müssten. „Ich fürchte den Tag, an dem ein Patientenschaden aufgrund von Versorgungsmängeln tatsächlich eintritt“, so Dörje. |
Literatur
Aktuell offene Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe). http://lieferengpass.bfarm.de/; Abruf am 7. November 2011
World Health Organization (WHO). 21st WHO Model List of Essential Medicines 2019. www.who.int; Abruf am 7. November 2011
Korrespondenz mit den Herstellern und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
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