Arzneimittel und Therapie

Ungewöhnliche Antipsychotika

Statine, Calciumkanalblocker und Biguanide mit positiven Effekten bei psychischen Erkrankungen

Immer wieder zeigen altbekannte Arzneistoffe ein therapeutisches Potenzial jenseits ihrer zugelassenen Indikationen. Die Sichtung vorhandener Daten kann dabei den Weg für neue Einsatzgebiete weisen, so beispielsweise bei der Suche nach neuen Psychopharmaka.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift JAMA Psychiatry veröffentlichten Studie untersuchten Joseph F. Hayes und seine Kollegen, ob HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine), L-Typ-Calciumkanalblocker (wie Nifedipin und Verapamil) oder Biguanide (wie Metformin) als Begleitmedikation bei Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen die Rate an psychiatrischen Krankenhausaufenthalten und Selbstverletzungen reduzieren können.

Die Kohortenstudie wurde auf Grundlage von Daten der gesamten schwedischen Bevölkerung durchgeführt. Dabei gingen die Diagnosen einer schweren psychischen Erkrankung (einschließlich bipolarer Störungen, Schizophrenie und nicht-affektiver Psychosen) der Patienten in die Studie ein, die mindestens 15 Jahre alt waren und zwischen Oktober 2005 und Dezember 2016 mit antipsychotischen oder stimmungsstabilisierenden Medikamenten behandelt worden waren. Von insgesamt 142.691 Patienten hatten 76.759 eine bipolare Störung, 30.954 litten unter Schizophrenie und 34.978 unter einer nicht-affektiven Psychose. Phasen mit zusätzlicher Einnahme eines Statins, eines L-Typ-Calciumkanalblockers oder eines Biguanids wurden mit Phasen ohne Einnahme derselben verglichen.

Seltener in die Psychiatrie ...

Die begleitende Einnahme eines Medikaments dieser Wirkstoffgruppen war sowohl bei Patienten mit bipolaren Störungen als auch bei Patienten mit Schizophrenie oder nicht-affektiven Psychosen mit reduzierten Raten an psychiatrischen Krankenhausaufenthalten verbunden.

Foto: Ася Лысогорская – stock.adobe.com

... weniger Selbstverletzungen

Bei Patienten mit bipolaren Störungen und Schizophrenie führten alle drei Substanzklassen ebenfalls zu einer verminderten Rate an Selbstverletzungen. Dieser Effekt war darüber hinaus auch bei Patienten mit nicht-affektiven Psychosen zu beobachten, wenn ein L-Typ-Calciumkanalblocker Bestandteil der Begleitmedikation war.

Erklärungsversuche

Die zugrunde liegenden Wirkmechanismen sind nicht bekannt und sollten weiter abgeklärt werden. Die Autoren diskutieren in ihrer Arbeit mögliche Signalwege und Mechanismen, über die die untersuchten Substanzen den beobachteten Effekt ausüben könnten. So wirken z. B. Statine durch ihren Effekt auf Interleukin 1β, Interleukin 6, Tumornekrosefaktor und C-reaktives Protein auch antientzündlich. Systemische und neuroinflammatorische Prozesse sind wahrscheinlich an der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen beteiligt. Auch eine durch Statine verbesserte Aufnahme von Antipsychotika in das ZNS wird diskutiert. Veränderungen in Calcium-Signal­wegen sind sowohl mit bipolaren Störungen als auch mit Schizophrenie in Zusammenhang gebracht worden.

Fazit

Die Relevanz dieser Daten für die klinische Praxis und die Entwicklung neuer Arzneimittel für die Begleitmedikation psychisch Kranker liegt auf der Hand. Die hier untersuchten Substanzklassen sind global zugelassene und häufig eingesetzte Medikamente. Sie sind kostengünstig und weisen ein gut bekanntes Nebenwirkungsprofil auf. Das macht sie zu idealen Kandidaten auf der Suche nach neuen Medikamenten für die psychiatrische Behandlung. Um den Wirkmechanismus der Statine, Calciumkanalblocker und Biguanide im Zentralnervensystem aufzuklären, sollten weitere Studien durchgeführt werden. |

Quelle

Hayes JF et al. JAMA Psychiatry 9. Januar 2019, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2018.3907

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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