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Wirtschaft

Wie verteilt man 240 Millionen Euro?

Gestaltungsmöglichkeiten für neue Dienstleistungshonorare

Der Vorschlag für honorierte pharmazeutische Leistungen von Bundesgesundheitsminister Spahn und der gleichlautende Plan der ABDA können zu einem wichtigen Schritt auf dem Weg zur „Apotheke 2030“ werden. Doch dabei sind noch viele wichtige Fragen offen, besonders zu den wirtschaft­lichen Folgen. Möglicherweise wird die junge Apo­thekergeneration die Antworten auf diese Fragen später als schicksalhafte Entscheidungen betrachten – seien sie positiv oder negativ. | Von Thomas Müller-Bohn 

Die Vorschläge des Ministers und der ABDA sehen vor, dass jährlich 240 Millionen Euro für pharmazeutische Leistungen bereitgestellt werden. Dazu ist ein Fonds im Gespräch, dessen Struktur an den Nacht- und Notdienstfonds angelehnt ist. Für jedes Rx-Fertigarzneimittel soll gemäß Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ein zusätzlicher Aufschlag von 32 Cent in den Fonds fließen. Dies bietet eine sichere Finanzierung, solange die AMPreisV besteht. Ins­besondere verhindert diese Finanzierung naheliegende Fehlanreize einer direkten Honorierung. Wenn Patienten oder Krankenkassen den Wert der pharmazeutischen Leistungen nicht erkennen, würden sie diese bei direkter Honorierung nicht in Anspruch nehmen oder Patienten würden Apotheken ohne diese Leistungen vorziehen. Da diese Probleme umgangen werden, ist die angedachte Finanzierungsstruktur sehr zu begrüßen.

Grundlegende offene Fragen

Doch abgesehen von der Sicherung der Einnahmen ist praktisch alles offen. Dies betrifft die pharmazeutischen Inhalte, die Organisation der Leistungen und die Verteilung der Finanzmittel auf die Apotheken. Dabei stellen sich ins­besondere folgende Fragen:

  • Welche Leistungen sollen erbracht und honoriert werden?
  • Wie wird die Nachfrage nach diesen Leistungen gesteuert?
  • Wie wird das Honorar für eine bestimmte Leistung ermittelt?
  • Wie wird dieses Honorar abgerechnet?
  • Wie wirkt dies auf den Ertrag der Apotheke?

Hier werden ökonomische Aspekte in den Vordergrund gestellt, weil die neuen Angebote nur zukunftsfähig sind, wenn sie nachhaltig finanziert werden.

Mögliche Leistungen der Apotheken

Als Antworten auf die erste Frage kommen die folgenden drei Gruppen von Leistungen in Betracht:

  • Gruppe 1: abgabebegleitende Leistungen, beispielsweise: Abgabe von Rabattarzneimitteln, Rücksprache beim Arzt, Botendienst im Einzelfall als notwendiger Teil der Ver­sorgung, Umgang mit Lieferengpässen, besondere Beratungsfälle wie Erstverordnung oder erklärungsbedürftige Darreichungsformen
  • Gruppe 2: Aspekte des Versorgungsauftrags, die über eine einzelne Arzneimittelabgabe hinausgehen, beispielsweise: Erläuterung des Medikationsplans, Interaktionsprüfung in der Gesamtmedikation, Bearbeitung einzelner arzneimittelbezogener Probleme, Impfberatung, Ermittlung präventionsrelevanter Daten (Blutzucker, Blutfette, BMI)
  • Gruppe 3: neue Leistungen: Erstellung oder Aktualisierung eines Medikationsplans, Medikationsanalyse, Medikationsmanagement in Zusammenarbeit mit dem Arzt, Botendienst als „Komfort“-Leistung, Erstellen einer Folgeverordnung, diverse Präventionsangebote

Für die drei Gruppen von Leistungen ergeben sich unterschiedliche Antworten auf die zuvor gestellten Fragen. Dabei sind die genannten Leistungen nur als Beispiele zu verstehen. Darüber hinaus sind viele weitere Leistungen möglich.

Wahrscheinlich werden sich aus den praktischen Erfahrungen und dem wissenschaftlichen Fortschritt mittelfristig ganz neue Optionen ergeben.

Notwendige Leistungen im Rahmen der Arzneimittelabgabe

Bei den Leistungen der Gruppe 1 ergibt sich der Bedarf unmittelbar bei der Arzneimittelabgabe aus dem Versorgungsauftrag. Sie sind nicht verhandelbar und nicht von der Abgabe trennbar. Darum ist die Nachfrage nach diesen Leistungen nicht steuerbar, aber dies ist für die folgenden Fragen kein Problem. Denn diese Leistungen werden bisher im Rahmen des Versorgungsauftrags pauschal über den Festzuschlag honoriert. Da der Festzuschlag, zumindest derzeit, nicht angepasst werden soll und viele Leistungen der Gruppe 1 inzwischen weitaus häufiger als bei der Einführung des Festzuschlags vorkommen, wäre eine zusätzliche Honorierung angebracht. Dies wäre eine Ertragsverbesserung für die Apotheken, weil keine neuen Kosten entstehen. Jedes Honorar, das die Kosten für die Abrechnung übersteigt, ist damit in diesem Fall vorteilhaft. Daraufhin erübrigen sich die weiteren Fragen. Vermutlich dürften jedoch die wenigsten Krankenkassen bereit sein, die ohnehin erbrachten Leistungen der Gruppe 1 freiwillig zusätzlich zu honorieren. Außerdem könnten Gegner der Apotheken eine Honorierung von „Selbstverständlichkeiten“ in der Öffentlichkeit negativ darstellen. Doch die wachsende Bedeutung dieser Leistungen spricht durchaus dafür, einen kleinen Teil des neuen Honorars in diesen Bereich lenken.

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Eine Honorierung von „Selbstverständlichkeiten“ (Rücksprache beim Arzt, Umgang mit Lieferengpässen, besondere Beratungsfälle) könnte sich negativ äußern.

Teilweise oder ganz neue Angebote

Auch die Leistungen der Gruppe 2 werden bereits erbracht, aber ohne strukturierten Auslöser. Oft sind sie ein „Service“ für gute Kunden, die die Leistungen durch ihre Treue honorieren, also indirekt über den Festzuschlag. Oft ergeben sich diese Leistungen erst, wenn Patienten über arzneimittel­bezogene Probleme berichten. Sie sind dann als Elemente des Versorgungsauftrags zu verstehen. Wenige Leistungen werden bereits gegen eine Gebühr angeboten, insbesondere Reiseimpfberatungen und Messungen von Blutwerten.

Die Leistungen der Gruppe 3 stellen Innovationen gegenüber der bisherigen Regelversorgung dar. Einige dieser Leistungen werden bisher in Modellprojekten oder im Rahmen besonderer Initiativen für ausgewählte Patienten angeboten, andere sind in Apotheken bisher noch gar nicht zulässig. Der Aufbau solcher Angebote würde in den meisten Apo­theken erhebliche Vorbereitungen erfordern.

Von Teil- zu Vollkosten

Mit einer Honorierung würden sich die Rahmenbedingungen für die Leistungen der Gruppen 2 und 3 grundlegend ändern. Bei Leistungen, die in Einzelfällen bereits zum Apothekenalltag gehören (Gruppe 2), muss das Honorar mindestens die Teilkosten decken, damit das regelmäßige Angebot für die Apotheken wirtschaftlich akzeptabel ist. Anderenfalls wäre die Neuerung eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung für die Apotheken. Die Teilkosten umfassen die Kosten für den Personaleinsatz und für das Verbrauchs­material bei Tests. Bei einem Honorar in Höhe der Teilkosten würden sich diese Leistungen jedoch nur selbst tragen und keinen Beitrag zum Betrieb der Apotheke liefern.

Wenn die neuen Leistungen einen Beitrag zur Honorierung des Versorgungsauftrags erbringen sollen, sind höhere Tarife nötig. Wenn die Leistungen erst mit erheblichem Aufwand eingeführt werden müssen (Gruppe 3), sind zusätzlich die Kosten für Fortbildung, Ausrüstung, Patienteninformation und innerbetriebliche Organisation zu berücksichtigen.

Bei kurzfristiger Betrachtung ist jedes Honorar, das nennenswert über den Teilkosten liegt, für die Apotheken vorteilhaft. Wenn diese Leistungen jedoch langfristig Potenzial für ein neues wirtschaftliches Standbein der Apotheken haben sollen, müssen sie sich an der Honorierung der Abgabe von Arzneimitteln messen lassen. Dann müssen sie mit Vollkosten und einem Gewinnzuschlag kalkuliert werden.

Schlecht: Punktsystem

Neben dem Honorar für jede einzelne Leistung müssen auch das insgesamt verfügbare Honorarvolumen und die Wechselwirkungen zwischen dem Einzel- und dem Gesamthonorar bedacht werden. Wenn aus einem festen Budget verschiedene Leistungen finanziert werden sollen, erscheint ein Punktsystem auf den ersten Blick naheliegend. Jede Leistung würde mit einer bestimmten Punktzahl versehen. Am Ende einer Abrechnungsperiode würde das Budget durch die Zahl der abgerechneten Punkte dividiert und so das Honorar ermittelt. Doch dabei drohen verheerende Fehl­anreize. Wenn zunächst wenige Leistungen erbracht werden, wäre der Punktwert hoch und würde zu neuen Leistungen animieren. Nach einiger Zeit würden die Apotheken so viele Leistungen erbringen, dass der Punktwert verfällt und das Honorar nicht mehr die Kosten deckt. Ein solcher Hamsterrad-Effekt muss vermieden werden, wenn die Neuerung für alle Beteiligten nachhaltig sein soll.

Aussichtsreich: aktive Steuerung

Beim umgekehrten Weg würden feste Honorare für die Leistungen vereinbart. Doch dann müsste die Nachfrage so gesteuert werden, dass das verfügbare Budget ausreicht. Ein rechtlicher oder vertraglicher Anspruch auf die Leistungen für eine unüberschaubare Zahl von Patienten scheidet damit aus. Stattdessen wäre eine Steuerung nötig, die sich kurzfristig nachjustieren lässt. Beispiele dafür bieten Verträge mit Krankenkassen wie im Armin-Modell und bei den ärztlich verordneten Arzneimittelberatungen im Projekt von Apothekerverband und AOK Niedersachsen. Dabei werden Patienten als potenzielle Nutzer ausgewählt. Abhängig von der Teilnehmerzahl können weitere Patienten angesprochen werden, wobei das verfügbare Budget berücksichtigt werden sollte. Dabei würde möglicherweise das Budget anfangs nicht komplett ausgeschöpft. Dann könnte eine Schwankungsreserve auf­gebaut werden, die später bei zeitweilig unerwartet hohem Leistungsumfang hilfreich wäre. Dies erscheint praktikabel und eindeutig vorteilhaft gegenüber einem Punktsystem.

Leistungssteuerung durch Krankenkasse oder Verordnung

Eine aktive Steuerung der Patienten liegt demnach im Interesse der Apotheken, weil die Nachfrage dadurch kalkulierbar wird. Wenn diese Steuerung durch die Kranken­kasse oder einen verordnenden Arzt erfolgt, wird damit zugleich das Interesse der Krankenkasse erfüllt, dass die Leistungsmenge nicht vom Leistungserbringer gesteuert wird. Dabei könnte festgelegt werden, dass eine Apotheke eine bestimmte Leistung für die betreffenden Patienten einmal in einem festgelegten Zeitraum erbringen darf, beispielsweise jährlich eine Medikationsanalyse. Für kleinere Leistungen kann die Krankenkasse möglicherweise virtuelle „Gutscheine“ an ihre Versicherten senden, die ähnlich wie E-Rezepte eingelöst werden. Die zeitliche Koinzidenz mit der Einführung des E-Rezepts könnte hilfreich sein.

Abrechnung wie E-Rezepte

Die Abrechnung einer einzelnen Leistung sollte dem Ablauf bei der Bearbeitung eines GKV-Rezepts entsprechen und darf nicht aufwendiger als diese sein. Neue Abrechnungsverfahren sollten vermieden werden, damit das neue Honorar nicht durch neuen Verwaltungsaufwand aufgezehrt wird. Außerdem würden kleine Apotheken überproportional belastet, wenn für einen vergleichsweise kleinen Umsatzanteil über die eigentliche Leistung hinaus neue Verfahren etabliert werden müssten. Jeder zusätzliche organisatorische Aufwand würde das Risiko vergrößern, dass kleine Apotheken diese Leistungen nicht anbieten können. Dann würden die neuen Leistungen die oft beklagte wirtschaft­liche Spreizung der Apothekenlandschaft weiter vergrößern und den Bedarf für eine zusätzliche Strukturförderung erhöhen. Vor allem könnten die neuen Leistungen dann nicht flächendeckend angeboten werden.

Diese Argumente gelten nicht nur für die Abrechnung, sondern auch für etwaige Forderungen der Krankenkassen nach Controlling-Instrumenten. Es sollten keine zusätzlichen Nachweise zur erbrachten Leistung gefordert werden, die über die inhaltlich erforderliche Dokumentation der Ergebnisse hinausgehen. Beispielsweise müssen die Ergebnisse einer Interaktionsprüfung oder einer Impfberatung für den Arzt beziehungsweise für den Patienten dokumentiert werden. Ebenso müssen Messwerte festgehalten werden. Doch weitergehende Dokumentationen, die nur der Kontrolle dienen oder gar Ansätze für Retaxationen bei formalen Mängeln bieten sollen, sind abzulehnen. Denn solche Instrumente würden die Kosten unnötigerweise erhöhen und das unabdingbare Vertrauen in die Apotheker als Leistungserbringer untergraben.

Grundlagen für Preisbildung

Eine große Herausforderung bei der Preisbildung für Leistungen in der Apotheke ist, aus den betriebswirtschaftlichen Daten, die auf ein Handelsunternehmen ausgerichtet sind, angemessene Preise für Dienstleistungen zu ermitteln. Der Verfasser hat dazu bereits Betrachtungen auf der Grundlage von Kostendaten angestellt (siehe „Ertragsbringend oder nur kostendeckend?“ DAZ 2016, Nr. 41, S. 50) und die Daten im Herbst 2017 aktualisiert (siehe „Honorar dringend gesucht“, DAZ 2017, Nr. 45, S. 48). Dabei ergaben sich für Apotheker Teilkosten von 0,65 Euro pro Minute (für PTA 0,40 Euro). Für umfassend angesetzte Vollkosten zuzüglich Gewinnzuschlag wurden für Apotheker 1,67 Euro pro Minute (für PTA 1,02 Euro) berechnet. Mit den Gehalts­tarifen von Ende 2018 und den Daten des ABDA-Wirtschaftsberichts für 2017 ergeben sich Teilkosten von 0,67 Euro pro Minute für Apotheker (für PTA 0,41 Euro) und Vollkosten zuzüglich Gewinnzuschlag von 1,69 Euro pro Minute für Apotheker (für PTA 1,04 Euro). Die Honorierung im Armin-Modell geht von 1,00 Euro pro Minute für Apotheker aus (für PTA 0,75 Euro). Damit bietet sie den Apotheken einen Erlös über den Teilkosten, aber sie ist nicht mit den Erträgen aus der Arzneimittelabgabe vergleichbar.

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240 Millionen Euro pro Jahr entsprechen 4 Millionen Apothekerstunden zum „Armin-Preis“ oder 2,36 Millionen Apothekerstunden zu Vollkosten mit Gewinnzuschlag.

2,36 Millionen Apothekerstunden finanzierbar

Die diskutierten 240 Millionen Euro pro Jahr entsprechen vier Millionen Apothekerstunden zum „Armin-Preis“ oder 2,36 Millionen Apothekerstunden zu Vollkosten mit Gewinnzuschlag. Bei etwa 1700 Arbeitsstunden pro Jahr sind dafür 2353 bzw. 1388 Vollzeit-Apotheker nötig oder 11.765 bzw. 6940 Teilzeit-Apotheker müssten ihre Arbeitszeit jeweils um wöchentlich acht Stunden erhöhen. Für eine durchschnittliche Apotheke sind dies 205 bzw. 121 Apothekerstunden pro Jahr. Die jeweils höhere Zahl ergibt sich mit der Kalkulation des Armin-Modells, aber nur die jeweils geringere Zahl böte den Apotheken eine langfristig vorteilhafte wirtschaftliche Perspektive.

Wenn 2,36 Millionen Apothekerstunden nur zur Medikationsanalyse eingesetzt würden und die teilnehmenden Patienten durchschnittlich einen Zeitaufwand von einer Stunde pro Jahr verursachen, könnten Medikationsanalysen für 2,36 Millionen Patienten finanziert werden, also für 121 Patienten pro Durchschnittsapotheke. Wenn nur die Hälfte dieser Patientenzahl für Medikationsanalysen angestrebt wird, verbleiben 1,18 Millionen Apothekerstunden für andere neue Leistungen. Dies könnten beispielsweise 7,08 Millionen kleinere Leistungseinheiten zu je 10 Minuten für überschaubare Interaktionsprüfungen oder Präventionsangebote sein. In einer Durchschnittsapotheke ergäben sich dann jährlich 60 Patienten für eine Medikationsanalyse und 363 kleinere Leistungseinheiten.

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Krankenkassen könnten virtuelle „Gutscheine“ für (kleinere) pharmazeutische Leistungen an ihre Versicherten senden.

Angemessener Gewinn möglich

Der bei dieser Kalkulation angesetzte Gewinnzuschlag einschließlich des kalkulatorischen Unternehmerlohns beträgt etwa 60 Millionen Euro und damit etwa ein Viertel des neuen Honorarvolumens. Um diesen Betrag würden die Erträge der Apotheken nachhaltig steigen. Das wären durchschnittlich etwa 3100 Euro pro Apotheke. Solange sich die sonstigen Kosten nicht verändern, würden die zusätzlichen Erträge bei dieser Kalkulation kurzfristig sogar 144 Millionen Euro und damit etwa 7400 Euro pro Apotheke betragen, aber das ist langfristig unrealistisch. Denn letztlich muss das zusätz­liche Honorar auch einen Anteil der Fixkosten tragen und die fehlende Anpassung des Festzuschlags ­kompensieren.

Keine Alternative zum Abgabehonorar

Mit solchen Ergebnissen können die neuen Leistungen einen spürbaren Anteil zum Apothekenerfolg beitragen. Doch sie wären nicht entscheidend für die Existenz der Apotheke. Zudem wird deutlich, dass neue pharmazeutische Leistungen sogar bei einem langfristig deutlich größeren Umfang das Honorar für die Arzneimittelabgabe nur ergänzen, aber nicht ersetzen können.

Vollkostenkalkulation notwendig

Das oben ermittelte Leistungsvolumen erscheint lebensnah. Für mehr Leistungen wären die nötigen Apotheker kaum zu finden. Beim ermittelten Leistungsvolumen werden attrak­tive Gehälter nötig sein, um genügend Apotheker zu gewinnen. Damit hängt die Umsetzbarkeit dieser Ideen davon ab, dass die einzelne Leistung angemessen honoriert wird und die Abrechnung praktikabel ist. Die Honorierung sollte deutlich über dem Tarif des Armin-Modells angesetzt werden. Denn beim Armin-Modell sollte in einem begrenzten Projekt die Machbarkeit der gemeinsamen Betreuung durch Arzt und Apotheker gezeigt werden. Das Engagement für die einzelnen Patienten sollte kein Verlustgeschäft werden. Jetzt muss es dagegen um eine nachhaltige Finanzierung gehen, die flächendeckend Anreize schafft, um die nötige Zahl an Apothekern leistungsgerecht zu bezahlen. Das angedachte Honorarvolumen bietet den nötigen Spielraum dafür und dieser sollte auch genutzt werden. Dies ist bei der Gestaltung der Tarife für die einzelnen Leistungen zu berücksichtigen.

Wenn die Politik die pharmazeutischen Leistungen gegenüber der Arzneimittelabgabe als höherwertig einschätzt, müssen sie mindestens ebenso gut honoriert werden. Nur so bieten die neuen Leistungen den Apotheken eine Chance, der schleichenden Aushöhlung des Festzuschlags durch die fehlende Anpassung zu entkommen. Sowohl Minister Spahn als auch die ABDA haben zumindest indirekt zu verstehen gegeben, dass die pharmazeutischen Leistungen neue Ertragschancen neben der packungsbezogenen Honorierung bieten sollen. Konsequenterweise müssen diese Leistungen dann zu Vollkosten zuzüglich Gewinnzuschlag kalkuliert werden.

Pauschale für spezielle Fälle

Angesichts der vielen Aufgaben bei der Gestaltung eines tragfähigen Honorarkonzepts soll noch eine einfachere Alternative betrachtet werden: Bei einer pauschalen Honorierung könnten alle Apotheken, die eine bestimmte Leistung anbieten, einen festgelegten Anteil aus dem neuen Dienstleistungsfonds erhalten. Dies ist bestechend einfach, bietet aber keinen Leistungsanreiz und wird dem hohen Aufwand bei umfangreichen Leistungen nicht gerecht. Damit wäre ein Pauschalhonorar ideal für Leistungen der Gruppe 1, aber darüber hinaus erscheint es allenfalls als pragmatischer Ansatz für „kleine“ Leistungen. Doch auch dort droht eine nicht kalkulierbare Leistungsmenge, insbesondere wenn die Empfänger nichts oder nur eine geringe Schutzgebühr zahlen. Dann könnten die Kosten für die Apotheken unkontrolliert steigen. Darum müsste auch ein Pauschalhonorar für „kleine“ Leistungen mit Steuerungsmöglichkeiten auf der Patientenebene verknüpft werden.

Fazit

Als Ergebnis dieser Betrachtungen sollten die Apotheker trotz ihres berufspolitischen Interesses an Leistungen der Gruppe 3 auch Honorare für Leistungen der Gruppe 2 anstreben und Honorare für die Gruppe 1 nicht zu schnell aufgeben. Insbesondere für die Gruppe 3 sollten Honorare auf der Grundlage von Vollkosten mit Gewinnzuschlag kalkuliert werden. Nur so kann eine langfristig sichere Grundlage für ein neues Betätigungsfeld der Apotheken entstehen. Außerdem muss dafür das Volumen der Leistungen steuerbar sein. Letztlich wird an dieser Stelle die Frage beantwortet, was der Gesellschaft die Arbeit der Apotheker wert ist. Dies ist für die Zukunft des Berufs entscheidend. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn Apotheker und Dipl.-Kaufmann, auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung

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