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Beratung

Nase frei!

Entscheidungshilfen rund um systemisch applizierte Dekongestiva

In der Werbung wirken sie Wunder, die Kunden fragen gezielt nach ihnen, gleichzeitig werden sie von Ökotest, arznei-telegramm oder von in den Medien präsenten Arzneimittelexperten wie Prof. Dr. Gerd Glaeske verteufelt – Kombinationspräparate gegen „Erkältung“. Der Apotheker muss im Angesicht sich widersprechender Meinungen, Empfehlungen und Studienergebnissen zu einer Entscheidung kommen, wie er den Kunden berät – am besten individuell, denn ein allgemeingültiges Urteil scheint auf Basis der vorhandenen Informationen nicht möglich. In vielen Kombinationspräparaten sind Sympathomimetika zum Abschwellen der Nasenschleimhäute enthalten. Ob und wann ihr Einsatz sinnvoll ist, sowie Vor- und Nachteile der einzelnen sympathomimetischen Wirkstoffe, soll im Folgenden diskutiert werden. | Von Sabine Werner

Die erste Aufgabe des Apothekenpersonals beim Kundenwunsch nach einem der vielbeworbenen „Erkältungspräparate“ ist das Abfragen der konkreten Symptome. Die Kombinationspräparate enthalten unter anderem COX-Hemmer zur Fiebersenkung und Schmerzbekämpfung, Sympathomimetika zur Abschwellung der Nasenschleimhäute oder chemische Antitussiva – selbstverständlich ist ein Arzneimittel nur sinnvoll für den Patienten, dessen Symptome auch zu den enthaltenen Wirkstoffgruppen passen. Ein oft vorgebrachtes Argument gegen Kombinationspräparate ist der höhere Preis im Vergleich zu (generischen) Monopräparaten. Hier ist sicher eine differenziertere Sichtweise nötig: Während der eine Patient aus ökonomischen Gründen Wert auf eine preisgünstige Therapie legt, ist dem anderen vielleicht die einfacher anzuwendende Arzneiform wichtig. So lässt sich ein Direktgranulat schnell auf dem Weg von der Tief­garage ins Büro einnehmen, was mit einer Paracetamol-Tablette und einem Nasenspray schon schwieriger ist. Selbstverständlich sollten dem Patienten alle Optionen erläutert und ihm nicht einfach das teurere Präparat verkauft werden. Ebenso sollte auf die rein symptomatische Wirkung der Inhaltsstoffe verwiesen werden.

Sympathomimetika wirken als Dekongestiva, also abschwellend auf die Nasenschleimhäute, indem sie zu einer Vasokonstriktion der die Schleimhaut versorgenden Blutgefäße führen und so dem Gewebe Flüssigkeit entziehen. Sie ermöglichen die Nasenatmung wieder, die durch Reinigung, Erwärmung und Befeuchtung der Atemluft einen protek­tiven Effekt auf die tiefen Atemwege hat. Wichtiger sind Dekongestiva, wenn die Rhinitis in eine Rhinosinusitis übergeht, sich also die Entzündung der Nasenschleimhaut auch in die Nasennebenhöhlen ausbreitet. Hier ist es wichtig, die verbindenden Ostien offenzuhalten, um den Sekret­abfluss zu ermöglichen. Die Leitlinie „Rhinosinusitis“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin empfiehlt zur Behandlung der Rhinosinusitis einige Phyto­pharmaka (Cineol, Myrtol, patentierter Extrakt aus Ampfer, gelbem Enzian, Holunder, Eisenkraut und Schlüsselblume), Dekongestiva und – ausschließlich bei Auftreten von Schmerzen – Nicht-Opioid­analgetika. Hier erfolgt eine ausdrückliche Wertung durch die Leitlinie: Ibuprofen und Acetylsalicylsäure (ASS) sind aufgrund ihrer antiphlogistischen Wirkung Paracetamol vorzuziehen, Ibuprofen wird weiter als vorteilhafter gegenüber ASS hinsichtlich der Magenverträglichkeit angesehen. Alle drei Schmerzmittel sind in Kombinationspräparaten vertreten.

Keine konkreten Empfehlungen finden sich dagegen zu den abschwellenden Wirkstoffen: Bezugnehmend auf den aktuellen Cochrane-Review „Nasal decongestants in monotherapy for the common cold“ [Deckx L et al. 2016] wird festgestellt, dass es bei der kurzzeitigen Behandlung einer akuten Rhinositis keinen Unterschied in der Wirksamkeit und Verträglichkeit oral oder nasal angewendeter Dekongestiva gibt, die Datenlage zur oralen Applikation wird allgemein als besser bewertet. Aufgrund der unstrittigen reizenden bzw. schädigenden Wirkung von Benzalkoniumchlorid werden unkonservierte Nasalia empfohlen, die möglichst niedrig dosiert und über maximal zehn Tage angewendet werden sollten.

Oral und lokal gleich wirksam

Nachdem die Leitlinie sich in der Frage der Applikationsart für Sympathomimetika nicht klar positioniert, muss bei der Beratung in der Apotheke eine individuelle Entscheidung im Hinblick auf den Kunden getroffen werden. Kritikpunkt an der oralen Einnahme ist das erhöhte Risiko systemischer Nebenwirkungen, auch wenn die Leitlinie das für die Kurzzeittherapie ausschließt. Hier sind Vorerkrankungen des Kunden und die Dauermedikation bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Andererseits erreicht das Sympathomimetikum bei systemischer Wirkung alle Bereiche der Nasenschleimhaut, während auch bei korrekter Anwendung des Nasensprays die Gefahr besteht, dass der mittlere bzw. obere Teil der Nasenhaupthöhle, in den die Ostien der Nebenhöhlen münden, gar nicht erreicht wird.

Im Gegensatz zu anderen Ländern sind in Deutschland keine Monopräparate mit oralen Dekongestiva auf dem Markt, sie können also nur in Kombination mit Schmerzmitteln angewendet werden. Ältester Wirkstoff ist dabei das ursprünglich aus dem Meerträubel (Ephedra vulgaris) extrahierte Ephedrin, das nur noch in einem Arzneimittel enthalten ist (s. Tabelle 1). Eine ebenfalls geringe Bedeutung kommt auch dem strukturell ähnlichen Phenylpropanolamin (Synonym: Norephedrin) zu. Beide wirken als indirekte Sympathomimetika durch Erhöhung der Noradrenalinkonzentration im synaptischen Spalt stimulierend auf α- und β-Rezeptoren und somit abschwellend auf die Blutgefäße in der Nasenschleimhaut. Ephedrin wirkt zusätzlich als direkter β-Agonist – was das Nebenwirkungspotenzial z. B. am Herzen erhöht, aber nichts zur dekongestiven Wirkung beiträgt.

Tab. 1: Ephedrin- und Phenylpropanolamin-enthaltende Arzneimittel Lauer-Fischer-Taxe, Stand: 22. Februar 2018]
Arzneimittel
Wirkstoffe
Dosierung
Basoplex® Erkältungs-Kapseln
Paracetamol 325 mg
Phenylpropanolaminhydrochlorid 12,5 mg
Dextromethorphanhydrobromid 10 mg
  • zwei Kapseln alle vier Stunden
  • maximal acht Kapseln/Tag über maximal fünf Tage, Körpergewicht < 43 kg maximal sechs Kapseln/Tag
  • ab 14 Jahren
Wick® DayMed Erkältungs­kapseln für den Tag
Paracetamol 325 mg
Dextromethorphanhydrobromid 10 mg
Phenylpropanolaminhydrochlorid 12,5 mg
  • zwei Kapseln alle vier Stunden
  • maximal acht Kapseln/Tag über maximal drei Tage
  • ab zwölf Jahren
Wick® Medinait Erkältungssirup für die Nacht
in 30 ml:
Paracetamol 600 mg
Dextromethorphanhydrobromid 15 mg
(-)- Ephedrinhemisulfat 8 mg (entspr. 6,2 mg Ephedrin)
Doxylaminsuccinat 7,5 mg
  • einmal täglich 30 ml, abends zum Schlafen
  • über wenige Tage
  • ab 16 Jahren

Ephedrin und Phenylpropanolamin: zentrale Stimulanzien

Ephedrin und Phenylpropanolamin sind Amphetamin-Derivate und als solche zentrale Stimulanzien. Als Monopräparat sowie in Kombinationspräparaten mit Einzeldosen über 10 mg wäre Ephedrin verschreibungspflichtig (es gibt allerdings keine entsprechenden Arzneimittel). Als „spezifisches Stimulans“ steht es auf der Liste der in Sportwettkämpfen verbotenen Dopingmittel. Es wird aufgrund seiner leistungssteigernden Wirkung sowohl als Partydroge als auch von Kraftsportlern missbraucht, die im Internet zu findenden Einzeldosen liegen hier zwischen 8 mg und 150 mg. Laut Hersteller ist die zentrale Wirksamkeit von Phenylpropanolamin im Vergleich zu Ephedrin etwas niedriger. Es ist für Leistungssportler nicht verboten, ist jedoch im Überwachungsprogramm 2019 der NADA. In einer Tagesdosierung von 49,6 mg wurde Phenylpropanolamin-Hydrochlorid jedoch lange als zentral wirksames Anorektikum eingesetzt (z. B. Recatol® mono a. V., Antiadipositum Riemser a. V.). Es führt durch Appetithemmung im Hungerzentrum und einer Erhöhung des Grundumsatzes durch psychomotorische Stimulation zur Gewichtsreduktion. Für die Anwendung wurden schwerwiegende Nebenwirkungen dokumentiert, vor allem ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, zum Teil auch bei kurzzeitiger Anwendung. Mittlerweile ist es als Anorektikum vom deutschen Markt verschwunden. Auch als abschwellender Wirkstoff (hier liegt die maximale Tagesdosis sogar über der Dosis der obsoleten Anorektika) wird es in den meisten Ländern nicht mehr eingesetzt, sodass der aktuelle Cochrane-Review zu Sympathomimetika die entsprechenden Studien gar nicht mehr berücksichtigt.

Im Sommer 2018 wurde eine Beobachtungsstudie an 457 Apothekenkunden in Deutschland veröffentlicht [Phillipson G et al.], die Wick® MediNait, Wick® DayMed Erkältungs­kapseln oder beide Präparate zur Selbstmedikation ihrer Erkältung gekauft hatten. Der Untersuchungszeitraum betrug lediglich 24 Stunden, die Ergebnisse basieren auf Fragebögen, die die Patienten nach der eintägigen Einnahme ausfüllen mussten. Den signifikanten Rückgang der abgefragten Erkältungssymptome dokumentieren die Autoren ausführlich. Auch traten nur bei zwei Patienten milde Nebenwirkungen auf. Allerdings nennen die Studienautoren selbst die Probleme, die eine Wertung der Ergebnisse schwierig machen: Alle Patienten waren vor der Einnahme davon überzeugt, dass das Präparat ihnen helfen würde, hatten sie es doch selbst in der Apotheke gekauft. Ein Test gegen Placebo war nicht möglich, da alle Patienten das erworbene Verum einnahmen. Auch eine Testung gegen mögliche Einzelpräparate erfolgte nicht. Komorbiditäten und Komedikation der Patienten waren nicht bekannt. Die Autoren halten dagegen, dass die Studienbedingungen dem „realen Leben“ entsprechen. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für die Präparate darf der Pharmazeut jedoch nicht nur aufgrund solcher Anwendungsbeobachtungen bewerten, sondern muss auch die über Jahre an vielen Anwendern dokumentierten Risiken miteinbeziehen.

Goldstandard: Pseudoephedrin

In den meisten Kombinationspräparaten gegen Erkältung ist Pseudoephedrin als abschwellender Wirkstoff enthalten, kombiniert mit Ibuprofen, ASS oder Paracetamol als Schmerzmittel (s. Tabelle 2). Pseudoephedrin ist ein ebenfalls in Ephedrakraut vorkommendes Stereoisomer des Ephedrins. Es ist auch ein indirektes Sympathomimetikum, jedoch mit stärkerer Wirkung auf die Blutgefäße als auf das Herz, sodass die abschwellende Wirkung an der Nase ausgeprägter, die kardialen Nebenwirkungen dagegen moderater sind als beim Ephedrin. Auch die zentralstimulierende Wirkung des Pseudoephedrins ist im Vergleich zu Ephedrin schwächer ausgeprägt.

Tab. 2: Pseudoephedrin-enthaltende Arzneimittel [Lauer-Fischer-Taxe, Stand: 22. Februar 2018]
Arzneimittel
Wirkstoffe
Dosierung
Aspirin® complex
Beutel
Acetylsalicylsäure 500 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • ein bis zwei Beutel alle vier bis acht Stunden
  • maximal sechs Beutel/Tag
  • maximal drei Tage lang
  • ab 16 Jahren
BoxaGrippal® Erkältungssaft
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg pro Einzeldosis à 10ml
  • ein- bis zweimal 10 ml alle vier bis sechs Stunden
  • maximal 60 ml/Tag
  • maximal fünf Tage lang
  • ab 15 Jahren
BoxaGrippal® Erkältungs­tabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • ein bis zwei Tabletten alle vier bis sechs Stunden
  • maximal sechs Tabletten/Tag
  • maximal fünf Tage lang
  • ab 15 Jahre
Grippostad® Complex
Acetylsalicylsäure 500 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg (soll im Juni 2019 eingeführt werden)
vgl. Aspirin® complex
Ibu-1A Pharma® Grippal Filmtabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
vgl. Olytabs®
IbuHexal® Grippal Filmtabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
vgl. Olytabs®
Olytabs®
Filmtabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • ein bis zwei Tabletten alle sechs Stunden
  • maximal sechs Tabletten/Tag
  • maximal drei (Jugendliche) bzw. vier (Erwachsene) Tage
  • ab 15 Jahren
ratioGrippal® Filmtabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • eine Tablette alle vier bis sechs Stunden oder zwei Tabletten alle sechs bis acht Stunden
  • maximal sechs Tabletten/Tag
  • maximal fünf Tage lang
  • ab 15 Jahren
RhinoPront® Kombi Tabletten
Pseudoephedrinhydrochlorid 60 mg
Triprolidinhydrochlorid 2,5 mg
  • eine Tablette bis zu dreimal täglich
  • maximal zehn Tage lang
  • ab zwölf Jahren
  • nicht bei über 60-Jährigen
SpaltGrippal® Filmtabletten
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
vgl. BoxaGrippal® Erkältungstabletten
SpaltGrippal® Weichkapseln
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • eine Kapsel alle vier bis sechs Stunden oder zwei Kapseln alle sechs Stunden
  • maximal sechs Kapseln/Tag
  • maximal fünf Tage lang
  • ab 15 Jahren
Wick® DuoGrippal
Ibuprofen 200 mg
Pseudoephedrinhydrochlorid 30 mg
  • eine Kapsel alle vier bis sechs Stunden oder zwei Kapseln alle sechs Stunden
  • maximal sechs Kapseln/Tag
  • maximal drei (Jugendliche) bzw. fünf Tage (Erwachsene) lang
  • ab 15 Jahren

Die Wirksamkeit von Pseudoephedrin als Dekongestivum wurde in zahlreichen Studien belegt. Auch für die Wirksamkeit von Pseudoephedrin enthaltenden Kombinationspräparaten gibt es Evidenz. Für die Kombination aus Ibuprofen und Pseudoephedrin beispielsweise publizierten Klimek et al. 2017 eine neue Befragung von 1770 Apothekenkunden, die ein entsprechendes Präparat in der Selbstmedikation angewendet hatten [Klimek et al. 2017]. Die abgefragten Symptome waren nach Einnahme einer Einzeldosis bei über der Hälfte der Patientin um 50% reduziert. Es zeigte sich, dass die Wirksamkeit am höchsten ist, wenn der Behandlungsbeginn innerhalb der ersten zwei Tage nach Auftreten der ersten Erkältungssymptome lag. Den strengen Kriterien der European Medicines Agency (EMA) für die Bewertung von Kombinationspräparaten entspricht eine Studie von Eccles et al., in der Acetylsalicylsäure plus Pseudoephedrin gegen Placebo sowie gegen die beiden Einzelsubstanzen getestet wurde [Eccles et al. 2014]. An 833 Patienten wurde sowohl die Wirkung einer Einzeldosis nach vier Stunden also auch die Wirksamkeit einer Therapie über drei Tage getestet. Die Auswertung erfolgte nicht nur anhand von Patientenbefragungen, sondern die Abschwellung der Nasenschleimhaut wurde rhinomanometrisch bestimmt. Dabei zeigten sowohl die Kombination aus ASS und Pseudoephedrin also auch Pseudoephedrin alleine eine signifikant höhere dekongestive Wirkung als Acetylsalicylsäure allein oder Placebo. Gleiches wurde für die schmerzstillende Wirkung von ASS gezeigt. Auch hier traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf.

Kontraindikationen beachten

Von der gut belegten Wirksamkeit kann nur profitieren, wer die Kontraindikationen beachtet. Pseudoephedrin darf nicht angewendet werden bei schwerwiegenden Formen kardiovaskulärer Erkrankungen wie Hypertonie, koronare Herzkrankheit (KHK) oder Herzinsuffizienz. Vor allem bei Schlaganfällen oder Herzinfarkten in der Anamnese sollte auf die Einnahme verzichtet werden. Weitere Kontraindikationen sind Prostatabeschwerden mit Harnretention, Engwinkelglaukom, systemischer Lupus erythematodes sowie Krampfanfälle in der Anamnese. Bei Patienten, die MAO-Hemmer, Methylphenidat, Digitalisglykoside, trizyklische Antidepressiva oder Betablocker einnehmen, besteht das Risiko von Interaktionen. Als Nebenwirkungen werden kardiale Störungen wie Herzrasen und Bluthochdruck beschrieben sowie zentralnervöse Symptome wie Schlaflosigkeit, Unruhe und Halluzinationen. Aber auch Hautreaktionen wie Exantheme, Pruritus, bis hin zu schweren Verläufen wie die akute generalisierte exanthemische Pustulose (AGEP) können auftreten. Pseudoephedrin wird aufgrund seiner zentralstimulierenden Wirkung sowohl selbst als Partydroge missbraucht als auch missbräuchlich zur Synthese von Methamphetamin verwendet. In den USA unterliegt es deshalb dem Combat Methamphetamine Epidemic Act of 2005, mit dem der Erwerb von Arzneimitteln zur illegalen Syn­these von Methamphetamin (Crystal) erschwert werden soll. Käufer entsprechender Erkältungspräparate müssen sich mit Lichtbildausweis identifizieren, Verkäufe sind limitiert und müssen dokumentiert werden. In Deutschland wurden Packungsgrößen mit mehr als 720 mg 2011 wieder der Verschreibungspflicht unterstellt und das pharmazeutische Personal ist angehalten, bei verdächtigen Anfragen die Abgabe zu verweigern und den Fall zu melden. Auch auf der Dopingliste ist Pseudoephedrin zu finden, es darf nicht im Wettkampf angewendet werden.

Weniger ZNS-gängig: Phenylephrin

Alternativ kann auf Phenylephrin ausgewichen werden. Es ist jedoch bislang nur in Kombinationspräparaten mit Paracetamol im Handel (s. Tabelle 3). Phenylephrin ist ebenfalls ein Sympathomimetikum, wirkt jedoch als direkter Agonist an den α1-Rezeptoren an den Blutgefäßen. Durch seine zwei OH-Gruppen ist es so hydrophil, dass es die Blut-Hirn-Schranke kaum überschreitet. Als Nebenwirkung tritt in pharmakologischer Dosierung hauptsächlich Hypertonie auf. Erst bei einer Überdosierung kommt es auch zu einer Stimulation der ß-Rezeptoren mit entsprechender Wirkung auf das Herz und zentralnervösen Nebenwirkungen wie Verwirrung oder Halluzinationen. Ein Missbrauchspotenzial ist kaum gegeben, Phenylephrin zählt nicht zu den Drogen­ausgangsstoffen und darf von Sportlern jederzeit konsumiert werden.

Tab. 3: Phenylephrin-enthaltende Arzneimittel [Lauer-Fischer-Taxe, Stand: 22. Februar 2018]
Arzneimittel
Wirkstoffe
Dosierung
CeteGrippal® plus Husten­stiller Heiß­getränk
Paracetamol 500 mg Phenylephrinhydrochlorid 10 mg Dextromethorphanhydrobromid 15 mg
  • ein Beutel alle sechs Stunden
  • maximal vier Beutel/Tag
  • maximal drei Tage lang
  • ab zwölf Jahren/43 kg
Doregrippin® Filmtabletten
Paracetamol 500 mg Phenylephrinhydrochlorid 10 mg
  • ein bis zwei Tabletten bis zu dreimal täglich
  • maximal drei Tage lang
  • ab elf Jahren
GeloProsed® Pulver zum Einnehmen
pro Einzeldosis:
Paracetamol 1000 mg Phenylephrinhydro­chlorid 12,2 mg
  • ein Beutel alle vier bis sechs Stunden
  • bis zu drei Beutel/Tag
  • maximal drei Tage lang
  • ab zwölf Jahren
Wick® DayMed Kombi Erkältungsgetränk
Paracetamol 500 mg
Guaifenesin 200 mg
Phenylephrinhydrochlorid 10 mg
  • ein Beutel alle vier Stunden, maximal vier Beutel/Tag
  • maximal drei Tage lang
  • ab zwölf Jahren

Kontraindikationen sind in erster Linie schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen und das Engwinkelglaukom. Bei den Wechselwirkungen heben die Fachinformationen neben den Hemmern der Monoaminooxidase (MAO-Hemmer), den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), den Catechol-O-Methyltransferase-Inhibitoren (COMT-Hemmer) und den herzwirksamen Glykosiden hervor, dass generell bei gleichzeitiger Einnahme mit Antihypertonika Interaktionen auftreten können. Problematisch an Phenylephrin: Die geringe Bioverfügbarkeit von etwa 40% aufgrund eines ausgeprägten First-Pass-Effekts, die allerdings durch Paracetamol stark erhöht wird. Gelotte CK publizierte im Mai 2018 eine Studie, in der die Pharmakokinetik der Monosubstanz und der Kombination untersucht wurde [Gelotte CK 2018]. Ergebnisse früherer Studien wurden bestätigt, die Autoren fanden um 200% erhöhte maximale Blutkonzentra­tionen von Phenylephrin bei gleichzeitiger Einnahme von Paracetamol. Eine zusätzliche Medikation mit Paracetamol würde also mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen einhergehen. Ebenfalls problematisch sind die widersprüchlichen Studienergebnisse zur dekongestiven Wirksamkeit von Phenylephrin: Kollar et al. veröffentlichten 2007 eine Metaanalyse, in der eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt werden konnte, neue Studien konnten diese Ergebnisse bestätigen [Kollar et al. 2007]. Doch immer wieder erscheinen auch Studien, in denen die Wirksamkeit von Phenylephrin sich auf Placebo-Niveau bewegt, sowohl bei Anwendung gegen allergische Rhinitis als auch gegen infektiöse Rhinitis [z. B. Meltzer EO 2015, Meltzer EO 2016]. Horak et al. untersuchten die Wirkung von Pseudoephedrin und Phenylephrin bei allergischer Rhinitis im Vergleich – hier zeigte Phenylephrin nur 17% der abschwellenden Wirkung von Pseudoephedrin [Horak et al. 2009].

Die Autoren des Cochrane-Reviews bedauerten, dass, trotz der zunehmenden Präsenz auf dem Markt, keine Studie zu Phenylephrin verfügbar war, die ihren Anforderungen entsprach. Somit ist die Empfehlung oraler Sympathomimetika von Deckx L et al. eigentlich nur auf Pseudoephedrin zu beziehen, auch wenn die Deutsche Leitlinie „Rhinosinusitis“ die positive Bewertung allgemein für systemisch wirksame Dekongestiva übernommen hat [Deckx L et al. 2016].

Eindeutige Empfehlungen kaum möglich

Zusammenfassend gibt es sowohl für die Auswahl eines systemischen Dekongestivums als auch für die Entscheidung zwischen lokalen und oralen Darreichungsformen keine eindeutigen Empfehlungen. Es fehlen vergleichende Studien, vor allem zwischen Nasensprays und oralen Darreichungsformen, und einheitliche Kriterien zur Bewertung der Wirksamkeit von abschwellenden Wirkstoffen. Wenn in einer Studie die Wirksamkeit über subjektive Bewertungen des Patienten ermittelt wird, von anderen Autoren dagegen über Messverfahren wie die Rhinomanometrie, sind die entsprechenden Daten schwer zu vergleichen und kaum zu poolen. In der Apotheke fehlen uns somit die Handlungskriterien für die Beratung.

Eine Lücke in den zur Verfügung stehenden Präparaten für die Selbstmedikation hätte geschlossen werden können, wenn der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht in seiner Sitzung vom 22. Januar 2019 dem Antrag zugestimmt hätte, eine Kombination aus Ibuprofen und Phenylephrin aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. Ibuprofen ist laut Leitlinie das Schmerzmittel der Wahl bei Rhinosinusitis, und Phenylephrin wäre eine weniger zentralwirksame Alternative zum Pseudoephedrin. Mit Spannung bleibt die Begründung des Sachverständigen­ausschusses abzuwarten, die dann vielleicht einen Anhaltspunkt mehr gibt, welchen Wirkstoff wir dem Apotheken­kunden mit verstopfter Nase empfehlen sollten. |

Literatur

Deckx L, De Sutter AIM, Guo L, Mir NA, van Driel ML. Nasal decongestants in monotherapy for the common cold. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016;10:Art. No.: CD009612

Eccles R, Voelker M. Analgesic and decongestant efficacy of the combination of aspirin with pseudoephedrine in patients with symptoms of upper respiratory tract infection. Clin Pharmacol Drug Dev 2014;3(2):118–125, DOI: 10.1002/cpdd.39

Eccles R. Substitution of phenylephrine for pseudoephedrine as a nasal decongestant. An illogical way to control methamphetamine abuse. Br J Clin Pharmacol 2007;63(1):10-14, Epub 20. November 2006

Fokkens WJ et al. European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2012. Rhinol Suppl. 2012;23:3 p preceding table of contents, 1-298

Gelotte CK. An open-label, randomized, four-treatment crossover study evaluating the effects of salt form, acetaminophen, and food on the pharmacokinetics of phenylephrine. Regul Toxicol Pharmacol 2018;95:333-338, doi: 10.1016/j.yrtph.2018.04.008, Epub 7. April 2018

Horak F et al. A placebo-controlled study of the nasal decongestant effect of phenylephrine and pseudoephedrine in the Vienna Challenge Chamber. Ann Allergy Asthma Immunol 2009;102(2):116-120, doi: 10.1016/S1081-1206(10)60240-2

Klimek et al. Factors associated with efficacy of an ibuprofen/pseudo­ephedrine combination drug in pharmacy customers with common cold symptoms., Int J Clin Pract. 2017;71:e12907;doi.org/10.1111/ijcp.12907

Kollar C et al. Meta-analysis of the efficacy of a single dose of phenylephrine 10 mg compared with placebo in adults with acute nasal congestion due to the common cold. Clin Ther 2007;29(6):1057-1070

Meltzer EO et al. Oral Phenylephrine HCl for Nasal Congestion in Seasonal Allergic Rhinitis: A Randomized, Open-label, Placebocontrolled Study. J Allergy Clin Immunol Pract 2015;3(5):702-708, doi: 10.1016/j.jaip.2015.05.007, Epub 2. Juli 2015

Meltzer EO et al. Phenylephrine hydrochloride modified-release tablets for nasal congestion: a randomized, placebo-controlled trial in allergic rhinitis patients. Ann Allergy Asthma Immunol 2016;116(1):66-71, doi: 10.1016/j.anai.2015.10.022, Epub 7. November 2015

Phillipson G et al. Open-Label Real-World Pharmacy Purchaser Study of Two Fixed-Dose Combination OTC Cold Treatments;Wick Medi-Nait, Wick DayMed Capsules or a Combination of Both. Open Journal of Respiratory Diseases 2018;8:43-62; doi.org/10.4236/ojrd.2018.83006

Rhinosinusitis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Berlin, Stand 04/2017, AWMF-Register-Nr.017/049 und 053-012

Fachinformationen der Hersteller

Autorin

Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania, später in einer öffentlichen Apotheke in Deutschland. Seit 2010 unterrichtet sie an der Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenten in München.

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