Management

So eine Enttäuschung!

Wie Sie unnötige Kränkungen vermeiden können

Je nachdem wie hoch unsere ­Erwartungen sind, werden sie mehr oder minder häufig enttäuscht. Wenn wir dieses Gefühl nicht verarbeiten, entsteht schließlich eine giftige Verbitterung – giftig vor allem für die betroffene Person selbst. Von Ute Jürgens

In der Apotheke ackern wir auf ­einem optimalen Übungsfeld für diese Überlegungen. Ein paar Beispiele: Der Kunde nimmt unsere Zusatzempfehlung nicht an, die Kollegin* weist unseren Wunsch zurück, mit ihr einen Dienst zu tauschen, und die Chefin verweigert die Gehaltserhöhung trotz ­unseres überdurchschnittlichen Engagements. Allein an diesen Beispielen spüren Sie schon, wie unterschiedlich stark unser Frusterlebnis ausfallen kann, je nachdem, wie sehr Sie mit einem für Sie positiven Ergebnis ­gerechnet hatten.

Dazu kommen das private Leben und die eigene Person, wenn Sie sich falsch eingeschätzt haben. Sie wollten nicht mehr naschen oder schon wieder ein neues T-Shirt kaufen, aber tun es doch? Kein gutes Gefühl! Ähnlich bei anderen Vorhaben, bei allem wo wir uns nicht den eigenen ­Planungen entsprechend ver­halten. Was ist im Moment noch von Ihren guten Vorsätzen für dieses Jahr übrig?

Nicht alles auf sich selbst beziehen

Abhängig von der Situation, kann es sich bei der Enttäuschung um das Gefühl von persönlicher Zurückweisung handeln, zum Beispiel, wenn ein Wunsch abgelehnt wird oder ein Kunde etwas von uns Empfohlenes doch nicht kaufen möchte. Versuchen Sie zu erfassen, ob das der Fall ist. Viele von uns vermeiden es zum Beispiel, Zusatzangebote zu machen, weil sie ein „Nein“ automatisch auf sich beziehen statt auf andere Gründe, die viel wahrscheinlicher sind. Oder man denkt: „Ich bin unfähig gewesen, es richtig zu ­erklären“, und ist also von der ­eigenen Leistung frustriert – was ebenfalls unangenehm ist. Manchmal gibt es zudem einen Moment von Überraschung und Unverständnis, zum Beispiel wenn etwas Gewohntes plötzlich verweigert wird. Auch hier fühlen wir uns zu oft verantwortlich und fragen uns, was wir falsch gemacht haben.

Mit Kränkungsgefühlen ­umgehen

Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki empfiehlt, beim Empfinden von Zurückweisung den Selbstwert zu stärken, statt in einer Opferhaltung zu verharren. Dabei hilft alles, was uns gut tut, uns befriedigt und uns unsere Würde wiedergibt. In der Apotheke sind das bestimmte Arbeiten, die uns leicht von der Hand gehen, sich eine Rückmeldung von den Kolleginnen holen, einen neuen Versuch in der gleichen Sache starten etc., abhängig davon, worum es ging. Überlegen Sie auch, was Sie das nächste Mal besser machen können. Sinnvoll ist es oft, etwas zu warten, weil unser Denkvermögen und unsere Vorstellungskraft bei einer größeren Verletzung eingeschränkt sein können. Dabei gilt: Wenn wir eine Kränkung nicht aufarbeiten, zementieren wir unsere negative Einstellung zur Sache oder den entsprechenden Personen.

Foto: mgkuijpers – stock.adobe.com

Schleichendes Gift Kränkungen nagen am Selbstwertgefühl, können zu langsamer Verbitterung und gar zur Depression führen. Besonders wenn man euphorisch Positives erwartet und Negatives erntet. Wie kann man ihnen den Giftzahn ziehen?

Wie kommen Sie zum Beispiel damit klar, wenn sich Kunden ausführlich beraten lassen und dann fröhlich wieder gehen mit der Bemerkung: „Dann bestelle ich das jetzt in der Internetapotheke, die ist billiger.“ In dem Moment fühlen wir uns brüskiert und sind auch verärgert. Es ergibt aber keinen Sinn, Fragende nun nicht mehr zu beraten. Am besten diskutieren Sie diese mittlerweile leider alltägliche Situation im Team und versuchen, eine Einstellung zu gewinnen, die Ihre Motivation hochhält und Sie in Zukunft ge­lassen bleiben lässt. Zudem können Sie gemeinsam überlegen, was Sie künftig entgegnen wollen, wenn ein Kunde so etwas sagt. Hier besteht die Möglichkeit vorzubauen, sodass gar nicht erst Frust auf unserer Seite entsteht.

Erwartungen ausbalancieren

Häufig hinterfragen wir unsere Erwartungen erst, wenn etwas schiefgeht. Je nachdem, wie oft wir enttäuscht sind, zeigt sich, wie sehr unsere Erwartungen an andere und uns selbst überhöht sind. Manchmal gehen wir automatisch davon aus, dass andere Menschen genauso denken und handeln würden wie wir selbst, und sind dann verwundert, wenn es anders ist. Vielleicht hat uns auch jemand Hoffnungen gemacht durch ein Versprechen oder das Zeigen von großem Interesse.

Eine Überlegung wert ist zudem, wie man überhaupt zu seiner Erwartung gekommen ist. Wenn wir uns nur wegen erhoffter Anerkennung in irgendetwas engagieren und diese dauerhaft ausbleibt, wird es anstrengend. Ist es eventuell so, dass diese Leistung anderen ganz egal ist, ihnen gar nichts daran liegt? Hier dürfen wir überlegen, was an unserem Tun uns selbst auch ohne Reaktion anderer erfreut, oder wir hören auf und warten ab, ob irgendjemand unser Engagement vermisst.

Ist es am besten, grundsätzlich ohne Erwartungen durchs Leben zu gehen und lieber angenehm überrascht zu werden, wenn etwas klappt? Bisweilen mag das Lebensgefühl dann etwas farblos sein oder es wird schwierig, sich zu motivieren. Wir versagen uns dann sicherheitshalber auch die Vorfreude.

Nunchi – andere realistisch einschätzen

Wenn es Ihnen gelingt, andere Menschen so zu sehen, wie sie sind, werden Sie selten enttäuscht sein. Die Koreanerin Euny Hong beschreibt Nunchi als subtile Kunst, die Gedanken und Gefühle anderer Menschen vorurteilsfrei einzuschätzen. Es ist eine bestimmte Form emotionaler Inte­lligenz. Manch einer wird mit „schnellem“ Nunchi geboren, andere ganz ohne – man kann es ­lernen. Es geht um das direkte ­Gegenüber, aber auch die Kundschaft insgesamt. Was können wir reichlich einkaufen, weil es alle haben möchten, und wo halten wir uns lieber zurück? Ergibt es Sinn, diesen oder jenen Extraservice anzubieten, oder besteht dafür kein Bedarf? Wie können wir uns besser an die Kunden anpassen?

Stellen Sie sich schnell auf die ­Informationen ein, die der Kunde Ihnen gibt, beobachten Sie seine Ausstrahlung, Gestik und Mimik. Wenn wir selbst eher schweigsam sind, erzählt unser Gegenüber mehr. Versuchen Sie auch, zwischen den Zeilen zu lesen.

Die Frustrationstoleranz ­erhöhen

Ein weiterer Weg, Enttäuschungen zu vermeiden, ist die eigene Frustrationstoleranz zu erhöhen. Laut der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf führen u. a. folgende Einstellungen zu einer hohen Frustrationstoleranz (www.palverlag.de/frustrationstoleranz.html):

  • Es ist in Ordnung, wenn nicht immer alle nach meiner Pfeife tanzen.
  • Für manche Ziele lohnt es sich, unterwegs negative Gefühle wie Unsicherheit, Enttäuschung etc. zu spüren, das gehört dazu.
  • Wenn mir nicht alles gelingt, versuche ich es trotzdem wieder.
  • Ich möchte, dass andere Menschen mich gut behandeln. Das können nicht alle und ich toleriere das. Das gehört dazu und es lohnt sich.
  • Wenn das Leben ungerecht ist, ist das schwer zu akzeptieren. Akzeptanz ist in meinem besten Interesse.

Fragen Sie sich, was Sie einer misslungenen Situation abgewinnen können: Sie haben es wenigstens versucht, Sie wissen jetzt, wie es suboptimal verläuft, Sie ­haben eine Idee, wie Sie es das nächste Mal anpacken sollten. Oder auch: Sie brauchen keinen Gedanken oder keine Zeit mehr an dieses Projekt zu verlieren, Sie haben sich etwas getraut, Sie sind schlauer als vorher usw., usw. Fragen Sie sich aber auch, ­inwiefern Sie eventuell selbst zur Entstehung von Enttäuschungen beitragen. Vielleicht vergessen Sie ab und zu, für andere wichtige Informationen zu geben, versprechen Dinge, die Sie nicht halten können, oder Sonstiges?

„Enttäuschungen sollte man verbrennen, nicht einbalsamieren.“

Mark Twain

Nichtstun ist keine Option

Ständige Enttäuschungen, die nicht verarbeitet werden, wachsen sich oft zur Verbitterung aus, die in Angst und Depression münden kann. Menschen, die sich von Fehlschlägen nicht zu lösen vermögen, verschließen Schmerz und Zorn in sich. Beides gärt und wächst jedes Mal, wenn wieder Ähnliches erlebt wird oder man an das Geschehene denkt und es erneut durchlebt. Das Autorenduo Prof. Dr. Michael Linden und Sigrid Engelbrecht erklärt, dass eine Kränkung umso schwerer wiegt,

  • je wichtiger der Kränkende für den Betroffenen ist,
  • je näher der Kränkende dem ­Betroffenen steht,
  • je stärker zentrale Werte in Mitleidenschaft gezogen werden, auf die jemand sein Selbst- und Weltverständnis gründet.

Diese Bedingungen sind in der Apotheke in hohem Maße gegeben. Im Team ist jeder vom anderen abhängig, das berufliche Selbstverständnis kann schnell bedroht sein, wenn Anerkennung fehlt und Kolleginnen oder Kunden mit Missachtung oder Demütigung agieren.

Länger dauernde Verbitterung beeinträchtigt die Fähigkeit zu logischem Denken, senkt die Kreativität und wirkt selbstzerstörerisch, man schädigt sich also mit dem Erstarren in Ärger und Zorn selbst am meisten. Es ist wie eine schleichende Vergiftung, bei der man das Gift immer wieder einnimmt, sooft man an das Ereignis denkt, oder mit neuen Geschehnissen ­hadert, statt es zu verarbeiten.

Literaturtipps

Bärbel Wardetzki

Loslassen und Dranbleiben – Wie wir Veränderungen ­mutig begegnen.

Kösel Verlag, 2019,

ISBN: 978-3-466-34703-2

 

 

Euny Hong

Nunchi. Das koreanische Geheim­rezept – Menschen und ­Situationen intuitiv richtig einschätzen

Knaur Balance, 2019,

ISBN: 978-3-426-67583-0

 

 

Sigrid Engelbrecht, Michael Linden

Lass Los! Es reicht – Wege aus der Verbitterung

Ecovin Verlag, 2018,

ISBN-13 9783711001382

 

 

 

Zu beziehen über:

Deutscher Apotheker Verlag

Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart

Telefon 0711 2582-341
Telefax 0711 2582-290
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Wie stellt man die innere Ruhe wieder her?

Meist lässt sich an den belastenden Erlebnissen im Nachhinein nichts mehr ändern. Es gilt nun,

  • sich von dem emotionalen Aufruhr zu lösen,
  • sich ohne Aufregung erinnern zu können,
  • besser zu verstehen, was passiert ist, zum Beispiel unter ­Zuhilfenahme des Perspektivenwechsels,
  • sich durch Vergebung zu ­distanzieren.

Das Lösen vom emotionalen ­Aufruhr gelingt mit Selbstdistanzierung, indem Sie sich in die ­Situation aus der Perspektive eines unbeteiligten Dritten, der die Bedürfnisse und Gefühle der Kontrahenten objektiv nachvollziehen kann, versetzen. Als Dritter kommt z. B. eine unbekannte Person infrage oder sogar ein Tier, das dabeisitzt und nur neutral wahrnimmt, wie eine Fliege an der Wand oder eine Katze.

Mit Vergebung ist nicht Akzeptanz, Entschuldigen und Gutheißen gemeint, sondern die Ent­scheidung gegen Groll, Rache und Zurückschlagen. Vergebung hat mehr mit dem eigenen Wohlbefinden als mit dem Verursacher der Enttäuschung zu tun. Es bedeutet auch ein Sich-Befreien aus der ­passiven, selbstschädigenden und hilflosen Opferhaltung, man zieht „einfach“ einen Schlussstrich. Vielleicht hilft es, das Ganze in ­einem größeren Zusammenhang zu sehen und sich zu fragen, was es auf das eigene ganze Leben ­bezogen bedeutet, ob es wirklich so entscheidend ist oder sein soll. Oder Sie überlegen sich, ob Sie in dieser oder einer ganz ähnlichen Situation mit Sicherheit anders gehandelt hätten, mit dem Wissen, der Erfahrung und der inneren Einstellung der betreffenden Person. Eventuell hilft es auch dem eigenen Prozess des Loslassens, wenn man der kränkenden Person ohne Vorwurf verdeutlicht, was ihr Verhalten in einem ausgelöst hat. Letztlich hilft Vergebung einem selbst am meisten, man muss es dem „Täter“ nicht einmal erzählen.

Humor und Gelassenheit

Vor allem in kuriosen Situationen bewahren uns Humor und Gelassenheit vor Enttäuschungen. Eine ältere, recht resolute Stammkundin rief mich einmal von unterwegs an: „Hallo, ich wollt‘ mal wissen, was ich für ‘n Calcium nehmen soll. Ich steh‘ hier im Drogeriemarkt und es gibt so ­viele verschiedene, SIE müssen das doch wissen!“ Auf mein befremdetes „Ich kenn‘ mich in dem Markt nicht aus, fragen Sie die Angestellten dort!“, reagierte sie verärgert und machte mir Vorwürfe, der Markt sei doch nebenan, ich könne doch mal eben vorbeikommen etc., dann beendete sie abrupt das Gespräch. Mein Chef, eine verärgerte Kundin befürchtend, sah mich fragend an. Als ich erklärte: „Das war Frau Wild, sie erwartet, dass wir sie zu den Drogeriemarktprodukten beraten!“, antwortete er: „Ach sooo!“ Beiderseitiges Amüsement, diese Dame hatte uns schon öfter mal konsterniert zurückgelassen, dieses Mal musste ich sie leider enttäuschen. Immerhin war bei ihr verankert, dass die Apotheke in jeder Situation ein Ansprechpartner ist. |

 

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de

* Da die überwiegende Anzahl der Apo­thekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit ange­sprochen fühlen.

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