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Gesundheitspolitik
Der Apotheken-Ökonom: Customer Journey
Wie sich die Reise des Kunden beim Einkaufen verändert hat
Eine Customer Journey beschreibt den Weg eines Kunden von seiner Erstüberlegung bzw. dem Erstkontakt, ob ein Produkt infrage kommt, bis hin zum Kaufakt und zur Nachbetreuung durch das Unternehmen, bei dem gekauft wurde. Dabei werden in der Regel fünf Phasen durchlaufen. Am Anfang steht die Awareness, also alle Anstrengungen eines Unternehmens, die Aufmerksamkeit des Kunden zu erregen. Klassischerweise dienten dazu lange Zeit Prospekte, Zeitungsannoncen, Aufsteller vor dem Geschäft sowie das Schaufenster. Das ist immer noch der Fall, aber reicht alleine nicht mehr aus. Die Website und Social-Media-Aktivitäten sind aktiv in die Überlegungen mit einzubeziehen. Dieser Awareness (Aufmerksamkeitserregung) folgt die Consideration (Ab- und Erwägung). Auch dies ist nicht neu, nur erfolgt die Erwägung auf einem deutlich höheren Informationsniveau der Konsumenten als in der Vergangenheit. Hat sich jemand bereits im Internet vorinformiert, verfügt er über weit mehr Kenntnisse als zu früheren Zeiten – ungeachtet dessen, wo er dann final kauft. Werden diese Informationen sogar gezielt vom Unternehmen an ausgewählte Verbraucher verschickt, dreht sich der Spieß um und das Unternehmen kann durch individualisierte Aktivitäten Kunden zu sich auf einen Onlineshop oder in das stationäre Geschäft lenken. Mit Conversion wurde für die dritte Phase ganz bewusst ein Begriff gewählt, der vor allem aus der Onlinewelt bekannt ist. Hier wurde das Controlling durch Clickraten und faktische Bestellungen geprägt, was als Conversion-Rate hoffähig wurde. Gemeint ist generell gesprochen der faktische Kauf, also die Entscheidung des Kunden, einen Artikel zu erwerben. In der vierten Phase geht es um die Nachkauf-Betreuung, die Retention. Hier sollen alle Aktivitäten in den Fokus gerückt werden, die im Nachgang zum Kauf eine sogenannte kognitive Dissonanz zu vermeiden helfen. Und schließlich dient die Loyality/Advocacy-Phase dazu, den Kunden dauerhaft an das Unternehmen zu binden, also aus einem Kauf Wiederholungskäufe zu machen. Denn es ist empirisch belegt, dass Kunden bei mehrmaligem Kauf weit weniger kritisch sind als beim ersten Kontakt und von daher die Geschäftsbeziehung nach mehrmaligem Erlernen dann nicht mehr generell oder besonders intensiv infrage stellen.
Die Besonderheit der Customer Journey bei Apotheken ergibt sich aus zwei unterschiedlichen Anbahnungsmodellen. Im Rx-Bereich sind die vorderen beiden Phasen völlig anders zu bewerten als im Non-Rx-Bereich. Die Awareness und die Consideration sind weitgehend fremdbestimmt, da der rezeptausstellende Arzt maßgeblich ist. Hier ist der Hebel für Apotheken nicht das konkrete Produkt, sondern die Marke der Apotheke als beste Rezepteinlösestelle. Im Fokus muss stehen, dass der Patient seinen grundsätzlichen Arzneimittelbedarf bei dieser spezifischen Apotheke deckt, die im Rahmen der Phasen Awareness und Consideration einen besonders guten Eindruck bei ihm hinterlassen hat. Damit ist auch der Systemvergleich mit Internet-Apotheken gemeint, die ebenfalls an Rx-Patienten interessiert sind. Die Marke der Apotheke wird maßgeblich dadurch geprägt, ob die in den vorderen Phasen versprochenen Attribute sich nun beim Kauf bewahrheiten. Einer der wichtigsten Punkte ist dabei zweifelsfrei die Warenverfügbarkeit, denn bei rezeptpflichtigen Präparaten ist es in der Regel so, dass diese unmittelbar nach Erwerb auch genutzt werden. Demnach sind die sofortige Verfügbarkeit oder aber die schnelle Beschaffung über den Großhandel wettbewerbsrelevant. Im Bereich Retention und Loyality unterscheiden sich die beiden Journeys Rx und Non-Rx nicht mehr signifikant.
Schaut man auf die Kaufanbahnung im nicht rezeptpflichtigen Segment, sind im Bereich der Awareness andere werbliche Aktivitäten möglich. Auch hier sind Preisanreize nicht untypisch, egal ob diese über soziale oder klassische Medien kommuniziert werden. Ebenfalls können Aktionen der Apotheke wie Gesundheitstage oder Tipps für den Umgang mit saisonalen Erkrankungen bewusst an Konsumenten ausgerollt werden. Art und Inhalt der Botschaft kann dann maßgeblich für die Consideration sein, wer nach Aussendung dann tatsächlich von den Empfängern in Erwägung gezogen wird. Aber auch hier ist Vorsicht geboten – eine Botschaft, die z. B. medial verbreitet wurde und Menschen in die Apotheke oder in den Online-Shop lockt, muss auch für die Mitarbeiter bekannt sein, damit es im Moment der Wahrheit nicht zu deutlichen Diskrepanzen zwischen medialer Botschaft und faktischem Erleben kommt.
Mit der Fokussierung auf den Kunden und dessen Reise durch den Kauf von der Anbahnung über den faktischen Kauf bis zur Nachbetreuung haben sich die Möglichkeiten für Unternehmen dramatisch erweitert. Dies ist zunächst ein Vorteil, erhöht aber die Komplexität der Entscheidung und macht die Aufteilung von Budgets nicht einfacher. Wer die Journey jedoch gut bespielt, wird viele „Reisende“ in der Apotheke begrüßen können, und darum geht es am Ende des Tages. |
Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
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