Management

Zufriedenheit ist besser als Glück

Wie Sie aktuelle Forschungsergebnisse für Ihre Arbeit in der Apotheke nutzen können

Seit mehr als 35 Jahren läuft in Deutschland eine große Langzeitstudie, die sich auch mit dem Thema Zufriedenheit befasst. Im Fokus der Forscher stehen dabei u. a. die Bereiche Arbeit, Gesundheit und Lebensstil. Für unsere Tätigkeit in der Apotheke ergeben sich teilweise überraschende Gesichtspunkte. Von Ute Jürgens

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin angesiedelt ist, läuft seit 1984. Jedes Jahr werden rund 30.000 Personen in etwa 15.000 Haushalten vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung befragt. In seinem Buch „Wann sind wir wirklich zufrieden?“ befasst sich Martin Schröder, Professor für Soziologie an der Universität Marburg, mit den gewonnenen Daten unter dem Aspekt der Zufriedenheit. Er beschreibt Zufriedenheit als den Zustand, in dem unsere Lebensbedingungen im Wesentlichen unseren Vorstellungen entsprechen.

Geld allein reicht nicht

Gerade in helfenden Berufen, im ständigen Kontakt mit Kunden, ist es von Bedeutung, dass wir nicht lustlos, frustriert und des­interessiert, sondern zufrieden sind und das auch ausstrahlen. Auf Dauer ist es ein zu hoher Kraftaufwand, wenn wir uns ­wegen Unzufriedenheit mit dem Beruf oder der jeweiligen Stelle zur Arbeit zwingen müssen.

Vordergründig das oft gefühlt wichtigste, hintergründig ein jedoch eher zweitrangiges Thema: Wie sieht es mit dem Gehalt aus? Die Forschung zeigt: Mehr Geld heißt nicht mehr Zufriedenheit. Man gewöhnt sich so schnell an mehr Geld, dass man es nicht mehr genießen kann. Wo liegt die Grenze? Das SOEP nennt als „genug“ 2000 Euro (Netto) für Singles und 3400 Euro für Paare – wobei dies natürlich Durchschnittswerte sind ohne Bezug zu der jeweiligen Ausbildungsdauer und dem beruflichen Engagement. Danach erhöht sich die Lebenszufriedenheit kaum. Insgesamt hängen nur fünf Prozent unserer Lebenszufriedenheit vom materiellen Lebensstandard ab. Es ist somit immer eine Überlegung wert, ob wir immens viel Kraft und Zeit in eine Steigerung desselben investieren wollen.

Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.

Epikur von Samos

Interessant ist vor allem, welche Probleme die Befragten bei der ­Arbeit am meisten belasten. Laut Schröder machen insbesondere ein hoher Arbeitsumfang, Zeitdruck, Sorgen um den Arbeitsplatz, schlechte Aufstiegschancen sowie Nicht-Abschalten-Können unzufrieden. ABER: Wer nur zum Geldverdienen arbeitet und wem die Tätigkeit selbst egal ist, den beeinträchtigen die genannten Dinge weniger.

Leider treten gerade in der Apotheke die oben genannten Schwierigkeiten häufig auf: Viel Arbeit muss oft in wenig Zeit bewältigt werden, Aufstiegschancen gibt es so gut wie gar nicht und vielen Kolleginnen* fallen noch mitten in der Nacht Dinge ein, die sie vergessen haben. Dank der Studie wissen wir nun, dass diese Umstände tatsächlich für viele Menschen belastend sind. Dadurch ­bekommen wir mehr Motivation, daran zu arbeiten, soweit dies möglich ist – z. B. beim Thema ­Abschalten am Feierabend.

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„Zufriedenheit ist ein stiller Garten, in dem man sich ausruhen kann“, sagt der österreichische Schriftsteller Ernst Ferstl. Wohl dem, der seinen ganz persönlichen Garten findet.

Wieso sind die Ergebnisse dieser Studie überhaupt wichtig für uns? Manchmal setzen wir aufs falsche Pferd, weil wir uns weismachen, dass bestimmte Dinge bedeutend sind. Hier können wir unsere Präferenzen hinterfragen und somit tatsächlich mehr Einfluss auf unsere Lebenszufriedenheit und damit auch unsere Stimmung und Ausgeglichenheit bei der Arbeit und im Umgang mit den Kunden gewinnen. Schröder empfiehlt ­allerdings explizit, bei all diesen ­Ergebnissen nicht das eigene Urteil abzuschalten. Vielleicht empfinden Sie sich weit entfernt vom „Durchschnittsbürger“, der in der Befragung abgebildet wird, und Ihnen sind ganz andere Parameter wichtig. Für alles gilt jedoch eine Grenze. Je stärker man seine Quellen der Zufriedenheit anzapft, ­desto geringer wird der Nutzen, wenn man über ein gewisses Maß hinauskommt.

Lieber Zeit als Dinge kaufen

Die meisten Menschen brauchen laut der Studie nur etwas mehr als zwei Stunden Freizeit täglich, um zufrieden zu sein. Wenn das schwierig ist, bringt es mehr, sich Zeit zu kaufen als Dinge. Zeit kaufen heißt, jemanden für das zu beauftragen, wozu man keine Lust hat, zum Beispiel Putzen, Steuer­erklärung oder Unkraut jäten, sei es gegen Bezahlung oder im Austausch von Tätigkeiten, die einem mehr liegen.

Urlaub ist bereits ab fünf Tagen ­effektiv, was die Zufriedenheit und Erholung angeht. Diese Zeitspanne sollte jedoch nicht zu Hause, sondern eher anderswo verbracht werden; unabhängig von der Dauer verfliegt der Zufriedenheitseffekt bereits nach der ersten Arbeitswoche wieder.

Freunde und Ehrenamt: Auch hier gilt, dass mehr nicht mehr bringt. Das Optimum liegt bei fünf engen Freunden, mit denen man regelmäßig Kontakt hat. Singles profitieren dabei mehr als Paare. Sich ehrenamtlich zu engagieren, ist eine weitere Art von sozialem Kontakt. Menschen über 50, die oft schon weniger familiär gefordert sind, gewinnen daraus doppelt so viel Zufriedenheit wie der Durchschnitt. Einen starken Einfluss hat gelebte, also echt empfundene Religiosität, auch deshalb, weil es hier wieder zu mehr Kontakten und gemeinsamem Tun kommt. Insgesamt tragen ­soziale Kontakte in hohem Maße zur Zufriedenheit bei.

TIPP: Der Zwei-­Minuten-Impuls

Ob Sie den Schreibtisch aufräumen, die Rezeptur für eine eventuelle Revision vorbereiten oder den Sprechstundenbedarf bearbeiten möchten und alles vor sich herschieben: Starten Sie mit zwei Minuten, das schafft man immer. Wenden Sie sich danach wieder anderem zu und am nächsten Tag dem nächsten Impuls. Wenn erst ein Anfang gemacht ist, wird es leichter, die Blockade weicht manchmal sogar einem Bedürfnis zum Weitermachen.

Am wichtigsten ist die ­Gesundheit

Doch bei Weitem am wichtigsten für die Zufriedenheit ist unsere Gesundheit. Dabei ist der gefühlte Gesundheitszustand wirksamer als der objektive. Gesunde Ernährung macht zufriedener als un­gesunde. Hier haben wir einen Faktor, der sich mühelos beeinflussen lässt und viel einbringt. Nicht ganz so eindeutig ist es beim Sport, er hat weniger Einfluss auf das Zufriedensein als gemeinhin dargestellt wird. Eine falsche Schlafdauer ist einer der stärksten Zufriedenheitskiller. Am besten sind ca. sieben Stunden oder mehr, ab zehn Stunden kippt die Kurve übrigens wieder. Das gilt auch für Menschen, die normalerweise mit vier Stunden Schlaf auskommen oder immer elf brauchen. Stärkend wirkt eine optimistische Grundhaltung. Die Einstellung, das eigene Leben in hohem Maße kontrollieren zu können, trägt extrem zur Zufriedenheit bei, ist nahezu lebenswichtig.

Bei der Arbeit begegnen wir vielen einsamen und chronisch kranken Menschen, einige kommen täglich, manchmal sogar hauptsächlich, um sich zu unterhalten. Hier können wir durchaus einzelne Ergebnisse aus der Zufriedenheitsforschung in das Gespräch einfließen lassen, ohne dabei zum Handeln zu drängen. Versenden Sie einen Newsletter oder kreieren Sie Bei­leger für die Kundenzeitschrift? Auch hier können Sie das Thema aufgreifen, genauso wie bei der Schaufensterdeko. Ein passendes Motto wäre beispielsweise: „Gute Gesundheit macht zufrieden – wir helfen Ihnen dabei!“ Verdeutlichen Sie, dass Gesundheit nachweislich am meisten zur Lebenszufriedenheit beiträgt, und fragen Sie: „Was können Sie selbst für Ihre Gesundheit tun?“ Das weite Feld reicht von NEM und Diätprodukten über Impfberatung bis hin zur Körperpflege – hier können Sie beraten und entsprechende Produkte empfehlen.

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Glücklich sein kann anstecken Bei guter Stimmung haben wir mehr Schwung und sind leistungsfähiger.

Glück ist ansteckend

Im Gegensatz zu Schröder setzt die Trainerin und Autorin Cordula Nussbaum nicht auf Zufriedenheit, sondern auf Glück. Auch sie betont den individuellen Anteil auf Basis der Forschungen zum Durchschnitt. „Glück ist ein Gefühl, es ist nicht diskutierbar. Lassen Sie sich inspirieren … aber treffen Sie letztendlich Ihre ganz persönliche Entscheidung, was in Sachen Glück für Sie das Richtige ist und welcher Denkweise Sie folgen wollen.“

Es ist bewiesen, dass sowohl glücklich als auch unglücklich sein ansteckend ist. Das erfahren Sie auch immer wieder bei der ­Arbeit: Natürlich leisten wir alle zusammen mehr bei besserer Stimmung. Wenn Sie sich im Team darüber einig sind, dass ­Ihre Chefin oder einzelne Kolleginnen hierzu mehr beitragen könnten, dann fassen Sie sich ein Herz und teilen Sie es derjenigen freundlich als Wunsch mit.

Nussbaum nennt beim Thema Glück verschiedene Kategorien wie Handeln, Leidenschaft, Klarheit, Selbstwert oder Gesundheit, die auch für das eigene Empfinden bei der Arbeit sowie für den Kontakt mit den Kunden relevant sind.

Handeln

bestätigt uns in unserer Selbstwirksamkeit, in unserem Bedürfnis nach Kontrolle und Macht über das eigene Leben. Das gilt zum Beispiel auch für die Arzneimitteleinnahme. Vielen Kunden ist gar nicht bewusst, WIE groß ihr Einfluss auf ihre eigene Gesundheit ist, wenn sie sich entscheiden, ob sie ihre Medikamente so einnehmen, wie sie sollten, oder nicht. Sie fühlen sich manchmal dem Arzt, uns oder der Pharmaindustrie ausgeliefert, dabei haben sie es selbst in der Hand, sich zu informieren. Für uns selbst gilt in Bezug auf die Arbeit: Wenn wir wissen, was gut für uns ist, sind wir gefordert, es zu tun. Gestehen Sie sich dabei grundsätzlich Fehler zu, damit Sie keine Angst vor dem Tun entwickeln.

Das Vergleichen ist das ­Ende des Glücks und der Anfang der ­Unzufriedenheit.

Sören Kierkegaard

Leidenschaft entwickeln wir, wenn die Anforderungen an uns, unsere Fähigkeiten und unsere Motivation oder auch Interessen in einem idealen Verhältnis zueinander stehen. Denken Sie an hochkonzentriertes Arbeiten, bei dem Sie alles andere um sich herum ausblenden können! Vielleicht besitzen Sie eine elementare Leidenschaft für Ihren Beruf oder DIESEN Arbeitsplatz mit DIESEM Team?

Innere Klarheit bringt uns weiter, weil sie den Weg zeigt. Klarheit im Verstehen der Bedürfnisse der Kolleginnen ebenfalls. Trauen Sie sich, beim Kunden nachzufragen, wenn er sich „nebulös“ ausdrückt: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass …?“

Unserem Selbstwertgefühl dient es, wenn wir wissen, dass wir wertvoll sind trotz Fehlern, die wir machen, und Schwächen. Nicht zu verwechseln ist das Selbstwertgefühl mit Arroganz, die auf die „Minderwertigkeit“ anderer baut und im Grunde ­genommen gerade zeigt, dass ­jemand nicht fähig ist, sich ohne Vergleich anzuerkennen, so wie er ist.

Über Gesundheit ist alles gesagt, nur noch ein Hinweis: Denken Sie ans Genießen, gerade in diesen Zeiten! |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de

 

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

 

Literaturtipps

Martin Schröder

Wann sind wir wirklich ­zufrieden? Überraschende Erkenntnisse zu Arbeit, ­Liebe, Kindern, Geld.

C. Bertelsmann Verlag 2020

ISBN: 978-3-570-10405-7

 

Cordula Nussbaum

Meine Glüxx Factory. So ­mache ich mich glücklich.

Campus Verlag 2019

ISBN 978-3-593-51070-5

 

 

Zu beziehen über:

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