Management

Die themenzentrierte Interaktion

Wie Führungskräfte die Teamarbeit verbessern können

Die Teamarbeit gibt Führungskräften durchaus Rätsel auf. Das eine Mal wächst eine kunterbunt zusammengewürfelte Gruppe über sich hinaus und „wuppt“ kurzerhand ein beeindruckendes Arbeitspensum. Das andere Mal stehen sich ­ausgewählte Profis gegenseitig im Weg. Es gibt viele Tipps und guten Rat, wie Führungskräfte auf die Teamarbeit Einfluss nehmen können. Doch ohne eine Idee, welcher Ansatzpunkt der richtige ist, fühlt sich jede Interaktion ein bisschen wie Stochern im Nebel an. Das Modell der „Themenzentrierten ­Interaktion“ (TZI) lichtet das Feld durch einen mehrperspektivischen Ansatz. Von Anja Keck

Diese strukturierte Betrachtungsweise wurde von der Psychoanalytikerin Ruth Cohn entwickelt. Die Aussage der TZI: Zielführende Zusammenarbeit gelingt am besten, wenn die Aufgabe, die Gruppe, die beteiligten Einzelpersonen und das Umfeld in einer guten Balance zueinander stehen. Die vier Faktoren werden bezeichnet als: das ES, das WIR, das ICH und der GLOBE. Mit der Reflexion dieser unterschiedlichen Bereiche lassen sich Hinweise für die konstruktive Gestaltung der Zusammenarbeit finden. Das TZI-Modell kann auch zur Konfliktdiagnose genutzt werden. Dabei sollte der Blick auf das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Faktoren gelegt werden. Was läuft quasi aus dem Ruder?

Das ES

Das ES ist das sachliche Thema, die Aufgabenstellung und damit der springende Punkt. Eine Gruppe von Personen schließt sich zu einem Team zusammen, um eine Aufgabe zu erfüllen. In diesem Bereich können Probleme auftreten, wenn die übergeordnete Aufgabe bei der alltäglichen Detailarbeit aus dem Blickfeld gerät oder von vorneherein nicht klar definiert war. Zur Reflexion dieses Faktors können die Fragen hilfreich sein:

  • Ist das Thema oder die Fragestellung – bei Projektarbeiten und in einzelnen Arbeitsbereichen – klar formuliert?
  • Hat jeder einen Zugang zum Thema? Weiß jeder, um was es geht?
  • Gibt es ein gemeinsames Ziel?

Was für Führungskräfte selbstverständlich ist, ist es für das Team oft nicht. Die Informationen ver­teilen sich nicht so, wie erwartet, oder die Priorisierung ist nicht klar. Um diesem blinden Fleck entgegenzuwirken, sind Feedback-Schleifen sehr hilfreich. Je nach Aufgabe reichen kurze Rückmeldungen über das, was verstanden worden ist, oder über die Fortschritte bei der Bearbeitung.

Foto: JackF – stock.adobe.com
Ein Castell zeigt die Voraussetzungen für TZI sehr schön: ES = jeder weiß, weshalb er mitmacht, WIR = das Ziel kann nur durch eingeschweißte Teamarbeit erreicht werden, ICH = jeder Einzelne trägt zur Balance des ganzen Teams bei und ist „tragende Kraft“ , GLOBE = stimmen die Rahmenbedingungen (hier z. B. das Wetter) nicht, gibt es kein gutes Ergebnis (s. auch Kasten unten).

Das WIR

Beim WIR geht es um die Beziehungen innerhalb der Gruppe, die Gruppendynamik oder auch den Teamspirit. Jedes Team bestimmt für sich – im Laufe der Zeit oder ganz aktiv in Workshops – Normen und Werte, die innerhalb dieser Gemeinschaft für jeden gelten. Bei Teams, die sich ganz neu bilden, ist die Zeit für diese „Normierung“, wie miteinander gearbeitet und umgegangen werden soll, gut investiert. Bevor einwandfreie Ergebnisse abgeliefert werden, müssen Interessenskonflikte oder Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Das Treffen von Entscheidungen, das Lösen von Problemen oder das Entwickeln von Handlungsalternativen braucht etwas Platz, bevor ein „fertiges Produkt“ entsteht, was die Kunden oder Führungskräfte als gute Teamleistung wahrnehmen. Das gemeinsame Ziel und die ­Normen und Werte gehören zu den wichtigen Kriterien, die das Wesen von Teams ausmachen.

Zum WIR gehören auch alle Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten, die das Team besitzt, um seine Aufgabe zu lösen. Durch das geschickte Verbinden der einzelnen Stärken wird das WIR zu mehr als nur der Summe der Einzelteile. Leitfragen zur Teamdynamik sind:

  • Wer hat gerade ein Problem? Für einen Konflikt reicht es aus, wenn es nur eine Person ­betrifft.
  • Wie stehen die Mitglieder zu­einander?
  • Gab es eine Verständigung auf eine gemeinsame Art des Umgangs?
  • Wie wird die erfolgreiche Erledigung der Aufgabe definiert?

Das ICH

Der Bereich ICH umfasst die ­innerpersönlichen Aspekte einer Handlung oder Haltung. Auch wenn es um eine gelingende Teamarbeit geht, bedeutet das nicht, dass die Individualität jedes Einzelnen in den Hintergrund rückt. Vielmehr stellt die Individualität jedes Einzelnen eine Ressource bei der Aufgabenerfüllung dar. Auch hier ist eine gute Balance gefragt, niemand sollte „unsichtbar“ werden und niemand ständig im Vordergrund sein. Als Führungskraft die Bedürfnisse der Teammitglieder zu berücksichtigen, schafft Sicherheit. Wenn sich jeder gut aufgehoben fühlt, steigert das die Effektivität und die Kreativität, ein offener Austausch wird möglich. Dementsprechend stellen sich die Fragen:

  • Kann jeder seine Stärken einbringen?
  • Wird die Heterogenität der Gruppe zur Zielerreichung genutzt?
  • Welche Erwartungen hat der Einzelne und werden diese erfüllt?

Nicht jeder ist zum Teamplayer geboren. Genauso wie die Entwicklung auf fachlicher Ebene, ist auch gute Teamarbeit erlernbar. Als Führungskraft können Sie diese Entwicklung unterstützen, indem Sie auf folgende Feinheiten in der Kommunikation, angelehnt an die Hilfsregeln des TZI, aufmerksam machen:

1. Wer eine Aussage tätigt, sollte dies in seinem Namen tun. „Ich“ sollte in der Aussage vorkommen, nicht „man“.

2. Wenn Fragen gestellt werden – besonders Fragen, die für den Zuhörenden zusammenhanglos erscheinen könnten – wirkt es besser, kurz zu benennen, warum diese Fragen relevant sind.

3. Echt sein und authentisch ist im Kontext Team ein wichtiger Faktor.

4. Die vorschnelle Bewertung anderer Teammitglieder ist tückisch. Sie bringt Unmut und meistens hatte der andere einen guten Grund für sein Handeln. Erst einmal nachfragen schont die Nerven.

5. Wenn das Benehmen eines Teammitgliedes bei einem anderen böse aufstößt, dann ist es in der Gegenreaktion hilfreich, Interpretationen zu vermeiden. Besser ist es, das zu erläutern, was wahrgenommen wurde und wie es angekommen ist.

6. Seitengespräche stören zwar während der Teamsitzungen, enthalten aber meistens wichtige Punkte und können Prozesse fördern. Als Führungskraft lohnt es sich, auf das „Zwischengespräch“ wohlwollend einzugehen, um die Themen für das Team nutzbar zu machen.

7. Einer spricht, die anderen hören zu. So banal diese Regel auch ist, so gerne wird sie missachtet, was in der Folge zu Kommunikationsproblemen führt.

8. Teammitglieder, die ein Auge darauf haben, wie es anderen geht, sind bereichernd.

Castell

Ein Castell ist ein bis zu neunstöckiger „Menschenturm“. Diese Türme werden in Katalonien an Festtagen „errichtet“ – eine Tradition, die Eingang ins Immaterielle Weltkulturerbe gefunden hat. Auf dem Bild links ist nur der obere Teil eines Castells zu sehen, das „Eichhörnchen“, das an der Spitze des Turms mit ausgestrecktem Arm anzeigt, dass das Castell fertig ist, klettert hier gerade rechts nach oben. Beim Aufbau ist jeder gefragt, eine Herausforderung an das gesamte „Team“. Jeder kennt seinen Platz, die stärksten „Casteller“ bilden unten das Fundament, bei sehr ausgeprägten Castells wird der untere Teil – Pinya (Zapfen) genannt – durch zahlreiche Mitwirkende gebildet.

Den Castellers (Turmbauern) wurde in Tarragona ein Denkmal errichtet:

Foto: nito – stock.adobe.com

Der GLOBE

Der GLOBE beschreibt das Umfeld des Teams: Dazu gehört alles, was die Teamarbeit beeinflusst, von der Führungskraft bis zum Equipment. Günstige Strukturen fördern die Teamarbeit und sie sind meistens beeinflussbar. Streng genommen gehören auch natürliche Grenzen zum GLOBE, z. B. dass der Tag 24 Stunden hat. Natürliche Grenzen können nicht beeinflusst werden, nehmen deswegen bei der Betrachtung eher eine untergeordnete Rolle ein.

Je nachdem, wie das Team seine Gestaltungsräume und Einfluss­bereiche nutzt, wird es mehr oder weniger als Team wahrgenommen und beeinflusst damit auch den GLOBE.

Leitfragen bei der Analyse sind:

  • Lassen die Rahmenbedingungen, wie der Raum und die Uhrzeit, eine gute Arbeitsatmosphäre zu?
  • Stehen alle nötigen Ressourcen zur Bearbeitung der Aufgabe zur Verfügung?

Das eigentliche Thema liegt oft dazwischen

Je nachdem, wo Sie als Führungskraft eine Unstimmigkeit vermuten, können Sie nach einer Betrachtung mit dem TZI-Modell gezielt intervenieren. In vielen Fällen lässt sich das Thema jedoch nicht in einem der Faktoren ver­orten, sondern in den Wechsel­wirkungen untereinander. Für das „Dazwischen“ gilt es sensibel zu bleiben. |
 

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, 
Filialleiterin, Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin, www.anjakeck.de

Literaturtipp

Ruth C. Cohn

Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle.

19. Auflage, 2018.

Klett-Cotta

ISBN 978-3-608-95288-9

 

Anja Keck: „Ein mit Warmherzigkeit und fachlicher Kompetenz ­geschriebenes Buch.“
 

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