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Versicherungsschutz beim Impfen

Was Apotheker bei der Teilnahme an Modellprojekten beachten sollten

Anders als in zahlreichen anderen Ländern, ist die deutsche Apothekerschaft bislang nicht mit der Impfung der Bevölkerung betraut. Dies soll sich nun sukzessive ändern. Doch wie steht es hierbei um den Versicherungsschutz? Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie könnte das erhöhte Infektions­risiko problematisch werden.

Mit dem Masernschutzgesetz und dem neuen § 132j SGB V wurde eine gesetzliche Grundlage für regionale Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken geschaffen. Diese Reform wirft auch für den Versicherungsschutz der beteiligten Pharmazeuten neue Fragen auf – Fragen, denen im öffentlichen Diskurs bislang kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In der Leitlinie der Bundesapo­thekerkammer zur Qualitätssicherung bei Durchführung von Grippeschutzimpfungen in öffentlichen Apotheken wird lediglich empfohlen, dem Berufshaftpflichtversicherer die Teilnahme am Modellvorhaben vorab anzuzeigen. Dies ist zwar grundsätzlich sinnvoll und entspricht häufig auch vertraglichen Obliegenheiten, reicht jedoch nicht aus, denn es ist keineswegs gewährleistet, ob der jeweilige Versicherer überhaupt Versicherungsschutz für das Impfen anbietet. Wenn doch Ver­sicherungsschutz besteht, so finden sich oftmals neuralgische Punkte in den Bedingungswerken und gewisse Risiken lassen sich auf dem gegenwärtigen Versicherungsmarkt gar nicht absichern.

Dieser Beitrag beleuchtet typische Versicherungsklauseln, welche maßgeblich dafür sind, ob und in welchem Umfang im Zusammenhang mit Impfungen in der Apo­theke Versicherungsschutz besteht.

Grundsätzlich versicherte Tätigkeiten

Maßgeblich für impfimmanente Risiken – wie etwa ein anaphylaktischer Schock – ist die generelle Betriebshaftpflichtversicherung. Die Pflichtversicherung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) ist hingegen nicht einschlägig, da diese auf das „Inverkehrbringen“ und nicht auf die Behandlung mit Arzneimitteln abstellt.

Foto: RB-Pictures – stock.adobe.com

In manchen Tarifen ist es bereits fraglich, ob das Impfen überhaupt grundsätzlich unter das versicherte Risiko fällt. Explizit wird das Impfen bisher nicht in den Ver­sicherungsscheinen oder den Bedingungswerken erwähnt. Bei einigen Gesellschaften ist es dennoch unproblematisch abgedeckt, weil diese pauschal alle Tätig­keiten als Apotheker absichern. Andere wiederum versichern nur betriebs­typische oder apothekentypische Risiken (was hier bereits disku­tabel wäre und Streitpoten­zial birgt). Manche Gesellschaften de­finieren sogar in abschließender Auflistung, welche Tätigkeiten erfasst sind. Beispielhaft einmal der aktuelle Bedingungstext der Württembergischen:

„Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus

  • fehlerhafter Beratung;
  • der Verwechslung bei der Abgabe von Arzneimitteln und anderen Apothekenwaren;
  • der Abgabe von und der Beratung über Antikonzeptionsmitteln und Schwangerschaftstests;
  • dem Mitwirken in der Arznei­mittelkommission;
  • Tätigkeiten aufgrund eines Krankenhausversorgungsvertrages (z. B. aus Falschlieferung von Arzneimitteln, Prüfungspflichten von Arzneimitteln auf ordnungsgemäße Verwaltung und einwandfreie Beschaffenheit);
  • der Vertretung eines vorübergehend verhinderten Berufskollegen;
  • der Beschäftigung eines vorübergehend bestellten Vertreters (z. B. bei Urlaub, Erkrankung, Wehrdienstübung, Geschäfts­reisen, Teilnahmen an Messen und Kongressen).
  • Nicht versichert ist die persön­liche Haftpflicht des Vertreters.“

(Quelle: Württembergische Versicherung AG, Formular 3058 – Stand 01.06.2019, Ziffer A1-1.2)

Eine Impfung ist in dieser Aufzählung nicht vorgesehen. Impfende Pharmazeuten mit derartigen Bestimmungen in ihren Verträgen sollten unbedingt aktiv auf ihre Versicherung zugehen. Manchmal kann das Impfen noch unter die mitversicherten Nebenrisiken fallen, ansonsten muss eine zusätz­liche Deckung vereinbart werden.

Ausschlüsse und Ent­schädigungsgrenzen

Selbst wenn das Impfen grundsätzlich unter die versicherten Tätigkeiten subsumiert werden kann, so droht Ungemach, wenn diese Tätigkeitserweiterung nicht an den Versicherer gemeldet wird – einige Gesellschaften sehen als Konsequenz für solche Ob­liegenheitsverletzungen nämlich den Wegfall des Versicherungsschutzes vor.

Viel gefährlicher und verbreiteter sind indes die bedingungsgemäßen Leistungsausschlüsse. Zahlreiche Bedingungswerke schließen die Haftung aufgrund einer „Heilbehandlung“ aus. Beispielhaft sei hier der Wortlaut der Concordia angeführt:

„Nicht versichert sind Ansprüche wegen Schäden aus Heilbehand­lungen.“

(Quelle: Concordia Versicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit, Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtver­sicherung für Apotheken – Fassung Oktober 2008, Ziffer 4.18 Nr. 3 lit. c)

Was eine Heilbehandlung ist, kann – wie so vieles in der Juristerei – unterschiedlich bewertet werden. Nach der vorherrschenden Meinung stellt das Impfen keine Heilbehandlung dar, sondern eine Maßnahme der Prophylaxe. Als Heilbehandlung gilt demnach jede Maßnahme zur Heilung oder Linderung eines, wenn auch nur vermeintlich bestehenden, körperlichen Übels. Diese Voraussetzungen erfüllt das vorsorgliche Impfen nicht. Allerdings besteht dennoch durchaus Streitpotenzial, wenn der Versicherer eine abweichende Bewertung vornimmt und im Impfen gleichwohl eine Heilbehandlung sieht. Die HDI Versicherung beispielsweise bezeichnet das Impfen ausdrücklich als Heilbehandlung (so etwa im HDI MedLetter November 2013). Auch hier besteht folglich Klärungsbedarf.

Im Zusammenhang mit der notwendigen Aufbewahrung des Impfstoffs im Medikamentenkühlschrank empfiehlt es sich ebenfalls, auf ausreichenden Versicherungsschutz zu achten. Der unzureichend abgesicherte Medikamentenkühlschrank stellt geradezu einen „Klassiker“ der typischen Schwachstellen bei Apothekenversicherungen dar. Der Inhalt von Medikamentenkühlschränken ist häufig nur gegen den seltenen Ausfall der öffentlichen Stromversorgung versichert – und dann auch nur bis zu einer Höhe von 5000 Euro. Gute Klauseln hingegen bieten durchaus standardmäßig Entschädigungen bis zu 100.000 Euro und decken zusätz­liche Schadensursachen ab. Es sollte darauf geachtet werden, ob „Kühlschränke“ generell oder nur „Medikamentenkühlschränke nach DIN 58345“ versichert sind (und gegen welche Gefahren). Ordnungsgemäßer Betrieb und die vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungen werden gewöhnlich vorausgesetzt.

Übertragung von Krankheiten

Noch immer verstehen wir das Coronavirus SARS-CoV-2 und seine Tücken nur unvollständig und haben die dramatischen Bilder aus Italien oder New York vor Augen. Die deutschen Apotheken haben sich in der ersten Phase im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie in einer Schlüsselrolle bewährt. Ihre Bedeutung dürfte durch das Impfen weiter steigen, wenn damit verhindert werden kann, dass im Herbst eine erneute Corona-Ausbreitung und eine massive Grippewelle aufeinandertreffen und katastrophale Zustände wie in anderen Ländern entstehen. Gleichzeitig nimmt durch die Impftätigkeit auch das Risiko zu, sich selbst und in der Folge andere anzustecken. Das gilt im Übrigen auch, wenn der Apotheker Kunden in der Freiwahl berät und dazu den Platz hinter dem Plexiglas verlässt. Niemand kann diese Gefahr gegenwärtig wirklich einschätzen. Insofern ist es äußerst unbefriedigend, dass die Versicherungsgesellschaften durchgehend die Übertragung von Krankheiten aus dem Versicherungsschutz ausklammern. Denn nach Ziffer 7.18 AHB und Ziffer A1-7.11 BHV („Infektionsklauseln“) sind Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden ausgeschlossen, die aus der Übertragung einer Krankheit des Versicherungsnehmers resultieren. Zwar leisten die Gesellschaften, wenn nur eine sogenannte einfache Fahrlässigkeit vorliegt, tückischerweise sehen die Bedingungswerke hier aber eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Versicherungsnehmers vor. Beispielhaft die AXA:

„Ausgeschlossen sind: Haftpflichtansprüche wegen Per­sonenschäden, die aus der Über­tragung einer Krankheit des Ver­sicherungsnehmers resultieren.

Es besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.“

(Quelle:AXA Konzern AG, AHB [01/08], Ziffer 7.18)

Die Apotheker müssen also gerichtsfest nachweisen, dass sie – im Falle von COVID-19 – beispielsweise vorschriftsgemäß Mundschutz getragen, Hände desinfiziert haben etc. Dieser Gegenbeweis wird in der Praxis schwerlich zu erbringen sein. Stecken sich Patienten während der Impfung an, so wären die Pharmazeuten dann bei eventuellen Schadensersatz­ansprüchen de facto auf sich allein gestellt und würden unbeschränkt persönlich haften! Dies ist umso heikler, da laut der Rechtsprechung teilweise die in der Arzthaftung anerkannte Umkehr der Beweislast wegen grober Fehler auch für die Haftung des Apothekers bei (vermeintlichen) Beratungsfehlern gelten soll (so OLG Köln [5. Zivil­senat], Teilurteil vom 07.08.2013 - 5 U 92/12). Wenn diese strengen arzttypischen Haftungsregeln aus § 630h Abs. 5 BGB bereits bei klassischer Apothekentätigkeit wie der Beratung angewendet werden sollen, so müsste dies erst recht der Fall sein bei einer Erweiterung auf eine klassisch ärztliche Tätigkeit wie das Impfen, welches eine medizinische Maßnahme im Sinne von § 630d BGB darstellt. Die Apotheker sind demnach also nicht nur gegenüber der Versicherungsgesellschaft im Rahmen der Deckungsanfrage beweispflichtig, sondern auch im eigentlichen Schadensersatzprozess gegenüber dem Geschädigten – eine prozessual äußerst nachteilige Situation. Mit einer sorgfältigen Dokumentation und Beweissicherung lassen sich die Risiken reduzieren – ausschließen jedoch nicht.

Die schwierige Abgrenzung von versicherter einfacher Fahrlässigkeit und unversicherter grober Fahrlässigkeit birgt im Schadenfall zudem Streitpotenzial mit dem Versicherer.

In diesem Zusammenhang sollte auch auf die „Repräsentantenklausel“ in den Versicherungs­bedingungen geachtet werden. Vielen Apothekeninhabern wird gemäß ihren Bedingungswerken das Verhalten und die Kenntnis der „Repräsentanten“ zugerechnet – und dadurch auch deren grobe Fahrlässigkeit. Teilweise werden alle pharmazeutischen Fachkräfte als „Repräsentanten“ definiert. Um diese weite Haftung für das Verhalten der (impfenden approbierten) Mitarbeiter zu vermeiden, sollten Tarife gewählt werden, die nur den Apothekeninhaber selbst als „Repräsentant“ definieren.

Policen prüfen und ggf. nachverhandeln

Die am Pilotprojekt beteiligten Pharmazeuten sollten dringend ihre Policen überprüfen lassen und gegebenenfalls mit den Gesellschaften nachverhandeln oder sich um neuen bzw. ergänzenden Versicherungsschutz bemühen, welcher die Impftätigkeit so weit wie möglich absichert.

Auch wenn dann impfimmanente Risiken abgesichert sind, muss sich die Apothekerschaft darüber hinaus bewusst machen, dass das Haftungsrisiko bei der Übertragung von Krankheiten nach den am Markt vorhandenen Bedingungswerken gegenwärtig nicht zufriedenstellend versicherbar ist und weitestgehend selbst getragen werden muss. Dabei ist zu befürchten, dass die strengen Grundsätze des Arzthaftungsrechts mit der Umkehr der Beweislast Anwendung finden. Ob die Apotheker dieses durch die COVID-19-Pandemie greifbar gewordene Risiko wirklich tragen wollen, muss dann jeder für sich selbst entscheiden.

Diese Situation ist unbefriedigend und eine Korrektur erforderlich. Es wäre wünschenswert, wenn die Apotheker in dieser Frage nicht ­allein gelassen würden – gerade angesichts der gesamtgesellschaftlichen aktuellen Bedeutung einer Erhöhung der Impfquoten.

Ein signifikanter Fortschritt könnte erreicht werden, falls die Versicherungsgesellschaften mindestens ihre Bestimmungen hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit zugunsten der Apothekerschaft modifizieren würden. Aus eigenem Antrieb werden die Versicherer dies jedoch nicht tun. Eine andere Möglichkeit wäre ein einzurichtender Haftungsfonds, welcher die nicht versicherten Schäden trägt. Solch ein Fonds wurde vor einigen Jahren bereits im Zusammenhang mit den Versicherungsproblemen in der Geburtshilfe diskutiert. In den Niederlanden gibt es einen derartigen steuerfinanzierten Fonds für Folgeschäden bei der Geburt – die Bundesregierung hat dies hingegen bislang stets strikt abgelehnt.

Vielleicht hilft die Motivation, die Folgen von COVID-19 abzumildern, neue Wege zu finden oder bislang ausgeschlossene Ansätze neu zu bewerten. Es bedarf eines breiten Diskurses. |

Jascha Arif, Rechtsanwalt, und Steffen Benecke, Versicherungsmakler, Hamburg

Zum Thema Versicherung erschien 2017 eine kleine Serie der beiden Autoren:

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