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- DAZ 12/2020
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Arzneimittel und Therapie
Einen halben Ton tiefer
Carbamazepin kann Hörvermögen beeinträchtigen
Im „Arzneitelegramm“ erschien im Januar 2020 eine Meldung, dass Hörstörungen als Nebenwirkungen einer Carbamazepin-Therapie bislang eventuell deutlich unterschätzt wurden. Grund dafür ist, dass vermutlich nur Patienten mit absolutem Gehör – der Fähigkeit, einen Ton ohne Referenzklang exakt zu erkennen – oder mit musikalisch gut geschultem Ohr die Nebenwirkung erkennen können. Einem Bericht zufolge hörte beispielsweise ein 22-jähriger Musiker mit absolutem Gehör unter der Einnahme von Carbamazepin alle Töne einen Halbton tiefer. Nach einer elfjährigen Therapie führte das Absetzen des Arzneimittels rasch zu einer Normalisierung des Hörvermögens.
In der Literatur finden sich außerdem mindestens 29 weitere Berichte über den Zusammenhang von veränderter Tonwahrnehmung und der Einnahme von Carbamazepin. Bei den Patienten in den Berichten handelte es sich zu einem Großteil um Mädchen oder Frauen zwischen vier und 17 Jahren. Alle Betroffenen hatten entweder ein absolutes Gehör oder mindestens eine musikalische Ausbildung. Sie klagten vorwiegend über eine Senkung der Tonhöhe, meist um einen halben Ton, wie im Falle des 22-jährigen Musikers. Die Nebenwirkung tritt schon früh, innerhalb der ersten beiden Wochen nach Beginn der Therapie auf. Die Carbamazepin-Spiegel liegen dabei interessanterweise meist im therapeutischen Bereich. Die Hörstörung kann sich zwar auch spontan wieder zurückbilden, in den meisten Fällen muss die Carbamazepin-Dosis jedoch reduziert oder das Arzneimittel ganz abgesetzt werden. Weitere Berichte über Tonwahrnehmungsstörungen finden sich auch zu den Antiepileptika Oxcarbazepin, Levetiracetam und Lacosamid. Für diese Arzneistoffe liegt jedoch jeweils nur ein Bericht vor. Bei zwei der Patienten trat die Nebenwirkung zuvor auch unter Carbamazepin auf. Welcher Mechanismus der veränderten Tonwahrnehmung zugrunde liegt, ist unklar. Ein Einfluss auf Trommelfell und Hörorgan sowie Carbamazepin-bedingte Veränderungen der Hirnfunktionen werden diskutiert. Da vorwiegend Patienten japanischer Abstammung betroffen waren, kommt auch eine genetische Prädisposition infrage. |
Literatur
NN. Nebenwirkungen. „Falsche Töne“ unter Carbamazepin. Arzneitelegramm 2020;1:7-8
Fachinformation Tegretal® 200 mg. Stand März 2018
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