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Pandemie Spezial

Kampf der Zahlen

Wem darf man in der Corona-Krise glauben, und was kann man daraus ableiten?

Weshalb können Wissenschaftler der Johns Hopkins Universität, USA, immer aktuellere Corona-Fallzahlen für Deutschland vorweisen als das Robert Koch-Institut (RKI), und wie steht es um die Validität dieser Daten? Um diese Zusammenhänge zu verstehen, ist der im Infektionsschutzgesetz verankerte Ablauf der Meldekette von großer Bedeutung. Doch welcher Nutzen steckt angesichts der erschöpften Testkapazitäten und der in der Folge hohen Dunkelziffer hinter den allseits verfügbaren Zahlen zum nicht mehr valide abgebildeten COVID-19-Infektionsgeschehen? | Von Verena Stahl 

Nach wie vor lassen sich wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse aus den offiziellen Infektions- und Todesstatistiken einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung ableiten. Die Entwicklung der bestätigten Fälle und Todesfälle war und ist ein Gradmesser für wegweisende und einschneidende politische Entscheidungen. Je stärker jedoch die Diagnostik hinter dem eigentlichen Infektionsgeschehen herhinkt und insbesondere asymptomatische Verläufe nur unzureichend erfasst werden, umso weniger brauchbar erscheinen diese Veröffentlichungen zur Ableitung von Konsequenzen, umso wertvoller werden mathematische Modellierungen, wie die jüngst veröffentlichte Modellierung von Beispielszenarien des Robert Koch-Instituts [1].

Vergleiche führen in die Irre

Man sollte bedenken, dass scheinbar geordnete und wissenschaftlich „hübsch“ aufbereitete Zahlen und internationale Vergleiche zu Fehleinschätzungen beitragen können. Die Bandbreite reicht je nach individuellem Interpretationsvermögen von Sorglosigkeit bis hin zu großer Verunsicherung. Schielte man Anfang März noch mit großer Besorgtheit auf den Fall-Verstorbenen-Anteil von Corona-Infektionen in Italien, ist nunmehr deutlich, dass ein Vergleich nicht statthaft ist. Die Testkapazitäten, pflegerischen und intensivmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten sind in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt größer als in anderen Ländern. Hierzulande war es lange Zeit möglich, auch weniger schwere Verläufe zu testen, wodurch sich der Anteil der Verstorbenen im Vergleich zu Italien realistischer darstellt. Die Möglichkeiten der breiten Testung scheinen aber zunehmend ausgereizt zu sein. Intensivpflichtige Personen haben zudem in Ländern mit suboptimaler Intensivbetreuung, nicht zuletzt aufgrund von Überlastungssituationen, ein höheres Sterberisiko. Auch scheint der höhere Altersdurchschnitt der italienischen Bevölkerung nachteilig zu sein. Töricht wäre, wenn sich deutsche Bürger aufgrund der geringeren Todesrate in Sicherheit wiegen würden und auf den potenziell besseren Versorgungsstrukturen „ausruhen“, sodass angeordnete Maßnahmen auf individueller Ebene nicht stringent umgesetzt werden. Der berühmte „Äpfel-Birnen-Vergleich“ zu Infektionszahlen anderer Länder hinkt nicht nur wegen der Verfügbarkeit diagnostischer und intensivmedizinischer Möglichkeiten, sondern auch, wenn von vornherein abweichende Einschlusskriterien der zu testenden Personen vorlagen.

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Die Johns Hopkins Universität (JHU) in Baltimore (Maryland, USA).

Gesetzliche Regelungen in Deutschland

Auf welcher Basis beruhen die vom Robert Koch-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde veröffentlichten Infektionszahlen in Deutschland? Die Vorgaben, welche in Bezug auf die Vorbeugung, frühzeitige Erkennung und Weiterverbreitung von übertragbaren Krankheiten einzuhalten sind, regelt in Deutschland das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, kurz Infektionsschutzgesetz (IfSG) [2]. Dieses wurde um die Coronavirus-Meldepflichtverordnung (CoronaVMeldeV) erweitert, welche am 1. Februar 2020 für zunächst ein Jahr in Kraft getreten ist [3]. Die Pflicht zur namentlichen Meldung durch den behandelnden Arzt ist hiernach gemäß § 6 IfSG der meldepflichtigen Krankheiten („Arztmeldepflicht“)

  • der Verdacht einer Erkrankung (spezifisches oder unspezifisches klinisches Bild von COVID-19 und Kontakt mit einem bestätigten Fall oder Aufenthalt in einem Risiko­gebiet, aber ohne labordiagnostischen Nachweis),
  • die Erkrankung sowie
  • der Tod in Bezug auf eine Infektion, die durch SARS-CoV-2 hervorgerufen wird.
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Das Robert Koch-Institut in Berlin.

Hinzu kommt gemäß § 7 IfSG der meldepflichtige Nachweis von Krankheitserregern („Labormeldepflicht“), also der direkte oder indirekte Nachweis von SARS-CoV-2, soweit dies auf eine akute Infektion hinweist. Aus der Arzt- und Labormeldepflicht folgt, dass sowohl Ärzte also auch Leiter der Labore unabhängig voneinander melden müssen. Im IfSG ist ebenfalls geregelt, dass auch Apotheker als Angehörige der Heilberufe zur Meldung verpflichtet sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 IfSG). Die Meldepflicht besteht für Apotheker aber nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde (§ 8 Abs. 2 Satz 2 IfSG).

Umgang mit Verdachtsfällen

Bestätigt sich bei bereits gemeldeten Verdachtsfällen eine Infektion mit SARS-CoV-2, so ist diese ebenfalls zu melden [3]. Umgekehrt muss aber auch gemeldet werden, wenn sich der Verdacht einer Infektion labordiagnostisch nicht bestätigt hat (im Sinne einer „Entwarnung“) [3]. Somit soll für die Nachverfolgung sichergestellt werden, ob sich Verdachtsfälle erhärtet oder nicht bestätigt haben, sodass diese eindeutig in die Erkrankungs- (und gegebenenfalls Todes-)Statistik einfließen können. Verdachtsfälle einer COVID-19-Erkrankung ohne wahrscheinlichen epidemiologischen Zusammenhang sind nicht zu melden [3]. Hierdurch soll vermieden werden, dass es zu einer „Verwässerung“ der Statistik kommt. Es besteht in diesem Fall auch keine Veranlassung zur Testung, um wertvolle Testkapazitäten nicht zu binden. Kritisch anzumerken ist, bei allem Verständnis für diese Vorgabe, dass sich die Dunkelziffer in deutlichem Ausmaß erhöht, wenn symptomatische Patienten, die keinen konkreten Kontakt benennen können, in den meisten Fällen nicht getestet werden. Bei zunehmender Verbreitung der Erkrankung (Durchseuchung), asymptomatischen Verläufen (welche ohne Vorhandensein eines epidemiologischen Zusammenhangs ebenfalls nicht getestet werden) und immer komplexer werdenden Kontaktmöglichkeiten steigt die Wahrscheinlichkeit, sich auf nicht nachvollziehbarem Wege infiziert zu haben. Erwähnenswert ist, dass eine Verpflichtung zur Erfassung genesener Fälle nicht besteht. Es wäre jedoch wünschenswert, diese aus den kumulativen Fallzahlen abzüglich der registrierten Todesfälle herauszurechnen, um nur aktive Fälle zu betrachten. Angaben zu genesenen Patienten finden sich in vereinzelten Quellen, spiegeln aber nicht die Realität wider.

Konkreter Ablauf der Meldekette

1. Meldung von Arzt, Labor oder anderen Heilberufen an das Gesundheitsamt
Begründete Verdachtsfälle, labordiagnostisch bestätigte COVID-19-Fälle und tödlich verlaufene Fälle werden von der meldenden Person (Ärztin/Arzt aus einer Praxis oder einem Krankenhaus und dem Labor oder der Untersuchungsstelle) an das für den Patienten zuständige örtliche Gesundheitsamt gemeldet. Hierfür stellt das RKI eine Gesundheitsämter-Suchfunktion via Postleitzahl zur Verfügung (https://tools.rki.de/PLZTool). Die Daten werden auch an das Gesundheitsamt übermittelt, in dessen Bezirk sich die betroffene Person aufhält, falls sie sich nicht gewöhnlich an ihrem Hauptwohnsitz aufhält (Beispiel: Studenten, die nicht am Studienort mit Hauptwohnsitz gemeldet sind). Die Meldung soll unverzüglich telefonisch erfolgen, im Anschluss ist ein Meldebogen für meldepflichtige Erkrankungen auszufüllen und innerhalb von spätestens 24 Stunden, nachdem der Meldende Kenntnis erlangt hat, dem Gesundheitsamt zu übermitteln. Der Meldebogen kann auf der Homepage des zuständigen Gesundheitsamtes heruntergeladen werden. Die übermittelten personenbezogenen Angaben beinhalten Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und, falls abweichend, Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes der betroffenen Person sowie, soweit vorliegend, Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Des Weiteren sind Angaben zur Infektion zu machen.

Abb. 1: Meldekette bei meldepflichtigen Erkrankungen und meldepflichtigen Nachweisen von Krankheitserregern, welche in den Paragraphen 6, 7, 8, 11 und 12 des Infektionsschutzgesetzes (lfSG) geregelt ist. Über die Kommunale- und Landesebene wird die Bundesoberbehörde, das Robert Koch-Institut, informiert, welches die Bevölkerung aufklärt. Nicht abgebildet ist die erst ganz am Schluss befindliche Informationsweitergabe an weitere Institutionen und Behörden, unter anderem das Bundesgesundheitsministerium und die Europäische Union, sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO).


2. Verifizierung der Daten und Einleitung von Maßnahmen
Eingegangene Meldungen werden bei den rund 400 Gesundheitsämtern auf kommunaler Ebene laufend überprüft und alle relevanten Daten in einer Software erfasst. Es werden weitere Untersuchungen und Infektionsschutzmaßnahmen – auch in den Betrieben, Schulen, Kindertagesstätten, Pflegeheimen et cetera der Infizierten – eingeleitet, um Vorkehrungen gegen weitere Ansteckungen von Kontaktpersonen zu ergreifen und insbesondere eine rasche Ausbreitung einzudämmen.

3. Übermittlung an die Landesbehörde
Das zuständige Gesundheitsamt bewertet und verarbeitetet die Daten und übermittelt sie spätestens am folgenden Arbeitstag elektronisch an die zuständige Landesbehörde (§ 11 Abs. 1 IfSG). Häufig erfolgt die Meldung mehrmals täglich gebündelt. Hierbei werden entsprechend der Falldefinition des RKI (siehe Kasten) labordiagnostisch bestätigte Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise übermittelt sowie wahrscheinliche und noch ungeklärte Verdachtsfälle.

Bei den personenbezogenen Daten erfolgt keine Namensweitergabe an die Landesbehörde, sondern nur Angaben zum Geschlecht, sowie Monat und Jahr der Geburt. Zudem werden alle relevanten Informationen zum Tag der Erkrankung, Tag der Diagnose, gegebenenfalls Tag des Todes und wahrscheinlicher Zeitpunkt oder Zeitraum der Infektion, der Untersuchungsbefund und der wahrscheinliche Infektionsweg und weitere Details übermittelt.

Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts

zur Übermittlung von Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern, die über die zuständige Landesbehörde an das RKI übermittelt werden (Stand vom 13.02.2020, kann den aktuellen Entwicklungen angepasst werden).

A. Klinisch diagnostizierte Erkrankung

  • entfällt

B. Klinisch-epidemiologisch bestätigte Erkrankung

  • spezifisches klinisches Bild von COVID-19, ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung (Kontakt zu einem bestätigten Fall) (wahrschein­licher Fall)
  • unspezifisches klinisches Bild von COVID-19, ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung (Kontakt zu einem bestätigten Fall) (ungeklärter Fall)
  • spezifisches oder unspezifisches klinisches Bild von COVID-19, ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung (Aufenthalt in einem Risikogebiet) (ungeklärter Fall)

C. Klinisch-labordiagnostisch bestätigte Erkrankung

  • klinisches Bild von COVID-19 und labordiagnostischer Nachweis (bestätigter Fall)

D. Labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei nicht erfülltem klinischen Bild

  • labordiagnostischer Nachweis bei bekanntem klinischen Bild, das weder die Kriterien für das spezifische noch für das unspezifische klinische Bild von COVID-19 erfüllt; hierunter fallen auch asymptomatische Infektionen (bestätigter Fall)

E. Labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei unbekanntem klinischen Bild

  • labordiagnostischer Nachweis bei fehlenden Angaben zum klinischen Bild (nicht ermittelbar oder nicht erhoben) (bestätigter Fall)

4. Übermittlung an das RKI
Über ein elektronisches Meldesystem meldet die zuständige Landesbehörde die vorliegenden Daten unverzüglich an das Robert Koch-Institut, spätestens am Arbeitstag, der dem eigenen Dateneingang folgt (§ 11 Abs. 1 IfSG). Die Daten eines Tages werden meist gebündelt übermittelt.

5. Veröffentlichung der Daten
Das RKI validiert die ihm bis Mitternacht gemeldeten Daten mittels weitgehend automatisierter Algorithmen und veröffentlicht diese einmal täglich am Vormittag des Folgetags (meist um 10.00 Uhr) auf seiner Webseite. Die elektronisch übermittelten Fälle und Todesfälle werden aufgeteilt nach Bundesland angegeben, Verdachtsfälle werden nicht veröffentlicht. Ersichtlich ist die Differenz zum Vortag, die Zahl der Fälle pro 100.000 Einwohner und die Todesfälle.

Die dem RKI vorliegenden Informationen zu Infektions- und Todesfällen werden seit dem 20. März 2020 zusätzlich auf digitalen Karten visualisiert (COVID-19-Dashboard www.corona.rki.de). Hier werden die offiziellen Informationen nach Bundesland geordnet grafisch und statistisch dargestellt und bis auf die Landkreisebene heruntergebrochen. Einzusehen sind in absoluten Zahlen die Fälle, Todesfälle, Fälle nach Altersgruppe und Geschlecht und neue Fälle pro Tag. Zusätzlich wird die aussagekräftige Inzidenz (Fälle pro 100.000 Einwohner) angezeigt; auch die am stärksten betroffenen Landkreise, gemessen an der Inzidenz, lassen sich darstellen. Es besteht die Möglichkeit, das Dashboard den eigenen Fragestellungen anzupassen und mit weiteren kartografischen Informationen zu kombinieren.

Zudem veröffentlicht das RKI einen täglichen Lagebericht, der lesenswerte Zusatzinformationen zum zeitlichen Verlauf, zur demografischen Verteilung und zu klinischen Aspekten (Symptomen) enthält.

Zu guter Letzt gibt das RKI die Informationen an weitere Behörden und Institutionen, wie das Bundesgesundheitsministerium, die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation WHO weiter. Offizielle Zahlen und weitere Informationen zu COVID-19-Fällen auf dem europäischen Kontinent finden sich auf den Internetseiten des European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC.

Verzögerungen in der Meldekette

Die offizielle Meldekette hat wie beschrieben einen langen Weg zu überbrücken. Am Anfang steht nach Bekanntwerden des Falls und Meldung an das Gesundheitsamt die dortige Datenprüfung und elektronische Eingabe. An beiden Stellen sind bereits Verzögerungen in der Meldekette möglich. Arztpraxen sind spürbar überlastet und Gesundheitsämter müssen zunächst Ermittlungen zu den einzelnen Fällen und deren Kontaktpersonen durchführen und prioritär Infektionsschutzmaßnahmen ergreifen, bevor sie die Meldung weitergeben. Die anschließenden Übermittlungswege erstrecken sich von Kommunaler-, zu Landes-, bis zur Bundesebene mit jeweiliger Prüfung. Die Zeitspanne für dieses Prozedere kann gemäß den Vorgaben im Infektionsschutzgesetz zwei bis drei Arbeitstage in Anspruch nehmen (Datenweitergabe spätestens am nächsten Arbeitstag bei jedem Schritt gefordert). Das Robert Koch-Institut gibt an, dass die Übermittlung in der aktuellen Lage deutlich schneller erfolgt als im Routinebetrieb.

Unterschiedliche Zahlen

Viele Bundesbürger sind aber irritiert, wenn in den Medien zu einem Stichtag je nach Quelle verschiedene Infektionszahlen für ein Bundesland oder für Deutschland genannt werden. Es kommt regelmäßig vor, dass die ebenfalls informierten Gesundheitsministerien der Länder eher als das RKI die für ihr Bundesland vorliegenden Fallzahlen veröffentlichen. Dies ist darin begründet, dass das RKI die eingehenden Daten aller Landesämter bis Mitternacht sammelt, validiert und mit Zeitverzug am nächsten Vormittag veröffentlicht. Anhand der Angaben zum Stand der Information kann eingesehen werden, auf welchen Datenbestand sich diese bezieht. Während ein Landkreis oder ein Gesundheitsministerium eines Landes zu einer bestimmten Uhrzeit des Tages oder mehrmals täglich seine Zahlen publizieren kann, sind in den Veröffentlichungen des RKI die Daten vom Vortag zu finden. Aufgrund des exponenziellen Verlaufs des Infektionsgeschehens ergeben sich daher teilweise erheb­liche Unterschiede.

Warum ist Johns Hopkins schneller?

Eine andere Quelle, die medial sehr präsente Johns Hopkins Universität (JHU) in Baltimore (Maryland, USA), greift durch komplexe Algorithmen diverse öffentlich gemachte Informationen ab (https://coronavirus.jhu.edu/map.html). Von den Wissenschaftlern des Center for Systems Science and Engineering (CSSE) unter der Federführung von Professorin Lauren Gardner wird seit dem 22. Januar 2020 ein interaktives Dashboard zum COVID-19-Geschehen zur Verfügung gestellt. Es erfreut sich immenser Beliebtheit, wie tägliche Zugriffszahlen von 1,2 Milliarden pro Tag zeigen (Aussage zu Anfragen Anfang März). Den Wissenschaftlern gelingt es beispielsweise, durch automatisierte Recherche in den Internet-Veröffentlichungen verantwortlicher Stellen und anderer Quellen/Medien, die verfügbaren Daten zusammenzufügen und daraus ein sich ständig aktualisierendes Bild zu formen. Als Quellen dienen unter anderem die WHO, die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC, Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention), das bei der EU angesiedelte European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC, Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten), eine große Online-Ärzte-Community in China (DXY) und Meldungen der nationalen Behörden (für Deutschland: Robert Koch-Institut sowie Kreis- und Landesgesundheitsämter). Das Zusammentragen der Informationen erfolgt für derzeit 167 Länder der Welt und ist daher weltweit für Forscher, Gesundheitsbehörden und die allgemeine Öffentlichkeit sehr attraktiv. Da im Falle von Deutschland öffentlich gemachte Informationen der Medien, Landkreise und Bundesländer miteinbezogen werden, erklärt sich, weshalb die von der JHU veröffentlichten Daten zu einem konkreten Zeitpunkt höher als die des RKI sind, welches einmal täglich die verifizierten und ihm vorliegenden Daten abbildet.

Detailtiefe versus Aktualität

Will man sich jedoch – mit leichten Abstrichen in der Aktualität – auf die offiziellen Zahlen für Deutschland mit unter anderem detaillierten Angaben zu den einzelnen Bundesländern, Landkreisen, der wertvollen Inzidenz (Fälle pro 100.000 Einwohner) zusätzlich zu absoluten Zahlen und verifizierten demografischen Angaben für Deutschland verlassen, sei jedem das Dashboard des RKI empfohlen, welches seit dem 20. März 2020 öffentlich verfügbar ist! Es bietet bei reiner Betrachtung der deutschen Zahlen detailliertere und offiziell verifizierte Daten und Statistiken an. Die absoluten Zahlen der Johns Hopkins Universität gehen für Deutschland nicht in die Tiefe, punkten aber bezüglich der Aktualität. Gewisse Einschränkungen gelten bei der JHU in Bezug auf die Genauigkeit, da die von den Medien, Landkreisen oder Bundesländern veröffentlichten Daten eventuell eine leichte Unschärfe enthalten können, wenn zum Beispiel bei der nachgelagerten Prüfung durch die jeweils übergeordnete Stelle Differenzen (zum Beispiel Doppelzählungen) auftauchen sollten und bereinigt werden.

Darstellung negativ Getesteter

Eine Übersicht zu negativ getesteten Personen bietet das RKI leider nicht an. Diese Daten sind theoretisch verfügbar, denn bei Entwarnung von Verdachtsfällen muss eine Meldung an das örtliche Gesundheitsamt erfolgen. Es wäre jedoch ein guter Gradmesser, um den Anteil positiv zu negativ getesteter Personen eines Tages zu berechnen sowie kumulativ zu betrachten. Meldungen, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen sinken (oder steigen), können nämlich nur in Anbetracht der Gesamtzahl der an diesem Tag getesteten Personen und dem Anteil positiv zu negativ getesteter Personen sinnvoll bewertet werden. |
 

Literatur

[1] an der Heiden M, Buchholz U: Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland. DOI 10.25646/6571.2

[2] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG). http://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/

[3] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Coronavirus-Meldepflichtverordnung. CoronaVMeldeV. https://www.gesetze-im-internet.de/coronavmeldev/ (Zugriff am 20.03.2020)
 

Autorin

Dr. Verena Stahl ist Apothekerin und wurde an der University of Florida als Semi-Resident im landesweiten Drug Information and Pharmacy Resource Center ausgebildet. Ihre berufsbegleitende Dissertation fertigte sie zu einem Thema der Arzneimitteltherapiesicherheit an.

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