Pandemie Spezial

Blutgruppe A als Corona-Gefahr?

COVID-19-Empfänglichkeit scheint mit der Blutgruppe assoziiert zu sein

Die Hypothese hinter dem möglichen Zusammenhang dieser retrospektiven Untersuchung mutet abenteuerlich an: Chinesische Wissenschaftler werteten bei COVID-19-Patienten aus den Krisenregionen Wuhan und Shenzhen die AB0-Blutgruppenzugehörigkeit im Vergleich zu einer Kontrollgruppe aus. Sie fanden interessante Assoziationen bei den Blutgruppen A und 0.
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So wie fast jede online zugänglich gemachte Untersuchung, die mögliche Zusammenhänge rund um COVID-19 ans Tageslicht bringt, erregte auch diese noch nicht veröffentlichte Studie bereits großes Aufsehen in den internationalen Medien. Chinesische Wissenschaftler versuchten zu ergründen, ob das AB0-Blutgruppensystem einen biologischen Marker darstellt, der einen Vorhersagewert hinsichtlich der Empfänglichkeit für SARS-CoV-2-Infektionen hat. Dazu untersuchten sie retrospektiv die Blutgruppenzugehörigkeit von 2173 bestätigten COVID-19-Patienten, darunter 206 Personen, die an der Erkrankung verstorben waren [1]. Die Patienten waren in drei verschiedenen Krankenhäusern in Wuhan und Shenzhen behandelt worden. Zur Kontrolle dienten Daten, die annähernd zehn Jahre vor dem Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie in den beiden Städten erhoben wurden.

Bei alleiniger Betrachtung von 1775 Patienten der Kohorte, die in einem Wuhaner Krankenhaus behandelt wurden, betrug die Verteilung der Blutgruppenzugehörigkeit: A: 37,75%, B: 26,42%, AB: 10,03% und 0: 25,80%. Nach Angaben der Autoren war die Blutgruppenverteilung der verbleibenden 398 Patienten der beiden anderen Krankenhäuser in Wuhan und Shen­zhen ähnlich (Daten nicht veröffentlicht). Im Vergleich dazu ergab die Blutgruppenzugehörigkeit von 3694 Kontroll­personen aus Wuhan eine etwas andere Verteilung: A: 32,16%, B: 24,90%, AB: 9,10% und 0: 33,84%.

Somit waren unter den 1775 COVID-19-Patienten mehr Personen mit der Blutgruppe A und weniger mit der Blutgruppe 0 als in der Normalbevölkerung dieser Region vertreten (beides p < 0,001). Bei den 206 verstorbenen Patienten war die Blut­gruppe A noch stärker repräsentiert (41,26%), B (24,27%) und AB (9,22%) entsprachen der Verteilung in der Kontrollgruppe und Personen mit der Blutgruppe 0 (25,24%) waren unter­repräsentiert.

Über die gesamten Daten gemittelt errechneten die Wissenschaftler, dass Personen der Blutgruppe A ein signifikant leicht erhöhtes Risiko für COVID-19 (Odds ratio (OR) 1,21; 95% Konfidenzintervall (KI) 1,02 bis 1,43, p = 0,02) verglichen mit Personen, die nicht dieser Blutgruppe angehörten, aufwiesen. Das COVID-19-Risiko von Personen der Blutgruppe 0 war signifikant niedriger im Vergleich zu Personen, die den Blutgruppen A, B oder AB angehörten (OR 0,67; 95% KI 0,60 bis 0,75, p < 0,001).

Ergebnisse noch nicht überprüft

Methodisch weist die relativ kleine Untersuchung einige Ungereimtheiten auf und lässt an Transparenz zu Wünschen übrig, sodass Verzerrungen der Ergebnisse leicht möglich sind. Es lohnt aber vielleicht, die aufgestellte Hypothese in größeren und qualitativ hochwertigeren Studien näher unter die Lupe zu nehmen. So trat bereits bei anderen Infektionskrankheiten der Verdacht auf, dass die Blutgruppen­zugehörigkeit die angeborene Immunantwort auf eine Infektion modifizieren kann (Malaria, Norwalk Virus, Hepatitis B). Auch bei der früheren SARS-Infektionswelle wurde berichtet, dass Individuen mit der Blut­gruppe 0 mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit erkrankten.

Die theoretischen Hintergründe sind vage. Man geht bei einer Überlegung davon aus, dass Viren ähnlich glykosylierte Oberflächenstrukturen wie die Antigene, welche unsere Blut­gruppe bestimmen, besitzen. Ähneln die Oberflächenbestandteile der Viren körpereigenen Strukturen, werden sie vom betroffenen Immunsystem nicht oder nur schwach adressiert. Bestünde bei SARS-CoV-2 also eine Ähnlichkeit zu Oberflächenstrukturen der Blutgruppe A, könnte die Immunabwehr der Personen dieser Blutgruppe weniger gut reagieren, wohingegen die Abwehrmechanismen von Personen der Blutgruppe 0 die Epitope als fremd erkennen und besser bekämpfen könnten. |

Literatur

Zhao J et al. Relationship between the ABO Blood Group and the COVID-19 Susceptibility. nicht publiziert, https://doi.org/10.1101/2020.03.11.20031096

Apothekerin Dr. Verena Stahl

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