Pandemie Spezial

Das Revival der Serumtherapie

Antikörper von Rekonvaleszenten sollen schwer COVID-19-Erkrankten helfen

du/mb | Im Kampf gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 rückt ein altes Verfahren zur Seuchenbekämpfung wieder in den Fokus: Die Therapie mit dem Serum schon genesener ­Patienten, also eine Behandlung mit den darin enthaltenen neutralisierenden Antikörpern. Dass eine solche Behandlung erfolgversprechend sein kann, zeigten unter anderem Beobachtungsstudien aus China. In den USA ist das Verfahren schon zugelassen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat inzwischen die Genehmigung für eine rando­misierte Multicenterstudie mit COVID-19-Rekonvaleszenten-Plasma in Deutschland erteilt.

Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich seit seinem Ausbruch in Wuhan, China, rasend schnell verbreitet. Nach wie vor stehen keine spezifischen Therapeutika oder Impfstoffe gegen die durch dieses Virus verursachte schwere Lungenerkrankung COVID-19 zur Verfügung. Daher wird fieberhaft an möglichen Therapieoptionen geforscht. So wird versucht, besonders schwer erkrankte Patienten mit Plasma von bereits geheilten Patienten zu behandeln, welches neutralisierende Antikörper enthält.

Foto: FAU/Georg Pöhlein

Prof. Dr. Holger Hackstein, Leiter der Transfusionsmedizin des Universitäts­klinikums Erlangen, konnte dank eines erfolgreichen Spendenaufrufs schon mit der Apherese-Plasmaproduktion aus Blut genesener COVID-19-Patienten beginnen.

Emil von Behring sei Dank

Bereits in der Vergangenheit wurde ­Rekonvaleszenten-Plasma erfolgreich u. a. bei Ebola- und anderen Virusinfektionen wie SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) , MERS (Middle East Respiratory Syndrome) und der durch Influenzaviren H1N1 ausgelösten „Schweinegrippe“ eingesetzt. Es handelt sich bei diesem Therapieverfahren letztlich um eine Form der Serumtherapie, wie sie vor 125 Jahren von Emil von Behring im Kampf gegen Diphtherie und Tetanus entwickelt worden ist. Die Hoffnung ist groß, dass auch schwer an COVID-19 erkrankte Patienten von einer solchen passiven Immunisierung profitieren können.

Positive Signale aus China

Auch am Shenzhen Third Peopleʼs Hospital in Shenzhen, China, wurde dieser Frage nachgegangen. Vor Kurzem wurde das Ergebnis einer Beobachtungsstudie von fünf mit Rekonvaleszenten-Plasma behandelten Patienten veröffentlicht [1].

Alle fünf Patienten im Alter von 36 bis 65 Jahren waren schwer an COVID-19 erkrankt und wiesen gleichzeitig ein akutes Atemnotsyndrom auf. Keiner der Patienten war Raucher, vier von fünf hatten keine Vorerkrankungen. Weitere Einschlusskriterien waren eine schnell fortschreitende schwere Lungenentzündung sowie eine kontinuierlich hohe Viruslast trotz Behandlung mit Interferon alpha-1b, Virustatika wie Lopinavir/Ritonavir und/oder Favipiravir sowie Methylprednisolon. Alle Patienten wiesen einen Oxygenierungsindex PaO2/FiO2 (arterieller Sauerstoffpartialdruck/inspiratorische Sauerstoffkonzentration) von unter 300 auf und wurden künstlich beatmet. Das Plasma stammte von fünf Spendern, die sich von einer SARS-CoV-2-Infektion erholt hatten und seit mindestens zehn Tagen asymptomatisch waren. Es wurde den Erkrankten zehn bis 22 Tage nach Krankenhausaufnahme infundiert.

Nach der Infusion normalisierte sich die Körpertemperatur bei vier von fünf Patienten innerhalb von drei Tagen. Ebenso stieg der Oxygenierungsindex PaO2/ FiO2 auf Werte von 286 bis 366 (Anfangswerte 172 bis 276). Der SOFA(Sequential Organ Failure Assessment)-Score nahm innerhalb von zwölf Tagen Werte von 1 bis 4 ­(Anfangswerte 2 bis 10) an. Er ist ein Maß für die multiplen Organschäden. Die Viruslast wurde gesenkt, innerhalb von zwölf Tagen war sie unter die Nachweisgrenze gesunken. Drei Patienten konnten innerhalb von zwei ­Wochen nach der Behandlung von der künstlichen Beatmung entwöhnt werden. Zirka 50 Tage nach der Aufnahme konnten drei der fünf Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, die übrigen zwei waren 37 Tage nach der Transfusion in stabilem Zustand.

Eine weitere chinesische Beobachtungsstudie mit zehn schwer an COVID-19 erkrankten Patienten bestätigt dieses Ergebnis [2]. Mit einer ­einmaligen Transfusion von 200 ml Plasma genesener Patienten konnte der Titer neutralisierender Antikörper auf ein hohes Niveau gesteigert und die Virämie innerhalb von sieben Tagen beendet werden. Die klinische Symptomatik besserte sich schon innerhalb von drei Tagen, radiologische Befunde der Lunge deuteten nach sieben Tagen auf eine Besserung der Lungenfunktion hin.

Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl und der nicht vorhandenen Kontrollgruppe kann jedoch keine end­gültige Aussage über die potenzielle Wirksamkeit dieser Behandlung getroffen werden. Umso wichtiger sind nun randomisierte klinische Studien.

Das PEI macht den Weg frei

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat nun die erste kontrollierte Studie zu dieser Fragestellung in Deutschland genehmigt [3]. In der CAPSID-Studie (a randomized, prospective, open label clinical trial of convalescent plasma compared to best supportive care for treatment of patients with severe COVID-19) sollen jetzt sowohl Wirkprinzip als auch Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendung von COVID-19-Rekonvaleszenten-Plasma im Vergleich zur bestmöglichen Supportivtherapie geprüft werden. Die ­Federführung hat das Institut für ­Klinische Transfusionsmedizin in Ulm übernommen, gesponsert wird die Studie vom DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen.

An der Studie werden mehrere Kliniken teilnehmen, insgesamt sollen 106 Patienten aufgenommen werden. Einschlusskriterien sind ein Alter ≥ 18 und ≤ 75 Jahre, eine durch PCR bestätigte SARS-CoV-2-Infektion sowie eine schwere Erkrankung mit einer Atemfrequenz ≥ 30/Minute, die Notwendigkeit einer Beatmungsunterstützung und einer intensivmedizinischen Betreuung. Die Studie ist nicht verblindet, bei schwerer fortschreitender COVID-19-Erkrankung ist Cross-over erlaubt. Der primäre kombinierte Endpunkt besteht aus der Verlängerung des Überlebens sowie dem Wegfallen der Kriterien für eine schwere COVID-19-Erkrankung (SARS-CoV-2-Infektion) innerhalb von 21 Tagen nach Randomisierung [4].

Weitere Studien in Planung

Die Transfusionsmedizinische und ­Hämostaseologische Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen hat als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland die behördliche Gestattung zur Herstellung von therapeutischem Plasma zur Behandlung von schwer erkrankten COVID-19-Patienten erhalten. Einem Spendenaufruf waren schon über 200 genesene COVID-19-Patienten gefolgt, sodass laut Prof. Dr. Holger Hackstein, Leiter der Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Erlangen, die Apherese-Plasmaproduktion sofort starten kann [5]. Hackstein begrüßte auf Nachfrage der DAZ die Durchführung von kontrollierten Studien zu dieser Thematik. An der CAPSID-Studie beteiligt sich das Universitätsklinikum Erlangen jedoch nicht, da eigene Studien in Vorbereitung sind. |

 

Literatur

[1] Shen C, et al. Treatment of 5 Critically Ill Patients With COVID-19 With Convalescent Plasma; JAMA Published online March 27, 2020. doi:10.1001/jama.2020.4783

[2] Duan K, et al. Effectiveness of convalescent plasma therapy in severe COVID-19 patients. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2004168117

[3] Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts vom 8. April 2020

[4] Details zur CAPSID-Studie. https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2020-001310-38/DE#

[5] Therapie für Coronapatienten. Pressemitteilung des Uniklinikums Erlangen vom 5. April 2020. https://www.uk-erlangen.de/presse/pressemitteilungen/ansicht/detail/therapie-fuer-coronapatienten/

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