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Pandemie Spezial

„Testen, testen, testen“

Was leisten die verfügbaren Corona-Tests?

Eine der großen Fragen in der Corona-Krise ist, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind und wie viele die Infektion unbemerkt oder relativ unbeschadet überstanden haben. Die Devise der Weltgesundheitsorganisation „Testen, testen, testen“ klingt plausibel, stößt aber in der Praxis an alle möglichen Grenzen. Ein Problem liegt im richtigen Einsatz der Tests und in deren Zuverlässigkeit. Das zweite sind die Testkapazitäten. Bis auf Weiteres muss die Wissenschaft sich wohl mit „Zahlenspielen“ zufriedengeben, um die Strategien für die Bekämpfung der Pandemie wenigstens einigermaßen auf eine evidenzbasierte Basis zu stellen. Dieser Beitrag soll ausloten, wo wir in Sachen „Corona-Tests“ derzeit stehen. | Von Helga Blasius

Eine aktuelle Leitlinie der Europäischen Kommission zu In-vitro-Tests auf Covid-19 vom 15. April 2020 klassifiziert die Tests nach ihrer wissenschaftlichen Rationale, der Art der Technologie, dem beabsichtigten Nutzer und dem Ort der Testung (Tab. 1).

Tab. 1: Klassifizierung von COVID-19-Tests
Kriterium
Kategorien
Wissenschaftliche Rationale
Test auf eine akute Infektion, Probematerial: in der Regel Nasen- oder Rachensekret, molekularer Test
Zwei Subtypen:
  • RT-PCR-Testung, detektiert das genetische Material des Virus
  • Antigentest, erkennt Viruskomponenten wie Proteine auf seiner Oberfläche
Test auf eine frühere Exposition, Probematerial: Blut,
serologischer Test, Untersuchung auf SARS-CoV-2-Antikörper ­(Antikörpertest)
Art der Technologie
automatisierte Tests für den Einsatz an Analysemaschinen
qualitative oder semiquantitative Schnelltests als Einzeltests oder für kleine Testserien
Beabsichtigte Nutzer
Gesundheitsfachleute
Laien (Selbsttest)
Ort der Testung
Labortest
Point-of-Care-Test

Quelle: EU Commission. Guidelines on COVID-19 in vitro diagnostic tests and their performance 2020

RT-PCR-Tests werden derzeit in verschiedenen Formen angeboten: Neben vollautomatischen, halbautomatischen und manuellen Geräten mit einem mehr oder weniger hohen Probendurchsatz gibt es auch bereits Point-of-Care-Kartuschen-Systeme für die rasche Analyse von Einzelproben. Antigentests sind bislang erst begrenzt im Einsatz. Die verfügbaren Antikörpertests lassen sich nach drei Kriterien gruppieren, und zwar nach der Antikörper-Klasse (IgG und/oder IgM Antikörper oder IgG und/oder IgA Antikörper), der ­Antikörper-Spezifität (Nutzung unterschiedlicher Antigene je nach Testsystem) und der Art der Testdurchführung ­(ELISA-Tests mit entsprechendem Equipment in medizinischen Laboratorien bzw. Schnelltests ohne weiteres Equipment). Letztere sind oft immunchromatographische „lateral flow“-Verfahren, die Schwangerschaftstests für die Heim­anwendung ähneln.

Welche Art von Testung, wann, bei wem und durch wen?

Die klare Abgrenzung der Tests ist wichtig für deren richtigen Einsatz. RT-PCR-Tests werden derzeit von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) als Goldstandard für die Diagnose von akuten SARS-CoV-2-Infektionen empfohlen. Antikörpertests sind nicht für den Einsatz in der Akutdiagnostik bestimmt, weil sie eine akute Infektion nicht diagnostizieren können. Weltweit ­raten Experten davon ab, solche Tests als alleinige Basis für die Feststellung oder den Ausschluss einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus einzusetzen. Sie zeigen aber durchgemachte, auch symptomlose Infektionen an und ­geben daher wichtige Hinweise zur Immunität und Durchseuchungsrate.

Als Reaktion auf die zunehmende COVID-19-Pandemie und den Mangel an molekularen Testkapazitäten und Reagenzien im Labor haben zahlreiche Hersteller schnelle und einfach zu verwendende Geräte entwickelt, um Testungen außerhalb der Laborumgebung zu erleichtern. Auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse empfiehlt die WHO jedoch, die neuen immundiagnostischen Point-of-Care-Tests nur in der Forschung zu verwenden. Dies betrifft Antigen-detektierende ebenso wie Schnelltests zum Nachweis von Antikörpern.

Wie wird die Vermarktung genehmigt?

In der EU werden kommerzielle COVID-19-Tests derzeit durch die Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVDD) geregelt. Vor Anbringung des CE-Kennzeichens muss der Hersteller die Leistung des Produkts durch Leistungsstudien bewerten. Darüber hinaus kann die Leistung nach dem Inverkehrbringen validiert, das heißt durch zusätzliche Tests bestätigt werden, z. B. in Referenzlaboren, von akademischen Institutionen oder nationalen Regulierungsbehörden. Die Validierung ist nicht bindend, wird für COVID-19-Tests aber dringend empfohlen. Bei Tests, die für die Verwendung durch Angehörige der Gesundheitsberufe bestimmt sind, kann der Hersteller selbst die Konformität mit den Anforderungen erklären. Geräte, die zur Selbsttestung bestimmt sind, erfordern die Einbeziehung einer Benannten Stelle. Möglich sind darüber hinaus nationale Sonderzulassungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Sogenannte „In-house Devices“, die in derselben Gesundheitseinrichtung hergestellt und verwendet werden, fallen nicht unter die Richtlinie. Die Anforderungen dürfen die Mitgliedstaaten selbst regeln.

Wer legt die Standards für die Tests fest?

Die Weltgesundheitsorganisation stellt eine Reihe von Dokumenten zu den Standards und Strategien für COVID-19-Testungen zur Verfügung, so zum Beispiel eine Interims-Leitlinie für Labortestungen und Empfehlungen für angemessene Teststrategien. Am 16. April 2020 hat die Europäische Kommission ein Arbeitsdokument zur aktuellen Leistung von COVID-19-Prüfmethoden und -Produkten und vorgeschlagenen Leistungskriterien veröffentlicht. Das Dokument liefert auch umfangreiche Informationen und Bewertungen zu kommerziell erhältlichen COVID-19-Tests inklusive der vorhandenen Datenlage zu einzelnen Tests.

Wie zuverlässig sind die Tests?

Bei der Beantwortung dieser Frage muss zum einen betrachtet werden, welche Befunde die Tests überhaupt liefern können, wenn sie so funktionieren, wie sie sollen, und zum anderen, wie gut sie validiert sind. Zunächst zu dem erstgenannten Aspekt:

PCR-Tests auf eine akute Infektion gelten als zuverlässig. Dennoch schließt das Robert Koch-Institut die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei einem negatives PCR-Ergebnis nicht vollständig aus. Falsch-negative Ergebnisse können z. B. aufgrund schlechter Probenqualität, unsachgemäßem Transport oder ungünstigem Zeitpunkt (bezogen auf den Krankheitsverlauf) der Probenentnahme zustande kommen. So scheint die Dauer der Nachweisbarkeit von Virus-RNA im Nasopharynxsekret großen individuellen Schwankungen zu unterliegen (1 – 24 Tage).

Mehrfach wurde aus Asien berichtet, dass genesene Corona-Patienten einige Tage später wieder positiv auf das ­Virus getestet wurden. Experten erklären diese Fälle derzeit hauptsächlich dadurch, dass die verbliebenen Virusmengen in der Abklingphase der Krankheit mal über, mal unter der Nachweisgrenze des PCR-Tests liegen.

Wie gut Antigen-Schnelltests zur Detektion akuter oder früher Infektionen funktionieren, hängt ebenfalls von mehreren Faktoren ab. Basierend auf den Erfahrungen mit Antigen-basierten Schnelltests für andere Atemwegserkrankungen wie Influenza kann laut WHO erwartet werden, dass ihre Empfindlichkeit zwischen 34% und 80% variiert (Bruning 2017). Das heißt, dass mit solchen Tests die Hälfte oder mehr der mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten durch das Raster fallen können. Auch falsch-positive Ergebnisse sind möglich, wenn die Antikörper auf dem Teststreifen auch auf Antigene anderer Coronaviren, wie etwa Erkältungsviren ansprechen.

Bei Antikörpertests gibt es ebenfalls viele Imponderabilien. So hängt die Stärke der Immunantwort von mehreren Faktoren ab, darunter Alter, Ernährungszustand, Schweregrad der Erkrankung und bestimmten Arzneimitteln, die das Immunsystem unterdrücken. Der zeitliche Verlauf bis zur Nachweisbarkeit von Antikörpern nach einer SARS-CoV-2 Infektion variiert. Im Allgemeinen wird (mit großer individueller Schwankung) das erstmalige Auftreten erregerspezifischer Antikörper im Serum (Serokonversion) nach etwa zehn Tagen beschrieben. Außerdem wirkt sich die unterschiedliche Kinetik der Antikörperklassen auf die klinische Sensitivität des Antikörpertests aus. IgM und IgA- Antikörper treten typischerweise rascher auf, während IgG-Antikörper länger vorhanden sind (Tab. 2). Der Zeitpunkt der Probenentnahme ist also sehr wichtig für die Aussagekraft des Testergebnisses.

Tab. 2: Ergebnisse verschiedener COVID-19-Tests je nach Phase der Infektion
COVID-19-Phase
RNA-Test*
Antigen-Test
IgM-Test
IgG-Test
Vor der Infektion
negativ**
negativ**
negativ
negativ
Erste Phase der Infektion
positiv
positiv, aber später als der RNA-Test
negativ
negativ
Zweite Phase der Infektion
positiv
positiv
positiv***
negativ
Letzte Phase der Infektion
positiv
positiv
positiv***
positiv***
Nach der Infektion
negativ**
negativ**
positiv und später negativ
positiv***

* Bei optimaler Probenahme

** diagnostische Sensitivität sehr wichtig

*** diagnostische Spezifität sehr wichtig

Quelle: EU Commission. Guidelines on COVID-19 in vitro diagnostic tests and their performance 2020

Wie gut sind die Tests validiert?

Nun zur Validierung der Tests: Nach einer von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Center, JRC) durchgeführten Analyse der Datenlage schneiden die verfügbaren RT-PCR-Tests normalerweise gut ab. Allerdings fehlen meist ausreichende Nachweise für ihre Leistungsmerkmale. Es wird empfohlen, Tests zu verwenden, die dem WHO-Protokoll folgen. Informationen über die Leistung von Antigentests in der wissenschaftlichen Literatur sind rar, auch weil es davon bislang nur wenige gibt. Ein Vergleich der verfügbaren Antikörpertests ist nach der JRS-Studie derzeit nicht möglich, da eine ordnungsgemäße Validierung und Standardisierung der Methoden fast vollständig fehlt. Es scheint also mehr als begründet zu sein, dass sowohl Virologen und Labormediziner als auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker unisono von den im Internet vertriebenen Antikörper-Schnelltests mit häufig fraglicher Testqualität abraten. Bislang wurde in der EU nach Angaben der Kommission noch kein einziger Antikörper-Selbsttest zertifiziert.

Dänische Studie zum Vergleich von Antikörpertests

Ein dänisches Forscherteam hat die Empfindlichkeit und Spezifität von neun kommerziell erhältlichen serologischen Tests bewertet (Lassaunière 2020). Dazu gehörten drei ELISA- und sechs laterale Durchflusstests (Point-of-Care) aus China, den USA und Kanada. Die Assays wurden mit vier Arten von Serumproben validiert:

  • Seren von SARS-CoV-2 PCR-positiven Patienten mit einem dokumentierten ersten Krankheitstag,
  • archivierte Seren von gesunden Personen vor der Entstehung von SARS-CoV-2,
  • Seren von Patienten mit akuten Infektionen der viralen Atemwege, die durch andere Coronaviren oder Nicht-Coronaviren verursacht werden,
  • Seren von Patienten, die positiv auf Dengue-Virus, Zytomegalievirus und Epstein-Barr-Virus sind.

Insgesamt hatte der Wantai Total Ab ELISA eine überlegene Empfindlichkeit und Spezifität im Vergleich zu den Euroimmun IgA und IgG ELISAs. Die Ergebnisse zeigten eine 100%ige Spezifität für den Wantai SARS-CoV-2 Total Antibody ELISA (Beijing Wantai Biological Pharmacy Enterprise), 93% für den Euroimmun IgA ELISA (Euroimmun Medizinische Labordiagnostika), und 96% für den Euroimmun IgG ELISA mit Empfindlichkeiten von 90%, 90% bzw. 65%.

Die Gesamtleistung der POC-Tests variierte beträchtlich. Nach Hersteller ergab sich folgende Rangfolge: AutoBio Diagnostics > Dynamiker Biotechnology = CTK Biotech > Artron Laboratories > Acro Biotech ≥ Hangzhou Alltest Biotech.

Die Empfindlichkeiten der Assays reichten von 40 bis 86% für die Frühphasenproben (7 bis 13 Tage nach Auftreten der Krankheitssymptome), 67 bis 100% für die Proben der mittleren Phase (14 bis 20 Tage danach) und 78 bis 89% für die Spätphase (21 Tage danach).

Wie viele Tests gibt es und wo kommen sie her?

Die Liste im Anhang zu dem Arbeitsdokument der Europäischen Kommission zur aktuellen Leistung von COVID-19-Prüfmethoden und -Produkten enthält insgesamt 467 COVID-19-Tests. Davon besitzen nach Angaben der Kommission 78 RT-PCR-Tests, 13 Antigen-Schnelltests und 101 Antikörpertests eine CE-Kennzeichnung gemäß der Richtlinie 98/79/EG (Stand Anfang April). Der Rest befindet sich noch in der Entwicklung, ist in anderen Ländern zugelassen oder nur für Forschungszwecke gedacht. 81 der Immunoassays mit CE-Kennzeichnung sind Schnelltests, allesamt als „commercialized“ ausgewiesen. Die Verfügbarkeit der einzelnen Produkte in den Mitgliedstaaten der EU ist sehr unterschiedlich und hängt von den Vertriebsstrategien der Hersteller ab.

Nach Angaben des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) fanden sich im Medizinprodukte-Informationssystem Anfang April 79 Anzeigen von Tests auf Coronaviren bzw. spezifisch auf SARS-CoV-2, davon 38 für den Nachweis von RNA/DNA, 38 Antikörpertests sowie drei sonstige (z. B. Auswerte-Software). 17 Produkte wurden durch deutsche Hersteller angezeigt, die anderen durch deutsche Bevollmächtigte mit Herstellern im außereuropäischen Ausland. Lediglich drei Anzeigen beziehen sich auf spezifische SARS-CoV-2-Antikörpertests (MP Biomedicals Germany GmbH: 2019-nCoV IgG/IgM Combo Test, Roche Diagnostics GmbH: cobas® SARS-CoV-2 ASAP cobas® 6800/8800 Systems und Servoprax GmbH: Cleartest Corona). Drei Bevollmächtigte haben insgesamt 21 Antikörpertests von chinesischen Firmen angezeigt. Hinzu kommen acht Anzeigen von koreanischen Tests sowie weitere fünf aus den USA. Die Zahlen sind ständig im Fluss.

In den USA hat die FDA im März eine Richtlinie veröffentlicht, nach der Entwickler bestimmte serologische COVID-19-Tests auch ohne vorherige FDA-Prüfung vermarkten dürfen, wenn bestimmte in einem Leitfaden beschriebene Bedingungen erfüllt sind. Hier scheint es viel Wildwuchs zu geben, gegen den die Behörde nun vorgehen will. Daneben hat die FDA bis zum 15. April 2020 36 Notfallzulassungen (Emergency Use Authorizations, EUA) für COVID-19-Tests erteilt, davon lediglich drei für serologische Tests: CDPP COVID-19 IgM/IgG System von Chembio Diagnostic System, VITROS Immunodiagnostic Products Anti-SARS-CoV-2 Total Reagent Pack von Ortho Clinical Diagnostics und qSARS-CoV-2 IgG/IgM Rapid Test von Cellex.

Auf der Webseite der Foundation for Innovative New Diagnostics (www.finddx.org/covid-19/) findet sich alles, was weltweit in der Pipeline ist, was bereits vermarktet wird und wie es mit der Datenlage zu einzelnen Tests aussieht.

Kriterien dafür, wer getestet wird

Wer aktuell in Deutschland getestet wird, entscheiden die Kliniken und Hausärzte. Sie orientieren sich dabei an den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI). Wer feststellen will, ob er für einen Test infrage kommt, kann den Fragebogen „CovApp“ unter https://covapp.charite.de/ der Berliner Charité durchgehen.

Laut Auffassung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird immer noch zu ungerichtet getestet. Das BMG will die Strategie der PCR-Tests zukünftig mehr auf Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Altenheime und sonstige Einrichtungen für besonders empfängliche (Risiko-)Gruppen fokussieren.

Foto: imago images/Hentschel

Getestet wird immer noch zu ungerichtet, meint Bundesgesundheitsminister Spahn.

Wie steht es um die Testkapazitäten?

Die SARS-CoV-2-Testzahlen von Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen sowie klinischen und ambulanten Laboren werden wöchentlich am Robert Koch-Institut (RKI) zusammengeführt. Wie dem jüngsten Epidemiologischen Bulletin 16/2020 des RKI vom 16. April zu entnehmen ist, wurden in Deutschland seit Beginn der Testungen bis zum 12. April 2020 rund 1,73 Millionen Labortests erfasst, von denen etwa 132.000 positiv waren. Mittlerweile melden 191 Labore ihre Daten an das RKI. Das Institut geht aktuell von einer Wochentestkapazität von mindestens etwa 730.000 PCR-Tests aus.

Ende März hatte der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM e. V.) festgestellt, dass Deutschland weitaus mehr als die meisten europäischen Länder testet und dass die Labore mit ihrer extremen Leistungsfähigkeit auch im internationalen Vergleich weit vorne sind. Der Verband sieht noch Potenzial für zusätzliche Testungen, sofern die RKI-Richtlinien für die Testindikation eingehalten werden und die Lieferkette seitens der Hersteller für Test-Reagenzien und Laborverbrauchsmaterial funktioniert. Genau dort scheint neben der „Ressource Mensch“ das Nadelöhr für die Testungen zu liegen.

Die Gesellschaft für Virologie beklagt zudem das Fehlen einer verlässlichen SARS-CoV-2-spezifischen Antikörperdiagnostik. Ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin (DGKL) geht sie von einer enormen Dunkelziffer in Bezug auf die tatsächliche Infektionsrate in der Bevölkerung aus. Die DGKL plädiert für den Aufbau von zentralisierten Teststellen, die flächendeckend eine Hochdurchsatz-Diagnostik sicherstellen. Das BMG will außerdem Konzepte wie Drive-In-Testzentren, COVID-Ambulanzen oder mobile „Swabbing-Teams“ weiter ausbauen.

Studien mit Antikörpertests für zukünftige Strategien

Virologen schätzen, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung eine Infektion mit Covid-19 überstanden haben müssen, bis die Pandemie zum Stillstand kommt (Herden­immunität). Der aktuelle Status quo lässt sich nur durch Antikörpertests erheben. Sie können der Politik wichtige Informationen darüber liefern, wann etwa die Social-Distancing-Maßnahmen wieder gelockert werden können. Genauso wie bei den PCR-Tests ist es aus Kapazitätsgründen aber derzeit noch unmöglich, die gesamte Bevölkerung durchzutesten. So wird zunächst versucht, sich durch punktuelle Studien ein genaueres Bild der Lage und der Mechanismen des viralen „Spreadings“ zu verschaffen und die Ergebnisse, sofern möglich zu extrapolieren.

Hierzu hat das Robert Koch-Institut drei Studien initiiert. In einer serologischen Untersuchung an Blutspendern in Deutschland sollen zusammen mit den Blutspendediensten alle 14 Tage ca. 5.000 Blutproben auf SARS-CoV-2-Anti­körper untersucht werden. Eine zweite seroepidemiologische Studie nimmt mehrere vom Coronavirus besonders betroffene Orte („Hotspots“) in Deutschland ins Visier, und mit einer bundesweit repräsentativen Stichprobe sollen die tatsächliche Verbreitung, Immunität, der Anteil asymptomatischer Infektionen, die tatsächliche Sterberate und Risikofaktoren für einen schweren Verlauf in der Bevölkerung in Deutschland besser abgeschätzt werden. Erste Ergebnisse werden im Mai bzw. Juni erwartet.

Weitere Beispiele für ähnliche Initiativen sind die „Heinsberg-Studie“ des Bonner Virologen Hendrik Streeck, der sich mit der Ausbreitung des Virus im Corona-Hotspot Gangelt und dem Immunstatus der dortigen Bevölkerung befasst hat, und eine Erhebung des SARS-CoV-2-Antikörper-Status von Menschen in 3000 Haushalten in München als einer der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Städte. Außerdem will die Rheinland-Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) einen groß angelegten Bluttest auf eine überstandene SARS-CoV-2-Infektion aufsatteln. Zusammen mit den bereits erhobenen Daten aus der Rheinland-Studie selbst sollen damit neue Erkenntnisse über die individuelle Anfälligkeit für den Erreger und den Krankheitsverlauf gewonnen werden.

Dürfen Apotheker COVID-19-Antikörpertests abgeben oder durchführen?

Bleibt die Frage, ob Apotheken Antikörpertests abgeben dürfen oder solche Tests durchführen dürfen. Die Frage ist schnell beantwortet: Nein, beides dürfen sie nicht.

COVID-19 gehört zu den übertragbaren Krankheiten, die nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig sind („bedrohliche übertragbare Krankheiten“ gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG). In-vitro-Diagnostika für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers zur Fest­stellung einer meldepflichtigen Infektionskrankheit oder für den Nachweis eines meldepflichtigen Krankheitser­regers dürfen nach der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) nur an einen abschließend genannten Empfängerkreis abgegeben werden (§ 3 Abs. 4 Satz 1 MPAV). Dazu gehören neben Ärzten, ambulanten und stationären Einrichtungen im Gesundheitswesen sowie Gesundheitsbehörden auch pharmazeutische Unternehmen, der Großhandel und Apotheken, nicht aber Endverbraucher. Hiervon gibt es nur eine Ausnahme, und zwar Selbsttests auf HIV (§ 3 Abs. 4 Satz 2 bzw. Anlage 3 zur MPAV). Das Robert Koch-Institut kann befristete Ausnahmen hiervon zu­lassen, hat aber mit Blick auf COVID-19 diesbezüglich bislang nichts erkennen lassen.

Die Durchführung von SARS-CoV-2-Tests in Apotheken wird durch das Infektionsschutzgesetz ausgeschlossen. Hiernach darf die Feststellung oder die Heilbehandlung einer meldepflichtigen Infektion nur durch einen Arzt erfolgen (§ 24 IfSG). Lediglich drei patientennahe Schnelltests sind hiervon ausgenommen, und zwar auf HIV, Hepatitis-C-Virus und Treponema pallidum. Dieser Katalog kann nur durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit ausgeweitet werden. |

Literatur

Antikörper-Schnelltests auf SARS-CoV-2 in der Apotheke (Teil 1 von 2). Dürfen Apotheken Antikörper-Tests auf SARS-CoV-2 verkaufen? DAZ.online vom 22.04.2020

Antikörper-Schnelltests auf SARS-CoV-2 in der Apotheke (Teil 2 von 2). Dürfen Apotheken Antikörper-Schnelltests auf SARS-CoV-2 durchführen? DAZ.online vom 23.04.2020

Bruning AHL et al. Rapid Tests for Influenza, Respiratory Syncytial Virus, and Other Respiratory Viruses: A Systematic Review and Meta-analysis. Clin Infect Dis [Internet]. 2017 Sep 15 [cited 2020 Apr 1];65(6):1026–32.

Communication from the Commission. Guidelines on COVID-19 in vitro diagnostic tests and their performance Brussels, 15.4.2020 C (2020) 2391 final. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/testing_kits_communication.pdf

Corona-Forschung in Bonn. Rheinland Studie integriert groß angelegten Antikörpertest. DAZ.online vom 23.04.2020

European Commission. Current performance of COVID-19 test methods and devices and proposed performance criteria. 16 April 2020. ­https://ec.europa.eu/docsroom/documents/40805

FDA. Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) Emergency Use Authorizations for Medical Devices. In Vitro Diagnostics EUAs. https://www.fda.gov/medical-devices/emergency-situations-medical-devices/emergency-use-authorizations

FDA. Policy for Diagnostic Tests for Coronavirus Disease-2019 during the Public Health Emergency. Immediately in Effect Guidance for Clinical Laboratories, Commercial Manufacturers, and Food and Drug Administration Staff. March 2020. https://www.fda.gov/regulatory-information/search-fda-guidance-documents/policy-diagnostic-tests-coronavirus-disease-2019-during-public-health-emergency

Lassaunière R. et al.. Evaluation of nine commercial SARS-CoV-2 immunoassays. medRxiv preprint doi: https://doi.org/10.1101/2020.04.09.20056325

Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie. Labordiagnostik bei Coronavirus SARS-CoV-2. Version 1.3, 17.04.2020. https://www.oeglmkc.at/corona.html

Robert Koch-Institut: Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland (Update vom 15.4.2020). Epid Bull 2020;16:10 | DOI 10.25646/6756.3

Stahl V. Diagnostik am Anschlag. Eine Übersicht über SARS-CoV-2-Testverfahren. DAZ 2020;160(13):60-64

Umstellungen beim Testverfahren. COVID-19: Spahn will gezielter testen lassen. DAZ.online vom 17.04.2020.

WHO. Advice on the use of point-of-care immunodiagnostic tests for COVID-19. Scientific Brief. 8 April 2020. https://www.who.int/news-room/commentaries/detail/advice-on-the-use-of-point-of-care-immunodiagnostic-tests-for-covid-19

WHO. Coronavirus disease (COVID-19) technical guidance: Laboratory testing for 2019-nCoV in humans. https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/technical-guidance/laboratory-guidance

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