Arzneimittel und Therapie

Verzehren oder verzichten?

Was man Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn empfehlen kann

Die Pathogenese entzündlicher Darmerkrankungen ist komplex –auch die Ernährung scheint eine Rolle zu spielen. So wird bei der ­Behandlung des Morbus Crohn ­häufig versucht, den Krankheits­verlauf positiv zu beeinflussen, ­indem auf bestimmte Speisen verzichtet wird. Und auch bei Colitis ulcerosa wird der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel mit dem Auf­treten von Schüben assoziiert. Doch wie steht es um die Evidenz der ­Ernährungsempfehlungen?

Das Ernährungscluster der International Organization for the Study of Inflammatory Bowel Disease (IOIBD) hat die derzeitige Studienlage zum ­Einfluss verschiedener Nahrungs­mittelgruppen und Zusatzstoffe analysiert und Empfehlungen für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen formuliert. Hintergrund waren neue Hinweise, dass Umweltfaktoren wie die Ernährung eine wichtige Rolle bei der Entstehung ­entzündlicher Krankheiten spielen.

Mehr Obst und Gemüse

Bei Morbus Crohn empfehlen die Experten einen mittleren bis hohen Verzehr von Obst und Gemüse. Insbesondere lösliche Fasern wie Plantain aus Bananen oder Brokkoli-Pektine sollen die Produktion kurzkettiger Fettsäuren durch Darmbakterien fördern und so Energie für das Darmepithel liefern. Bei Patienten mit Fibrostenosen sollte die Zufuhr an Ballaststoffen jedoch ­begrenzt werden. Für Colitis ulcerosa fehlt die notwendige Evidenz, um eine Empfehlung zum Obst- und Gemüseverzehr aussprechen zu können.

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In Bananen enthaltene Inhaltsstoffe wie das Plantain können sich protektiv auf Darmzotten auswirken und bei Morbus Crohn die Schubrate reduzieren.

Bei Reizdarm FODMAPs meiden

Die Studienlage zum Konsum von einfachen und komplexen Kohlenhydraten reichte bei beiden Erkrankungen nicht aus, um eine Anpassung der Ernährung zu empfehlen. Auch für eine Einschränkung von Gluten- oder Weizenkonsum gibt es keine ausreichenden Belege. Allerdings könnte bei ­Patienten, bei denen trotz fehlender Stenosen und zurückgehender Entzündung die Symptome anhalten, eine Reduktion von FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole) sinnvoll sein. Diese langsam absorbierten und unverdau­lichen kurzkettigen Kohlenhydrate scheinen zwar keine Rolle im Krankheitsverlauf von Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zu spielen, können aber ein gleichzeitig vorhandenes Reizdarmsyndrom verschlimmern.

Zu den FODMAPs gehören unter anderem Kohlenhydrate wie Fructose, Lactose, Fructane oder Sorbit.

Essenzielle Fettsäuren

Der menschliche Organismus synthetisiert aus den zugeführten essenziellen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren unterschiedliche Klassen der Eicosanoide, die als Gewebshormone fungieren. Sie dienen wiederum als Ausgangsstoffe für die Biosynthese von Leukotrienen, Prostanoiden und Thromboxanen. Zur Bildung der unterschiedlichen Eicosanoide konkurrieren Omega-6- mit Omega-3-Fettsäuren um die gleichen Enzyme, speziell limitierend ist hier die delta-6-Desaturase. Ein optimales Verhältnis der Fettsäuren läge bei < 5 : 1, doch werden in Industriestaaten verhältnismäßig oft weitaus größere Mengen an Omega-6-Fettsäuren über die Nahrung aufgenommen. Eine verstärkte Einnahme von Omega-3-Fettsäuren wirkt sich positiv auf den Verlauf chronisch-entzündlicher Erkrankungen wie auch Morbus Crohn und Colitis ulcerosa aus. Die essenziellen Fette sind z. B. in Fisch-, Algen-, Lein-, Nachtkerzensamen- oder Hanföl in größeren Mengen enthalten.

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Wenig Fleisch bei Colitis ulcerosa

Bei Patienten mit Morbus Crohn ist eine Einschränkung des Verzehrs von unverarbeitetem rotem Fleisch, magerem Hühnerfleisch und Eiern unnötig – die Evidenz ist hoch. Bei Colitis ulcerosa scheint eine Reduktion von rotem und unverarbeitetem Fleisch dagegen sinnvoll zu sein.

Für Milchprodukte konnte sich die Expertengruppe nicht auf eine Empfehlung einigen. Hier gibt es einerseits Hinweise aus Tiermodellen, dass Casein eine Colitis ulcerosa verstärken kann, sowie Studien, die bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen auf eine höhere Inzidenz von Lactoseintoleranz hindeuten. Andererseits fehlen Studien beim Menschen, die einen Zusammenhang mit den Entzündungsvorgängen oder einer Besserung bei verringertem Konsum von Milchprodukten belegen. Vom Verzehr nicht pasteurisierter Milchprodukte wird aber wegen des Infektionsrisikos eindeutig abgeraten.

Gesättigte Fettsäuren reduzieren

Sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa wird die Reduzierung von gesättigten und trans-Fettsäuren empfohlen. Bei Colitis ulcerosa scheint speziell Myristinsäure Schübe zu ­begünstigen, die beispielsweise in Kokos- oder Palmöl sowie Milchprodukten enthalten ist. Dagegen wird bei ­Colitis ulcerosa ein erhöhter Konsum von Omega-3-Fettsäuren durch Seefisch – aber nicht durch Nahrungsergänzungsmittel – empfohlen.

Von geringfügigem Alkoholkonsum, beispielsweise einem Glas Wein am Tag, raten die Experten Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen nicht ab: Es fehlt an Evidenz, dass sich dies tatsächlich negativ auswirkt. Es gibt allerdings Studien, die hohen Alkoholkonsum mit vermehrten Schüben und Beschwerden in Verbindung bringen.

Zudem wird bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa empfohlen, den Konsum von Maltodextrin-haltigen Lebens­mitteln zu begrenzen und verarbeitete ­Nahrungsmittel, die Carrageen, Carboxymethylcellulose, Polysorbat-80, ­Titandioxid oder Sulfite enthalten, zu meiden.

Insgesamt war die Studienlage für die meisten dieser Empfehlungen ­heterogen und das Evidenzniveau niedrig. Dies ist bei Ernährungsstudien häufig der Fall, weil das nicht konsumierte oder reduzierte Nahrungsmittel durch andere ersetzt wird. Dies verschlechtert die Vergleichbarkeit verschiedener Gruppen und damit auch die Aussagekraft der Studie. ­Diese Analyse gibt jedoch einen guten Überblick über die derzeitige Studienlage und darüber, welche Ernährungsempfehlungen für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sinnvoll sind. |

Literatur

Levine A et al. Dietary Guidance for Patients with Inflammatory Bowel Disease from the International Organization for the Study of Inflammatory Bowel Disease. Clin Gastroenterol Hepatol 2020; doi:10.1016/j.cgh.2020.01.046

Apothekerin Sarah Katzemich

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