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Kammern bereiten den Weg
Apotheken kommen den Modellvorhaben zu den Grippeschutzimpfungen ein Stück näher
Kurz vor Weihnachten 2019 winkte der Bundesrat das Masernschutzgesetz durch. Als apothekenrelevante Themen sind darin neben den Wiederholungsverordnungen auch die Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen enthalten, die ursprünglich im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) vorgesehen waren. In § 132j SGB V heißt es nun, dass Krankenkassen oder ihre Landesverbände mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder mit den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene, wenn diese sie dazu auffordern, Verträge über die Durchführung von Modellvorhaben abschließen dürfen. Bemerkenswert an diesem Passus ist, dass damit explizit nicht nur die offizielle Standesvertretung der Apotheken in Form der Verbände ermächtigt ist, Modellvorhaben durchzuführen, sondern eben auch einzelne Apotheken oder Gruppen von Apotheken (s. S. 18). Dies könnte ein markanter Richtungswechsel sein, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewusst initiiert hat: Nicht nur die Selbstverwaltung wird aufgefordert zu handeln, sondern auch weitere Interessenvertreter und einzelne Marktteilnehmer lässt er partizipieren – ein bedeutender Schritt hin zu mehr Wettbewerb im System.
Heilkundeverbot wird teilweise gelockert
Damit es (Grippeschutz-)Impfungen in deutschen Apotheken zukünftig überhaupt geben kann, sind zuvor noch einige juristische Hürden zu meistern. Dabei geht es vor allem um das Berufsrecht: Die Berufsordnungen der Apotheker lassen nämlich solche – eigentlich ärztlichen – Tätigkeiten derzeit schlichtweg nicht zu. „Die Ausübung der Heilkunde verstößt gegen das Berufsrecht“, heißt es in den Berufsordnungen der Kammern. Nachdem die Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates zu den Modellvorhaben nun feststehen, werden in den Kammerversammlungen nach und nach alle Berufsordnungen geändert. Künftig soll es heißen: „Die Ausübung der Heilkunde verstößt gegen das Berufsrecht, sofern nicht ausdrücklich vom Gesetzgeber vorgesehen.“ Zur Begründung heißt es, dass die ursprüngliche Formulierung auch abgesehen von den anstehenden Modellvorhaben unglücklich formuliert gewesen wäre. So hätten Kammermitglieder, die sowohl die Approbation als Apotheker als auch die ärztliche Approbation besitzen, immer in einem potenziellen Konflikt mit der Berufsordnung gestanden, da die ärztliche Tätigkeit somit kategorisch ausgeschlossen gewesen wäre, selbst, wenn diese nicht im Apothekenbetrieb stattgefunden hätte. In einer ähnlichen Situation befinden sich die Apotheker, die zwar keine Approbation als Arzt besitzen, jedoch die Erlaubnis, die Heilkunde als Heilpraktiker auszuüben. Im Hinblick auf die Einführung der Grippeschutzimpfung in den Apotheken in Form von Modellvorhaben sehen die Kammern aber auch Bedarf, den entsprechenden Paragrafen in ihren Berufsordnungen zu ändern. Denn in der Frage, ob Impfen die Ausübung der Heilkunde darstelle, scheint es vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums eine positive Bewertung zu geben. Ein entsprechendes Schreiben wurde an die Sozialministerien der Länder weitergeleitet, teilt die Bayerische Landesapothekerkammer auf Anfrage der DAZ mit.
Doch eine höchstrichterliche Entscheidung über die Frage, ob das Impfen tatsächlich eine ärztliche Aufgabe sei und damit unter das Heilkundeverbot fällt, steht noch aus. In DAZ 2019, Nr. 44, S. 24 hatte Apotheker und Jurist Dr. Dennis A. Effertz dies hinterfragt und darauf hingewiesen, dass es ein „weit verbreiteter Irrglaube“ sei, dass die Impfungen nur durch das Berufsrecht verboten seien. Vielmehr stehe auch im Heilpraktikergesetz, dass es einer „Erlaubnis“ bedürfe, „wenn man die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will“. Effertz meint allerdings, dass Impfungen ohnehin nicht der Heilkunde zuzuordnen seien – sondern vielmehr der Prävention. „Folglich existiert auch keine Rechtsgrundlage für einen Arztvorbehalt für Impfungen, was deren häufige Durchführung durch nichtärztliche Mitarbeiter in der Praxis erklärt“, schreibt er.
Ärzte wehren sich
Ganz unabhängig von dieser juristischen Debatte gibt es seit dem Vorstoß Spahns in Sachen „impfende Apotheker“ jedoch auch eine standespolitische Auseinandersetzung zwischen den Berufsständen. Bislang stießen die geplanten Modellvorhaben zu Grippeimpfungen in der Apotheke in der Ärzteschaft auf große Vorbehalte. Nach der ABDA-Mitgliederversammlung gab es jedoch eine bemerkenswerte Pressemitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Vizepräsident Dr. Stephan Hofmeister begrüßt es demnach, dass die Standesvertretungen diesbezüglich eine „gemeinsame Linie“ gefunden hätten und sich „in der Sache einig“ seien. Hintergrund ist eine Aussage, die ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im Anschluss an die ABDA-Mitgliederversammlung getätigt hat. „Impfen bleibt primär eine ärztliche Angelegenheit“, betonte er. Wenn aber „übergeordnete Gründe“ es erforderlich machten, seien die Apotheker bereit zu helfen. Dazu zählte Schmidt zum Beispiel Massenimpfungen gegen Grippe und COVID-19, bei denen innerhalb kurzer Zeit ein hoher Durchimpfungsgrad in der Bevölkerung erreicht werden müsse.
„Wir halten die Klarstellung der ABDA für unerlässlich und erachten es als essenziell, dass sich die Spitzenorganisation der Apothekerinnen und Apotheker so äußert“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Damit vollzieht die Spitzenorganisation der Kassenärzte eine Kehrtwende: Noch vor gut einem Jahr hatte sie das Vorhaben von Minister Spahn eindeutig abgelehnt. |
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