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Medizin

Steine im (Harn-)Weg

Wissenswertes rund um die Urolithiasis

Harnsteine bleiben in vielen Fällen lange Zeit völlig unbemerkt oder werden nur zufällig entdeckt. Wenn sie aber die Harnwege verlegen, sich dort verklemmen und reiben, dann kann das für die Patienten mit sehr starken, krampfartigen Schmerzen verbunden sein. Aber wie kommt es überhaupt zur Bildung von Steinen, wie werden sie behandelt, wie kann man vorbeugen und was können Sie den betroffenen Kunden in Ihrer Apotheke raten? Wichtige Anhaltspunkte bietet hier auch die im Juli 2019 aktualisierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) [1]. | Von Stefan Oetzel

Die Harnsteinerkrankung (Urolithiasis) bezeichnet ein Krankheitsbild, bei dem sich mehr oder weniger große kristalline Ablagerungen (Konkremente) im Harntrakt befinden. Je nach Lage dieser Harnsteine (Urolithe) lassen sich verschiedene Formen der Urolithiasis unterscheiden (Abb. 1) [2]:

  • Nephrolithiasis (Steine in den Nierenbecken oder den Nierenkelchen)
  • Ureterolithiasis (Steine in den oberen, mittleren oder unteren Harnleitern)
  • Zystolithiasis (Steine in der Harnblase)
  • Urethralithiasis (Steine in der Harnröhre)

In Deutschland leiden etwa 6% der Menschen unter Harnsteinen, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen [2]. Meist erkranken Personen im Alter zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr [2]. Etwa 1% aller Erkrankungen betreffen jedoch Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren [1].

Abb. 1: Lokalisation von Harnsteinen [11].

Was die Harnsteinbildung begünstigt

Harnsteine können sich bilden, wenn die Konzentration bestimmter Mineralsalze im Harn bis zur Sättigung erhöht ist und diese dann ausgefällt werden [2 – 4]. Dabei entstehen zunächst kleine Kristalle („Grieß“), die sich in der Folge allmählich zu größeren Gebilden zusammen­lagern. Im Extremfall kann ein Harnstein so weit anwachsen, dass er das gesamte Nierenbecken ausfüllt („Ausgussstein“). Die Steinbildung wird durch bestimmte Veränderungen in der Zusammensetzung des Urins begünstigt [2 – 4]. Hierzu gehören beispiels­weise eine Alkalisierung oder Säuerung, eine Harnkonzentrierung oder eine verminderte Ausscheidung von Urincitrat, das normalerweise als Hemmstoff gegen die Steinbildung wirkt. Risikofaktoren, die eine Bildung von Harnsteinen fördern, sind unter anderem:

  • falsche Ernährung (z. B. zu viele tierische Eiweiße, Übermaß an steinbildenden Salzen wie Phosphate, Oxalate, Urate, Ammoniumverbindungen)
  • Austrocknung des Organismus (zu geringe Flüssigkeitszufuhr)
  • Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • genetische Veranlagung
  • höheres Alter
  • männliches Geschlecht
  • bestimmte Erkrankungen (z. B. anatomische Anomalien der Nieren und Harnwege, gestörte Blasenkontraktion, Harnwegsinfekte, Störungen der renalen Säureausscheidung, Überfunktion der Nebenschilddrüsen, Diabetes mellitus)

Ja nachdem, welche chemische Zusammensetzung ein Harnstein aufweist, werden verschiedene Steinklassen anhand ihres Hauptinhaltsstoffs unterschieden (Tab. 1) [1, 5, 6]. So bestehen rund drei Viertel aller Harnsteine hauptsächlich aus einem Calciumoxalat. Diese Steine werden mineralogisch auch als Whewellit (Calciumoxalat-Monohydrat) bzw. Weddellit (Calciumoxalat-Dihydrat) bezeichnet. Etwa jeder zehnte Harnstein hat Magnesium-Ammonium-Phosphat als Hauptbestandteil. Steine dieses Typs nennt man Struvit. Zwischen 5 und 10% aller Harnsteine enthalten im Wesentlichen Harnsäure (Uratsteine, Uricit). Seltene Formen sind Calciumphosphat-Steine (Brushit, Dahllit), Zystinsteine und Xanthinsteine, die insgesamt weniger als 5% aller Harn­steine ausmachen [5].

Tab. 1: Klassifizierung der Harnsteine nach ihrer Zusammensetzung (nach [5]).
Zusammensetzung (mineralische Bezeichnung)
Anteil
häufige Ursachen
Calciumoxalat (Whewellit bzw. Weddellit)
ca. 75%
  • Hyperkalzämie
  • oxalatreiche Ernährung
Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit)
ca. 10%
  • Harnwegsinfekte (Infektstein)
Harnsäure (Uricit)
5 bis 10%
  • Hyperurikämie
Calciumphosphat (Brushit, Dahllit)
insgesamtca. 5%
  • Hyperparathyreoidismus
  • renal-tubuläre Azidose
Cystin
  • Rückresorptions­störung von Aminosäuren
Xanthin
  • genetischer Defekt der Xanthinoxidase
  • Allopurinoltherapie

Wie sich eine Urolithiasis bemerkbar macht

Die meisten Harnsteine sind so klein, dass der Körper sie über den Urin ausscheiden kann und der Patient nichts von ihrer Existenz ahnt. Wenn die Steine jedoch eine gewisse Größe erreicht haben, können sie in den Harnwegen steckenbleiben und den Harnfluss einschränken. Scharfkantige Steine können auch an der Organwand reiben und dort Reizungen bzw. Verletzungen verursachen [3]. Die Folgen sind heftige, krampfartige Schmerzen (Koliken), die zeitweise aussetzen, dann aber zyklisch wiederkehren und über 20 bis 60 Minuten andauern können [7]. Sind die Schmerzen in der Flanke oder im Nierenbereich lokalisiert und strahlen über den Bauch aus, dann deutet dies auf Steine im Bereich der oberen Harnleiter oder des Nierenbeckens hin. Schmerzen, die entlang des Harnleiters bis in das Skrotum bzw. die Schamlippen ausstrahlen, sind Zeichen für eine Obstruktion im Bereich der unteren Harnleiter. Schmerzen oberhalb des Schambeins zusammen mit Harndrang und häufigem Wasserlassen können Zeichen für einen Stein im distalen Harnleiterbereich oder einen Blasenstein sein [7].

Die Koliken können von schmerzbedingter Übelkeit und Erbrechen begleitet sein. Häufig sind die Patienten blass, verschwitzt und auffällig unruhig, oder sie laufen umher und versuchen, sich durch ständige Veränderung der Körperhaltung Erleichterung zu verschaffen [3]. Weitere mögliche Symptome bzw. Komplikationen sind Blut im Urin (Hämat­urie), Harnwegsinfektionen mit Fieber und gestörter, schmerzhafter Blasenentleerung (Dysurie) sowie Harnstau, der mit einer Nierenbeckenentzündung und/oder einer Erweiterung bis hin zum Einriss des Nierenbeckens einhergehen kann [2, 7]. Es gibt auch Patienten, die über einen ständigen Harndrang klagen, dann aber nur kleine Mengen Urin lassen können (Pollakisurie) [3]. Eine Sepsis der Harnwege (Urosepsis) ist ebenfalls eine mögliche Komplikation, die mit hoher Sterblichkeit verbunden ist [2, 7].

Wie wird eine Harnsteinerkrankung diagnostiziert?

Besteht aufgrund von Symptomen der Verdacht, dass eine Urolithiasis vorliegen könnte, wird der behandelnde Arzt zunächst eine Anamnese sowie eine körperliche Untersuchung durchführen [3, 5]. Verstärken sich dann die Hinweise auf einen vorhandenen Harnstein, erfolgt die labor­diagnostische Analyse einer Urin- und Blutprobe. Die Untersuchung des Urins kann Aufschluss über einen bakteriellen Harnwegsinfekt geben. Auch kleinste Mengen Blut (Mikrohämaturie) sowie kristalline Substanzen können im Harn nachgewiesen werden. Die Blutprobe gibt unter anderem Auskunft über den Harn­säuregehalt, den Elektrolytstatus (z. B. Kalium- und Phosphatwert), den pH-Wert, den Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) als Hinweis auf eine mögliche Infektion sowie die Retentionsparameter Kreatinin und Harnstoff, die eine Beurteilung der Nierenleistung ermöglichen.

Neben Anamnese, körperlicher Untersuchung und Bestimmung der relevanten Laborparameter, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Urologie in ihren aktuellen S2k-Leitlinien zur Diagnostik, Therapie und Nachbehandlung (Metaphylaxe) der Urolithiasis, bei Patienten mit Verdacht auf Harnstein eine bildgebende Diagnostik durchzuführen [1]. Ziele sind hier unter anderem der Nachweis bzw. Ausschluss eines Steins sowie gegebenenfalls die Bestimmung von dessen Lage und Größe. Dabei ist die Ultraschalluntersuchung (Sonografie) das bildgebende Verfahren der ersten Wahl, und zwar sowohl bei der allgemeinen Diagnose als auch für Untersuchungen in der Akut- sowie der Nachsorgesituation. Damit lassen sich Harnleitersteine und Nierensteine ab einer Größe von > 5 mm mit hoher Sensitivität von bis zu 96% nachweisen. Die Ultraschalluntersuchung ist zudem strahlungsfrei und einfach durchzuführen. Die Computertomografie (CT) ohne Kontrastmittel wird wegen ihrer hohen Sensitivität und Spezifität als weiterführende Standarddia­gnostik bei Verdacht auf Harnsteine empfohlen. Damit können die Steindichte sowie andere Eigenschaften des Steins abgeschätzt werden. Wird ein Kontrastmittel eingesetzt, gibt die CT-Untersuchung darüber hinaus Hinweise auf die Anatomie und Funktion des Harntraktes. Auch eine Röntgenuntersuchung ohne Kontrastmittel kann zur Steindia­gnostik sowie zur Therapiekontrolle oder im Rahmen der Nachsorge hilfreich sein. Wenn die Indikation für eine sogenannte Harnableitung besteht, dann sollte im Vorfeld eine Ureteropyelografie durchgeführt werden [1]. Hierbei wird dem Patienten ein Kontrastmittel über einen Katheter verabreicht. Dadurch lassen sich Harnleiter und Nierenbecken dann sehr gut per Röntgenuntersuchung darstellen.

Wie Harnsteine behandelt werden

Konservative Therapie

Viele Harnsteine bis zu einer gewissen Größe können über den Harnleiter in die Harnblase gespült und von dort mit dem Urin ausgeschwemmt werden. Gemäß der aktuellen Leitlinie der DGU sollte man daher bei Patienten mit neu diagnostiziertem Harnleiterstein in einer Größe von bis zu 7 mm den Spontanabgang unter regelmäßiger Kontrolle zunächst abwarten [1]. In der vorherigen Version der Leitlinien aus dem Jahr 2015 wurde dies nur für Steindurchmesser bis zu 5 mm empfohlen [8]. Im Rahmen der konservativen Behandlung kann die Steigerung der Trinkmenge die Ausschwemmung des Steins unterstützen, da sie zur vermehrten Diurese und damit zum erhöhten Harnfluss beiträgt, was wiederum die Chance eines spontanen Steinabgangs erhöht. Körperliche Bewegung hilft, die Steine im Harnleiter weiterzubefördern, und kann so ebenfalls zum Abgang beitragen [5]. Bei Patienten, deren Harnleiterstein konservativ behandelt wird, sollten alle ein bis zwei Wochen regelmäßige Verlaufskontrollen mit Überprüfung auf Schmerzmittel­bedarf, Infektzeichen, Harntransportstörung und Nierenfunktion durchgeführt werden [1]. Bei Patienten, die an Nierensteinen leiden, empfiehlt die DGU-Leitlinie, diese aktiv zu überwachen, wenn keine Symptome vorhanden sind und auch keine Indikation für eine interventionelle Steinbehandlung besteht oder diese abgelehnt wird. Eine solche aktive Überwachung beinhaltet eine jährliche klinische und bildgebende Untersuchung (Sonografie und/oder Nierenleeraufnahme oder CT) [1].

Supportive Arzneimitteltherapie

Eine unterstützende medikamentöse Behandlung (Medical Expulsive Therapy, MET) mit Alphablockern, z. B. Tamsulosin, Doxazosin, Alfozosin, Terazosin oder Silodosin, kann den spontanen Abgang vor allem von größeren Steinen in allen Abschnitten des Harnleiters fördern. Die positive Wirkung der Therapie beruht darauf, dass der adrenerge Einfluss auf die glatte Muskulatur des Harnleiters gesenkt wird, was zu deren Relaxation führt. In einer Metaanalyse von 55 kontrollierten Studien an fast 6000 Patienten wurde gezeigt, dass durch die Therapie mit verschiedenen Alphablockern die Wahrscheinlichkeit eines Steinabgangs um durchschnittlich 49% reduziert werden konnte [9]. Dabei profitierten insbesondere Patienten mit Harnsteinen in einer Größe von 5 bis 10 mm. Auch die Zeit der Steinpassage verkürzte sich um 3,7 Tage und die Anzahl der Schmerzepisoden konnte verringert werden ebenso wie das Risiko für chirurgische Interventionen und Hospitalisierungen. Die Lokalisation der Steine spielte für die Wirksamkeit der Behandlung keine Rolle [9]. Vor Therapiebeginn müssen die Patienten jedoch zuvor auf den Off-Label-Gebrauch der Alphablocker bei dieser Indikation und auf mögliche Nebenwirkungen wie retrograde Ejakulation oder Hypotonie hingewiesen werden [1].

Schmerztherapie

Treten aufgrund der Harnsteine akute Schmerzen auf, dann ist eine sofortige adäquate Schmerztherapie notwendig, die den entsprechenden Vorgaben zur analgetischen Stufentherapie folgt [1]. Ziel dabei ist es, im Ruheintervall die Schmerzen auf einen Wert von ≤ 3 und während einer Kolikepisode auf einen Wert von ≤ 5 auf der numerischen Schmerzskala zu reduzieren [1]. Gemäß einer neuen Empfehlung der aktuellen DGU-Leitlinie sind dabei die Nicht-Opioide Metamizol, Paracetamol und Diclofenac (bei normaler Nierenfunktion) wegen der höheren Effektivität und geringerer Nebenwirkungen den Opioiden vorzuziehen [1]. Die Schmerzen lassen sich unter Umständen auch durch Wärmeanwendungen wie heiße Bäder lindern [3].

Harnableitung

Wenn die konservative Therapie nicht zum Erfolg führt, die Koliken medikamentös nicht beherrschbar sind, eine starke Verengung mit einer Harnstauungsniere oder postrenalem Nierenversagen vorliegen oder eine Infektion der Niere mit Fieber und Anstieg der Entzündungsparameter nachweisbar ist, dann ist eine Harnableitung indiziert, um den Urinabfluss zu sichern und den Harnleiter vor Verletzungen durch abgehende Steinteilchen zu schützen [1, 5]. Ein mögliches Verfahren ist hier die Harnleiterschienung. Dabei wird ein dünner Kunststoffschlauch (Doppel-J-Katheter) mittels Blasenspiegelung (Zystoskopie) an der blockierten Stelle vorbei bis in die Niere geschoben, sodass der Harn darüber nach außen abfließen kann [3]. Eine Alternative zu diesem Vorgehen, die gemäß der aktuellen DGU-Leitlinie gleichwertig ist, bietet die perkutane Nephrostomie [1]. Dabei wird der Urin über einen sogenannten Nephrostomie-Katheter nach außen abgeleitet. Dies ist ein Kunststoffschlauch, der unter lokaler Betäubung oder Narkose über die Haut unter Umgehung der Harnwege bis in das Nierenbecken geschoben wird.

Entfernung des Harnsteins

Wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass der Harnstein spontan abgeht, wenn die Möglichkeiten der Schmerzbehandlung ausgeschöpft sind oder wenn die Verengung des Harnwegs durch den Stein längerfristig anhält, dann empfiehlt die DGU in ihrer Leitlinie, den Stein zu entfernen (Abb. 2) [1]. Gegebenenfalls sollte vorher eine akute Harnwegsinfektion behandelt werden und bei Patienten mit klinisch signifikanter Infektion und Verengung eine mehrtägige Harnableitung durchgeführt werden [1].

Abb. 2: Vorgehensweise bei der Entfernung von Harnleitersteinen (A) bzw. Nierensteinen (B), (nach [1]).

Eine Möglichkeit, Harnsteine zu entfernen, ist die extra­korporale Stoßwellenlithotripsie (Schockwellenlithotripsie, ESWL). Nach Lokalisierung des Steins im Ultraschall- oder Röntgenbild werden energiereiche Schallwellen mit einer Frequenz von 1,0 bis 1,5 Hz über eine Schallsonde von außen auf den Harnstein abgegeben, der dadurch in kleinste Teile zertrümmert wird [4, 5, 10]. Die Bruchstücke werden dann über den Harn ausgeschieden. Durch dieses Verfahren lassen sich vor allem kleinere Harnsteine bis zu einem Durchmesser von 10 mm, die sich im proximalen Harnleiter befinden, gut entfernen [1, 5]. Auch endoskopische Verfahren können bei der Therapie von Harnsteinen zum Einsatz kommen. So wird im Rahmen der Ureterorenoskopie (URS) zur Lokalisation eines Harnleiter- oder Nierensteins ein Endoskop über die Harnröhre und die Harnblase bis in den Harnleiter oder auch die Niere geschoben [1, 3, 5]. Gleichzeitig werden feine Instrumente mit eingeführt. Kleinere Steine können direkt mit einer kleinen Zange entfernt werden. Größere Harnsteine werden zunächst mechanisch oder mithilfe einer Lasersonde zertrümmert, bevor die entstandenen Bruchstücke beseitigt werden können. Eine Ureterorenoskopie wird z. B. häufig bei Harnleitersteinen eingesetzt, die im distalen oder mittleren Harnleiter lokalisiert sind und einen größeren Durchmesser zwischen 10 bis 20 mm aufweisen. Auch bei Nierensteinen bis 20 mm erzielt das Verfahren gute Ergebnisse. Bei Nierensteinen mit einem Durchmesser > 20 mm ist die perkutane Nephrolithotomie (PCNL) das Verfahren der ersten Wahl. Dabei wird das Endoskop nicht über den Harnleiter wie beim URS, sondern über einen Hautschnitt unter Sonografie- bzw. Röntgenkontrolle bis in die Niere eingeführt. Auch bei diesem Verfahren können die Steine in der Niere z. B. mit der Lasersonde zerkleinert und dann entfernt werden. Der Eingriff kann in Lokal­anästhesie oder in einer Vollnarkose durchgeführt werden.

Wie ein (Wieder-)Auftreten von Harnsteinen vermieden werden kann

Rund 50% der Patienten, die einmal einen Harnstein hatten, erleiden ein Rezidiv [2]. Bei einem Teil der Harnstein-Patienten ist das Risiko für eine erneute Steinbildung besonders hoch. Dies ist z. B. der Fall, wenn Steine bereits im Kindes- oder Jugendalter aufgetreten sind oder wenn ein gehäuftes Steinleiden in der Familie nachweisbar ist. Bestimmte Steine (z. B. harnsäurehaltige Steine, Brushit-Steine, Infekt-Steine) sowie mit der Steinbildung assoziierte Erkrankungen (z. B. Hyperparathyreoidismus, metabolisches Syndrom, Zystin­urie) weisen ebenfalls auf ein erhöhtes Rezidivrisiko hin [1]. Patienten mit häufig rezidivierender Steinbildung (≥ drei Steine innerhalb von drei Jahren) werden allerdings in der aktuellen DGU-Leitlinie nicht mehr zur Hochrisikogruppe der Harnsteinbildner gerechnet [1].

Da das weitere Vorgehen davon abhängt, empfiehlt die DGU-Leitlinie, jeden Patienten entsprechend seinem Rezidivrisiko der Niedrig- oder Hochrisikogruppe zuzuordnen (Abb. 3) [1, 5]. Die Grundlage hierfür bildet die Basisdiagnostik aus Anam­nese, körperlicher Untersuchung, Laboruntersuchung und Bildgebung sowie eine Harnsteinanalyse per Infrarotspektroskopie, Polarisationsmikroskopie oder Röntgendiffraktionsanalyse [1, 5]. Es wird empfohlen, die Zusammensetzung des Harnsteins bei jedem Patienten zu bestimmen, wobei nach einem Rezidiv eine erneute Steinanalyse erforderlich ist [1]. Patienten, die konservativ behandelt werden, sollten daher auch beim Wasserlassen abgehende Harnsteine per Sieb oder Filter auffangen, damit deren Analyse möglich ist. Werden Patienten nach Basisdiagnostik und Steinanalyse der Niedrigrisikogruppe zugeordnet, benötigen sie keine weitere Abklärung. Bei Patienten der Hochrisikogruppe ist demgegenüber eine erweiterte metabolische Diagnostik erforderlich. Gemäß der aktuellen DGU-Leitlinie gehört hierzu neben einer Blutuntersuchung die Auswertung mindestens zweier korrekt gewonnener 24-Stunden-Sammelurine [1].

Abb. 3: Algorithmus zur Risikoeinschätzung der Harnsteinbildung [1].

Tab. 2: Empfohlene allgemeine Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe von Harnsteinen (nach [1 – 3]).
Maßnahme
Umsetzung/Konsequenz
Flüssigkeitszufuhr
  • Steigerung der Trinkmenge auf 2,5 bis 3 l/Tag, um ein Harnvolumen von 2,0 bis 2,5 l/Tag zu erreichen. So werden die Mineralsalze nicht ausgefällt und können keine Kristalle bilden.
  • Trinkmenge sollte über 24 Stunden verteilt werden, um Konzentrationsspitzen der steinbildenden Substanzen zu vermeiden.
  • Bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko oder bei Dialysepatienten sind möglicherweise individuelle Flüssigkeitsmengen zu beachten.
  • Harnsäuernde Getränke wie Apfelsaft oder Grapefruitsaft sollten vermieden werden. Auch zuckergesüßte Softdrinks erhöhen das Steinbildungsrisiko und sind daher zur Trinkprophylaxe nicht geeignet.
Ernährung
  • Empfohlen wird eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung mit hohem Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Salaten und Getreideprodukten.
  • Salzhaltige Speisen und Süßigkeiten sollten nur in geringen Mengen gegessen werden.
  • Menschen mit Harnsäure-Steinen sollten nur wenig Purin-haltige Nahrungsmittel zu sich nehmen, da der Körper Purin zu Harnsäure abbaut. Einen hohen Gehalt an Purinen haben z. B. Fleisch, Wurstwaren, Innereien und einige Fische.
  • Oxalsäurehaltigen Steinen kann vorgebeugt werden, wenn oxalatreiche Lebensmittel wie Spinat, Mangold, Rote Beete, Rhabarber, Nüsse, Schokolade, Kakao(pulver) und Kaffee vermieden bzw. reduziert werden.
Lebensführung
  • Regelmäßige körperliche Aktivität wird empfohlen.
  • Bei Übergewicht sollte eine Gewichtsnormalisierung angestrebt werden.
  • Gegebenenfalls sollten stressabbauende Maßnahmen durchgeführt werden.

Um einem Rezidiv vorzubeugen, werden eine Reihe von allgemeinen Maßnahmen empfohlen, die die Flüssigkeitszufuhr, die Ernährung und die Lebensführung betreffen (Tab. 2) [1 – 3]. Bei Hochrisikopatienten ist darüber hinaus eine gezielte Rezidivprophylaxe (Metaphylaxe) erforderlich. Diese kann neben einer Steinart-spezifischen Ernährungsumstellung auch die Gabe bestimmter Medikamente umfassen. So ist ‒ je nach Art des Harnsteins und dem Ergebnis der erweiterten metabolischen Abklärung ‒ unter Umständen eine Ansäuerung mit L-Methionin oder eine Alkalisierung des Urins mittels Alkali­citraten bzw. Natriumhydrogencarbonat-Präparaten (bei Niereninsuffizienz oder Elektrolytstörungen) indiziert [1, 5]. Bei Patienten mit erheblich erhöhter Calciumausscheidung kann diese durch die Gabe eines Thiaziddiuretikums wie Chlorthalidon oder Indapamid korrigiert werden [1]. Bei Steinen, die sich infolge eines Harnwegsinfekts gebildet haben, ist eine adäquate Anti­biotikatherapie notwendig [1]. |

Auf einen Blick

  • Die Harnsteinerkrankung (Urolithiasis) ist mit einer Prävalenz von ca. 6% in Deutschland ein häufiges Leiden.
  • Es werden je nach Lage der Steine sowie nach deren chemischer Zusammensetzung verschiedene Formen unterschieden.
  • Falsche Ernährung und zu geringe Flüssigkeitszufuhr, Bewegungsmangel und Übergewicht, genetische Veranlagung, hohes Alter, männliches Geschlecht und bestimmte Erkrankungen sind wichtige Risikofaktoren.
  • Viele Steine sind asymptomatisch. Treten Beschwerden auf, sind kolikartige Schmerzen, die im Bereich von Rücken, Flanken und Unterbauch bis hin zu den Genitalien auftreten können, Leitsymptom.
  • Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese, klinische Untersuchung, Laboruntersuchungen sowie bildgebende Verfahren, insbesondere die Sonografie.
  • Die Therapie erfolgt häufig konservativ, das heißt, der Spontanabgang des Steins wird unter Kontrolle abgewartet. Dabei können eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme, regelmäßige Bewegung und bestimmte Arzneimittel die Ausschwemmung des Steins unterstützen.
  • Reicht dies nicht aus, können eine Harnableitung bzw. eine Entfernung des Harnsteins mittels Stoßwellen­lithotripsie oder endoskopischer Verfahren notwendig werden.
  • Allgemeine Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe betreffen Flüssigkeitszufuhr, Ernährung und Lebens­führung. Bei Hochrisikopatienten werden eine spezifische metabolische Untersuchung sowie ein auf die jeweiligen Ergebnisse abgestimmtes Vorbeugungs­konzept empfohlen. Dies kann auch die Einnahme bestimmter Arzneimittel beinhalten.

Literatur

 [1] Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), Stand Mai 2019, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-025l_S2k_Diagnostik_Therapie_Metaphylaxe_Urolithiasis_2019-07_1.pdf

 [2] Urolithiasis. DocCheck-Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Urolithiasis#Klinik

 [3] Harnsteine – Symptome, Behandlung und Medizinische Experten. Deutscher Verlag für Gesundheitsinformation GmbH, www.leading-medicine-guide.de/erkrankungen/urogenital/harnsteine

 [4] Preminger GM et al. Steine im Harnweg. www.msdmanuals.com/de-de/heim/nieren-und-harnwegserkrankungen/steine-im-harnweg/steine-im-harnweg#v1156952_de, MSD Manual

 [5] Urolithiasis. Amboss, www.amboss.com/de/wissen/Urolithiasis

 [6] Harnsteinarten und ihr Aussehen. Informationen des Harnstein­analysezentrums Bonn, www.harnsteinanalysezentrum-bonn.de/harnsteinarten.html

 [7] Preminger GM et al. Harnsteine. www.msdmanuals.com/de-de/profi/urogenitaltrakt/harnsteine/harnsteine, MSD Manual

 [8] Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU), Stand 2015

 [9] Hollingsworth JM, Canales BK, Rogers MAM, Sukumar S, Yan P, Kuntz GM, Dahm P. Alpha blockers for treatment of ureteric stones: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;355

[10] Behandlung von Nieren- und Harnleitersteinen. Informationen des Instituts für, Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), www.gesundheitsinformation.de/behandlung-von-nieren-und-harnleitersteinen.2674.de.html?part=behandlung-6n

[11] Steinleiden: Steinformen und Steinlage. www.medizinfo.de/nieren/nierensteine/steinlage.shtml

Autor

Stefan Oetzel hat Biologie (Diplom) an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sowie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen studiert. Im Anschluss absolvierte er eine Weiter­bildung zum Fachzeitschriftenredakteur beim Ernst Klett Verlag in Stuttgart. Seit 1998 arbeitet er als freiberuflicher Medizinjournalist.

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