Arzneimittel und Therapie

Plus drei bei Herzinsuffizienz

Umfassende Kombinationstherapie kann bei reduzierter Ejektionsfraktion vorteilhaft sein

Von Ina Richling und Christian Fechtrup | Ein indirekter Vergleich von drei Studien legt nahe, dass der zusätzliche Einsatz von drei neueren Wirkstoffen im Vergleich zur herkömmlichen Therapie die Prognose von Patienten mit einer reduzierten Ejektionsfraktion (HFrEF) weiter verbessert.

Die leitliniengerechte Therapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) hat sich in den letzten Jahrzehnten immer weiterentwickelt und setzt den Einsatz von Arzneistoffen aus mehreren Wirkstoffklassen voraus. ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB, Sartane) in Kombination mit bestimmten Betablockern bilden die Grundlage der evidenzbasierten Therapie.

In placebokontrollierten Studien haben Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA, Aldosteron-Antagonisten), Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane) plus Neprilysin-­Inhibitor (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor, ARNI) sowie Inhibitoren des Natrium-Glucose-Kotransporters 2 (SGLT-2-Inhibitoren, Gliflozine) zusätzliche Vorteile bei Patienten mit HFrEF gezeigt. Verglichen mit einer konventionellen Therapie (ACE-Hemmer oder ARB plus Betablocker) haben randomisierte kontrollierte Studien gezeigt, dass die Hinzunahme eines Vertreters einer der drei Wirkstoffklassen (MRA, ARNI, SGLT-2-Inhibitoren) die Mortalität von Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion senken [1 – 4]. Der Einsatz von Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten und SGLT-2-Inhibitoren zusätzlich zur Standardtherapie zeigte eine Überlegenheit verglichen mit Placebo, ARNI wurde im direkten Vergleich gegen ACE-Hemmer getestet.

Da diese Wirkstoffe jedoch im Allgemeinen parallel und nicht gemeinsam getestet wurden, sind die additiven Vorteile der Kombination dieser Therapien unbekannt. Darüber hinaus ist der Einsatz von ARNIs, MRAs und auch SGLT-2-Inhibitoren in der klinischen Praxis noch nicht ausreichend implementiert. Trotz der Vorteile haben reale Daten gezeigt, dass bei HFrEF-Patienten diese Wirkstoffklassen trotz fehlender Kontraindikationen zu selten eingesetzt werden [5 – 9].

Eine Studiengruppe vom Brigham and Womenʼs Hospital der Harvard Medical School aus Boston ist nun der Frage nachgegangen, welche lebenslangen Behandlungsvorteile sich aus einer umfassenden krankheitsmodifizierenden pharmakologischen Therapie mit Einsatz aller indizierten Wirkstoffklassen bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion ergeben [10].

Leitliniengerechte Therapie der Herzinsuffizienz

Neurohormonale Antagonisten wie ACE-Hemmer, MRA und Betablocker verbessern das Überleben bei Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion und werden für die Behandlung aller dieser Patienten mit empfohlen, sofern sie vertragen werden und nicht kontraindiziert sind.

Die ESC-Leitlinie Herzinsuffizienz aus 2016 [11] empfiehlt somit den Einsatz eines ACE-Hemmers in Kombination mit einem Betablocker für alle Patienten mit symptomatischer HFrEF (NYHA-Klasse II-IV). Ein MRA soll erst dann eingesetzt werden, wenn Patienten trotz der Kombination aus ACE-Hemmer und Betablocker noch symptomatisch bleiben. Diuretika werden zu jedem Zeitpunkt der Therapie bei Patienten mit Stauungszeichen zur Symptomverbesserung empfohlen. Die Kombination aus Sacubitril und Valsartan (ARNI) wird in der Leitlinie erst dann empfohlen, wenn Patienten trotz optimaler Therapie aus ACE-Hemmer, Betablocker und MRA symptomatisch bleiben. Ivabradin kommt dann zum Einsatz, wenn Patienten noch eine erhöhte Ruhe-­Herzfrequenz ≥ 70/min haben oder wenn eine Kontraindikation für einen Betablocker vorliegt. Für Angiotensin-­Rezeptorblocker (ARB) ist eine Senkung der Sterblichkeit bei Patienten mit HFrEF nicht konsistent belegt, weshalb die Leitlinie den Einsatz auf Patienten beschränkt, die einen ACE-Hemmer nicht vertragen. Digoxin kann bei Patienten im Sinusrhythmus erwogen werden, wenn sie trotz Behandlung mit einem ACE-Hemmer (oder Angiotensin-­Rezeptorblocker), einem Betablocker und einem MRA symptomatisch bleiben, um die Herzinsuffizienz-bedingte und allgemeine Hospitalisierungsrate zu senken (s. Abb. 1). Daneben kommt Digitalis zur Bremsung der Überleitungsfrequenz bei Vorhofflimmern in Betracht.

Abb. 1: Algorithmus für die pharmakotherapeutische Behandlung bei Patienten mit HFrEF (nach ESC Guidelines Herzinsuffi­zienz Version 2016 [11])

SGLT-2-Inhibitor bei nichtdiabetischen Herzinsuffizienzpatienten

Zurzeit sind die beiden SGLT-2-Inhibitoren Empagliflozin und Dapagliflozin in Deutschland nur zugelassen für die Therapie bei erwachsenen Patienten mit unzureichend kontrolliertem Typ-2-Diabetes in Ergänzung zu einer Diät und körperlichem Training – entweder als Monotherapie, wenn Metformin nicht gegeben werden kann, oder zusätzlich zu anderen Typ-2-Antidiabetika. In reduzierter Dosis von 5 mg ist Dapagliflozin auch für die Behandlung von schlecht kontrollierten Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 in Ergänzung zu Insulin zugelassen. Allerdings hat Dapagliflozin bei Patienten mit HFrEF in der internationalen, randomisierten, Doppelblindstudie DAPA-HF (Dapagliflozin and Prevention of Adverse-outcomes in Heart Failure) [4] gezeigt, dass – unabhängig vom Vorhandensein eines Diabetes mellitus Typ 2 – die kardiovaskuläre Mortalität sowie Krankenhauseinweisungen wegen sich verschlechternder Herzinsuffizienz signifikant reduziert werden konnten. Seit dem 5. Mai 2020 ist daher Dapagliflozin in den USA zugelassen bei Patienten mit Herzinsuffizienz, unabhängig ob sie an Diabetes erkrankt sind oder nicht. Schon frühere Studien (DECLARE und EMPA-REG) haben gezeigt, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes, die mit einem SGLT-2-Inhibitor behandelt werden, prognostische Vorteile im Hinblick auf Hospitalisierungsrate und Gesamtmortalität haben.

Die Analyse

Die Cross-Trial-Analyse umfasste Daten auf Patientenebene aus drei zentralen klinischen Studien mit insgesamt über 15.000 Patienten mit HFrEF (davon 78% Männer):

  • EMPHASIS-HF (Aldosteron-Antagonist [MRA] Eplerenon vs. Placebo zusätzlich zu ACE-Hemmer/ARB und Beta­blocker, medianes Follow-up 21 Monate) [1].
  • PARADIGM-HF (ARNI Valsartan/Sacubitril vs. ACE-Hemmer Enalapril; Basistherapie bestehend aus Betablocker und Aldosteronantagonist, medianes Follow-up 27 Monate) [3].
  • DAPA-HF (SLGT-2-Inhibitor Dapagliflozin vs. Placebo zusätzlich zu ACE/ARB/ARNI, Betablocker und Aldosteron-Antagonist [MRA], medianes Follow-up 18 Monate) [4].

Anhand dieser Studiendaten mit einem medianen Follow-up von weniger als drei Jahren haben die Forscher versucht, den kumulativen Nutzen aller eingesetzten Wirkstoffe im Vergleich zur konventionellen Therapie unter Verwendung indirekter Vergleichsmethoden abzuschätzen. Die statistisch-mathematische Analyse projizierte den langfristigen Nutzen der Therapien, wenn sie ein Leben lang angewendet werden würden.

Mit der neuen Analyse wurde der Effekt auf eine Reihe von Endpunkten wie kardiovaskulärer Tod, Krankenhaus­einweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz und Gesamtmortalität neu abgeschätzt.

Vorsicht beim Wechsel von ­ACE-­Hemmer auf ARNI

Die Behandlung mit der Kombination Sacubitril/Valsartan (ARNI) darf erst 36 Stunden nach Einnahme der letzten Dosis einer ACE-Hemmer-Therapie begonnen werden. Die gleichzeitige Anwendung ist kontraindiziert, da die gleichzeitige Hemmung von Neprilysin und ACE das Risiko für ein Angioödem erhöhen kann. Eine ACE- Hemmer-Therapie darf auch erst frühestens 36 Stunden nach der letzten Sacubitril/Valsartan-Dosis begonnen werden (Fachinformation Entresto®). Der Wechsel von einem Angiotensin-II-Rezeptorblocker zu Sacubitril/Valsartan kann direkt erfolgen.

Im Vergleich zur konventionellen Therapie (Betablocker und ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker) ergab die umfassende Therapie (Kombination eines ARNI-, Betablocker-, MRA- und SGLT-2-Hemmers) eine klare Überlegenheit bei dem primären Endpunkt kardiovaskulärer Tod oder Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz (Hazard Ratio [HR] 0,38, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,30 bis 0,47). Auch für jeden einzelnen dieser Endpunkte schnitt die Kombinationstherapie besser ab: Die HR für die kardiovaskuläre Mortalität betrug 0,50 (95%-KI 0,37 bis 0,67), für durch Herzinsuffizienz bedingte Krankenhausaufnahmen 0,32 (0,24 bis 0,43) und für die Gesamtmortalität 0,53 (0,40 bis 0,70).

Über einen Zeitraum von drei Jahren betrug die geschätzte absolute Risikoreduktion 18 bis 25%, wobei eine Zahl von vier bis sechs Ereignissen zu behandeln wäre, um ein Ereignis zu verhindern (Number needed to treat, NNT = 4 bis 6). Bei lebenslangem Einsatz und unter der Annahme eines konsistenten Behandlungsnutzens deutet diese explorative Analyse darauf hin, dass ein Patient im Alter von 80 Jahren mit der umfassenden Therapie 2,7 zusätzliche Jahre ohne ein primäres Endpunkt­ereignis (kardiovaskulärer Tod, Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz) gewinnt und weitere 1,4 Jahre überleben (Gesamtmortalität) würde. Diese Ergebnisse stiegen für einen Patienten im Alter von 55 Jahren auf 8,3 bzw. 6,3 zusätzliche Jahre. |

Literatur

 [1] EMPHASIS: Zannad F, McMurray JJV, Krum H et al. Eplerenone in patients with systolic heart failure and mild symptoms. N Engl J Med 2011;364:11-21

 [2] Pitt B, Zannad F, Remme WJ et al. The effect of spironolactone on morbidity and mortality in patients with severe heart failure. N Engl J Med 1999;341:709-17

 [3] PARADIGM: McMurray JJVV, Packer M, Desai AS et al. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014;371:993-1004

 [4] DAPA-HF: McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE et al. Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2019;381:1995-2008.

 [5] Greene SJ, Butler J, Albert NM et al. Medical therapy for heart failure with reduced ejection fraction: the CHAMP-HF registry. J Am Coll Cardiol 2018;72:351-66

 [6] Komajda M, Schöpe J, Wagenpfeil S et al. Physicians’ guideline adherence is associated with long-term heart failure mortality in outpatients with heart failure with reduced ejection fraction: the QUALIFY international registry. Eur J Heart Fail 2019;21:921-29

 [7] Brunner-La Rocca HP, Linssen GC, Smeele FJ et al. Contemporary drug treatment of chronic heart failure with reduced ejection fraction: the CHECK-HF registry. JACC Hear Fail 2019;7:13-21

 [8] Vaduganathan M, Fonarow GC, Greene SJ et al. Contemporary treatment patterns and clinical outcomes of comorbid diabetes mellitus and HFrEF: the CHAMP-HF registry. JACC Heart Fail 2020; published online 6. Mai 2020. DOI:10.1016/j.jchf.2019.12.015

 [9] Greene SJ, Fonarow GC, DeVore AD et al. Longitudinal titration of medical therapy for heart failure with reduced ejection fraction: CHAMP-HF registry. J Am Coll Cardiol 2019;73:2365-83

[10] Vaduganathan M et al. Estimating lifetime benefits of comprehensive disease- modifying pharmacological therapies in patients with heart failure with reduced ejection fraction: a comparative analysis of three randomised controlled trials. Lancet 2020, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30748-0

[11] ESC Pocket Guidelines. Herzinsuffizienz. Version 2016, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz-und Kreislaufforschung e. V., Boerm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald, 2. Auflage 2017, Kurzfassung der „ESC Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure“ European Heart Journal 2016 , doi: 10. 1093/eurheartj/ehw128

Autoren

Ina Richling, PharmD, Apothekerin in der Zentralapotheke der Katholischen Kliniken im Märkischen Kreis, Iserlohn; Leitung des Projekts „Renal Pharmacist“ zur Etablierung eines klinischen Pharmazeuten für die Betreuung niereninsuffizienter Patienten auf Station; Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Apothekerkammer Westfalen-Lippe; Tutorin und Mitinitiatorin des Projektes „ATHINA – Arzneimitteltherapie­sicherheit in Apotheken“; Mitglied der Kommission Arzneimitteltherapie-Management (AMTM) und Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM); Herausgeberin des Buches Medikationsanalyse – Grundlagen und Fallbeispiele

Dr. med. Christian Fechtrup hat von 1981 bis 1987 in München und New­castle-upon-Tyne (GB) Medizin studiert; Ausbildung zum Arzt für Innere Medizin sowie zum Kardiologen und Angiologen an der Universitätsklinik Münster (Medizinische Klinik, Prof. Dr. Breithardt); Mitglied der Deutschen und Europä­ischen Gesellschaft für Kardiologie; niedergelassen in fachübergreifender internistischer Gemeinschaftspraxis in Münster seit 1998

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