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„Wir sind keine Apotheker-Partei“
Wie FDP-Chef Lindner um Wähler ringt und sich gleichzeitig von jeglicher Klientel lösen will
Einst galt die FDP als Partei für Selbstständige und Freiberufler. Unter dem derzeitigen Parteichef Christian Lindner rückt die Partei aber immer weiter von einer bestimmten Gruppe der Selbstständigen ab: den Apothekern.
Das Verhältnis zwischen dem Berufsstand und den Liberalen hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert. Auslöser war die Diskussion zum FDP-Parteiprogramm für die Bundestagswahl 2017: Damals beschloss die Partei, die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes ins Wahlprogramm aufzunehmen. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung stellte sich Parteichef Christian Lindner zudem mehrfach gegen die Forderung der Apotheker nach einem Rx-Versandverbot. Vielmehr sollten inhabergeführte Apotheken und in- und ausländische Versandapotheken künftig gleich fair behandelt werden, heißt es im Wahlprogramm von 2017.
Parteiinterne Kritik an Lindners Kurs
Der Beschluss zum Wahlprogramm war auch innerhalb der Partei umstritten – der Ombudsmann musste sich einschalten, weil die parteiinternen Kritiker sich gegen eine Deregulierung des Apothekenmarktes stemmten. Lindner stellte aber deutlich klar, auf welcher Seite er steht. In einem Interview mit der „Zeit“ (2017) erklärte er ohne eine konkrete Frage des Journalisten von sich aus: „Übrigens, kennen Sie die Position der FDP zum Versandhandel von Medikamenten?“ Sie sei die einzige Partei, „die klar für den Versand verschreibungspflichtiger Medikamente ist.“
Diese deutliche Abgrenzung zu den Apothekern hat Lindner beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart am 6. Januar erneut herausgestellt. Lindner attackierte in seiner Rede insbesondere die derzeitigen politischen Ausrichtungen der SPD und der Grünen und brachte seine Partei als neue „Alternative der politischen Mitte“ ins Spiel. Der FDP-Chef wörtlich: „Möge in den Medien geschrieben werden, die FDP sei die neue Arbeiter- und Bauernpartei. Ich habe mir nie träumen lassen, einmal Vorsitzender einer Arbeiter- und Bauernpartei zu sein. Es stimmt auch nicht. Wir sind keine Arbeiter- und Bauernpartei, so wenig wir eine Apotheker- und Unternehmerpartei sind. Wir sind eine Partei der politischen Mitte.“
In der Bundestagsfraktion der FDP scheint man die Bedeutung der Apotheker dagegen anders einzuschätzen als an der FDP-Parteispitze. Im DAZ.online-Geschichtentaxi erklärte der FDP-Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Andrew Ullmann, dass die Lockerung des Fremdbesitzverbotes derzeit keine Rolle spiele in der Gesundheitspolitik der Liberalen. Ullmann betonte zudem die aus seiner Sicht wichtige Rolle der Apotheker in der Versorgung. Apotheken müssten von Pharmazeuten geführt werden, weil nur sie die für die Versorgung wichtige pharmazeutische Kompetenz besitzen. Ullmann betonte auch, dass es für die FDP im Wahlkampf 2017 insbesondere wichtig gewesen sei, vom Ruf der „Lobbyisten-Partei“ loszukommen.
Florian Gerster wechselt von der SPD zur FDP
Als kleinen PR-Coup hatte Lindner dann noch eine überraschende Personalie zu bieten: Er stellte den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten und SPD-Sozial- und Gesundheitsminister des Landes Rheinland-Pfalz Florian Gerster als neues FDP-Mitglied vor. Dass die FDP deutlicher um die Gunst der ursprünglich linken Wähler werben will, verdeutlichte Lindner auch gleich zu Anfang seiner Rede, als er kritisierte, dass Hartz-IV-Bezieher auf Zuverdienste zu hohe Abgaben haben. „Wer für mehr als 100 Euro neben Hartz IV arbeitet, muss von jedem Euro Zuverdienst 80 Cent abgeben. Es ist ein beschämender Mangel an Fairness, dass unser Sozialstaat diejenigen behindert, die sich aus eigener Kraft aus der Bedürftigkeit befreien wollen“, so der FDP-Chef.
Auch mit der „neuen Aktiensteuer von Olaf Scholz“ ging Lindner hart ins Gericht. „Der kleine Aktiensparer soll jetzt zahlen, statt dass wir dafür sorgen, dass das private Geld Beiseitelegen steuerfrei wird“, so Lindner.
Friedemann Schmidt und die FDP
Dass das Vorgehen der Liberalen im Apothekerlager Spuren hinterlassen hat, zeigte ein Interview mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im „Cicero“ (Februar 2019). Schmidt, der selbst langjähriges FDP-Mitglied ist, erklärte dort: „Man benutzt uns Apotheker als Nachweis dafür, angeblich keine Klientelpolitik mehr zu betreiben.“ Das Verhältnis zu den Liberalen beschreibt Schmidt weiterhin als „weitgehend zerstört“. Das schmerze ihn, weil die Partei lange Zeit „der verlässliche Partner aller freien Berufe“ gewesen sei. Sollte sich das zerrüttete Verhältnis irgendwann wieder ändern, dann „sicherlich nicht in nächster Zeit“, so Schmidt.
Gründer entlasten
Doch eine FDP so ganz ohne Verweis auf Gründer und Unternehmer ist offenbar auch für Christian Lindner nur schwer vorstellbar.
Und so erklärte er auch – trotz der erneuten Spitze gegen die Apotheker –, dass es seiner Partei auch um Menschen gehe, die in ihrer Selbstständigkeit mit zu viel Bürokratie zu kämpfen hätten. Zu häufig könnten sich Gründer „nicht ums Geschäft kümmern“, vielmehr seien sie „im Alltag von Bürokratie belastet“. Und weiter: „Um genau die Menschen geht es uns. (…) Unser Herz und unsere Leidenschaft gehören denjenigen, die es überhaupt noch mit Fleiß, Sparsamkeit und Einsatzbereitschaft zu etwas bringen wollen im Leben.“ |
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