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Pandemie Spezial
Handreinigungsgele – eine Alternative?
Marode sanitäre Anlagen machen Schulen erfinderisch
Wie kann beispielsweise ein gründliches Händewaschen angesichts vielerorts maroder sanitärer Einrichtungen gewährleistet werden oder wenn sich nur ein einziges Handwaschbecken im Unterrichtsraum befindet? Wie können lange Staus am Waschbecken reduziert und somit der Verlust wertvoller Unterrichtszeit verhindert werden? Verlockend klingt angesichts dieser Herausforderungen die Idee, dass jedes Schulkind ein selbst mitgebrachtes Handreinigungsgel am Sitzplatz verwendet.
Manche Schulen haben die Empfehlung zur Nutzung von Handreinigungsgelen als Alternative zum Händewaschen bereits ausgesprochen, unabhängig davon könnten Eltern von sich aus den Wunsch nach einer diesbezüglichen Anschaffung hegen. Einige Fallstricke werden dabei leider bei den gleichermaßen harmlos anmutenden wie Sicherheit suggerierenden Handreinigungsgelen übersehen.
Kopfschmerzen und Augenreizungen
Für Kinder ist das Einatmen des enthaltenen Alkohols nicht unbedenklich, besonders bei mehrfacher Anwendung innerhalb kurzer Zeit. Welcher Lehrer wünscht sich schon von Kopfschmerzen geplagte, schläfrige oder benommene Schüler im Unterricht, ganz abgesehen von der individuellen Gesundheitsgefährdung? Gerade ältere Kinder oder Jugendliche könnten gar verführt sein, das elterlich oder schulisch legitimierte alkoholische Produkt auf dem Schulweg, in den Pausen oder zu Hause zu schnüffeln. Zudem besteht die reale Gefahr von schweren Reizungen bei Kontakt mit den Augen. Unter anderem aus diesen Gründen müssen die Hersteller per Sicherheitshinweis darüber informieren, dass die Produkte explizit nicht in die Hände von Kindern gelangen dürfen.
Unwirksame Produkte
Um behüllte Viren wie SARS-CoV-2 zu inaktivieren, muss ein Ethanol- oder Propanol-basiertes Produkt mindestens „begrenzt viruzid“ wirksam sein (70 % [V/V]). Was vermutlich einige Verbraucher nicht wissen: Viele handelsüblichen Handreinigungsgele genügen dieser Anforderung nicht und sind mangels ausreichendem Alkoholgehalt nur antibakteriell wirksam, so zum Beispiel die Rossmann-Eigenmarken „Isana Med Handgel“, „Isana Med Handpflegegel“ oder „Isana Med Hygiene Handgel“. Auch frühere Versionen des „Balea Hygiene-Handgels“ der Drogeriemarktkette dm oder das „Balea Hygiene-Handgel“ im Pumpspender weisen nicht genügend Alkohol auf. Die Müller-Eigenmarke „Aveo med Handgel Desinfektion“ wirkt ebenfalls nicht gegen Coronaviren.
Falsche Anwendung
Äußerst wichtig ist auch bei Handreinigungsgelen die sachgerechte Anwendung. So muss bei den meisten Produkten eine haselnussgroße Menge (bezogen auf Erwachsene) auf die Hände gegeben und so lange verteilt werden, bis das Gel vollständig eingezogen ist. Die Einwirkzeit kann 30 bis 60 Sekunden in Anspruch nehmen! Um Schmierinfektionen effektiv vorzubeugen, dürfen dabei Stellen wie der Handrücken und Streckseiten der Finger, die Daumen, Fingernägel, -kuppen und -zwischenräume nicht übersehen werden. Vermutlich tragen die meisten Anwender von Handreinigungsgelen (Erwachsene und Kinder) zu wenig Produkt auf und verreiben dieses nicht lange genug und an den richtigen Stellen. Schutzwirkung: Fehlanzeige!
Belastend für die Haut
Da einige Handreinigungsgele parfümiert oder mit Farbstoffen versehen sind, keine rückfettenden Bestandteile enthalten und so die Haut schneller austrocknen und reizen, müssen entsprechende Produkte auch unter diesem Aspekt als kritisch angesehen werden. Bei rissigen Händen oder Handekzemen wird ein erneutes Einreiben des alkoholbasierten Gels als schmerzhaft empfunden, mit der Konsequenz, dass eine weitere Verwendung unterbleibt. Verletzte Hautoberflächen bieten zudem ideale Eintrittspforten für Keime, weshalb einer konsequenten Pflege zur Regeneration der Hautbarriere in Zeiten häufigen Händewaschens oder -desinfizierens eine große Bedeutung zukommt.
Keine Alternative
Handreinigungsgele stellen in der Schulsituation aus Sicht der Autorin keine Alternative zum gründlichen Händewaschen mit Seife für 30 Sekunden dar. Dieses muss zwar auch richtig praktiziert werden, ist aber im Vergleich kinder- und anwendungssicher sowie kostengünstiger. Apothekenkunden, die sich zum Schutz vor Coronaviren für Handreinigungsgele interessieren, sollten befragt werden, ob sie sie für ihre Kinder erwerben möchten. Von einer eigenverantwortlichen Verwendung in der Schule sollte abgeraten werden. Geeignete begrenzt viruzide Produkte mit rückfettenden Bestandteilen bieten sich aber zum Beispiel in der Einkaufssituation an, wenn kein Händewaschen möglich ist. Kinder sollten dabei von ihren Eltern angeleitet werden.
Empfehlungen der DDG
Schulträger sollten in Ermangelung von Waschplätzen Handdesinfektionsmittelspender in Klassenräumen, auf Fluren und in den Waschräumen anbringen, wie die Deutsche Gesellschaft für Dermatologie (DDG) in einer Stellungnahme empfiehlt. Die Gesellschaft weist auch darauf hin, „dass sich Schüler beim Auftreten von Hautschäden durch die intensivierte Handhygiene bei einem Hautarzt vorstellen sollten. Da Schüler gesetzlich unfallversichert sind, kann über einen Hautarztbericht an die Unfallversicherung eine individuelle Versorgung mit Hautschutzpräparaten ermöglicht werden.“ |
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